Astronaut

Viele Jahrzehnte nach dem Klassiker „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ folgt Schauspieler Richard Dreyfuss in ASTRONAUT erneut dem lauten Ruf des Weltalls. Ob die Tragikomödie überzeugt, das verraten wir in unserer Kritik zum Film.

OT: Astronaut (CAN 2019)

Der Plot

Der pensionierte Straßenbauingenieur Angus Stewart (Richard Dreyfuss) hat sein ganzes Leben lang davon geträumt, eines Tages als Astronaut ins All zu fliegen. Ausgerechnet mit 75 Jahren rückt die Erfüllung von Angus‘ Sehnsucht in greifbare Nähe: Der letzte verfügbare Platz beim ersten kommerziellen Weltraumflug des passionierten Selfmade-Milliardärs Marcus Brown (Colm Feore) soll über eine Fernsehlotterie vergeben werden. Obwohl Angus erst kürzlich auf Initiative seiner Tochter Molly (Krista Bridges) wegen gesundheitlicher Probleme in ein Altersheim umgezogen ist, nimmt er an der Lotterie teil. Dabei bediente er sich kleiner Tricks und der tatkräftigen Hilfe seines Enkels (Richie Lawrence). Nun ist er tatsächlich als ältester Bewerber in der Vorauswahl. Bald darauf wird eine gefährliche Schwachstelle in Marcus‘ Raumfahrtprojekt entdeckt. Somit beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, in dem nicht nur Angus‘ Flug zu den Sternen auf dem Spiel steht …

Kritik

Regieführen ist keine Frage des Alters. Dennoch zeichnet sich eine Tendenz ab, wann Regietalente ihren ersten professionellen Film herausbringen: M. Night Shyamalan war 21 Jahre alt, als sein Debüt startete. Greta Gerwig brachte ihr Regiedebüt mit 24 heraus, Steven Spielbergs „Duell“ erschien kurz vor seinem 25. Geburtstag. Orson Welles‘ „Citizen Kane“ feierte seine Premiere nur fünf Tage vor Welles‘ 26. Geburtstag, Quentin Tarantino war 28 Jahre alt, als „Reservoir Dogs“ herauskam. Und Rian Johnson, Cameron Crowe sowie Charlie Chaplin waren allesamt 32 Jahre alt, als sie ihr jeweiliges Debüt ablieferten. Richard Attenborough mit 46 und Michael Haneke mit 47 Jahren gehören zu den namhaften Regisseuren, die ihr Debüt erst in späteren Jahren absolvierten.

Marcus Brown (Colm Feore)

Doch auch diese Beiden werden von Shelagh McLeod in den Schatten gestellt. Nach einer Schauspielkarriere („Die letzte Insel“, „Holby City“) und drei Kurzfilmen absolviert sie ihr Spielfilm-Regiedebüt im Alter von vergleichsweise stolzen 59 Jahren. Und das ist ein nicht zu verachtendes Stück Hintergrundinfo, wenn man an ihre Tragikomödie „Astronaut“ herantritt – schließlich dreht sie sich um einen Mann, der sich nach einem langen und durchaus auch erfüllten Leben als Straßenbauingenieur endlich Hoffnung machen kann, seinen jahrzehntealten Traum zu erfüllen: Er möchte einmal als Astronaut ins Weltall fliegen. Nun ist der von Oscar-Gewinner Richard Dreyfuss („Der Untermieter“, „Zoff in Beverly Hills“) gespielte Angus Stewart mit seinen 75 Jahren noch einmal eine Kante älter als McLeod und das Dasein als Astronaut nochmal wesentlich belastender für das körperliche Wohl als das Regieführen. Dennoch verwundert es wohl kaum, dass die emotional die größte, authentischste Resonanz mit sich bringenden Passagen des Films jene sind, die sich mit Angus‘ Sehnsucht befassen. Ohne aufgesetztes Wehklagen, sondern durch kleine Feinheiten in den Dialogzeilen sowie Dreyfuss‘ liebenswert-präzises Spiel, wird in „Astronaut“ verdeutlicht, was die späte Erfüllung dieses riskanten Lebenstraums dem Protagonisten bedeuten würde.

„Ohne aufgesetztes Wehklagen, sondern durch kleine Feinheiten in den Dialogzeilen sowie Dreyfuss‘ liebenswert-präzises Spiel, wird in „Astronaut“ verdeutlicht, was die späte Erfüllung dieses riskanten Lebenstraums dem Protagonisten bedeuten würde.“

Dadurch, wie unaufgeregt McLeod dieses Klammern Angus‘ an seiner letzten Chance in Szene setzt, frei von forcierter Schelte für jene, die Angus warnen, und für den Großteil des Films nur sporadisch mit Pathos in Erfolgsmomenten versehen, wird „Astronaut“ fast schon zu einem „Slice of Life“-Film. Das führt dazu, dass Angus‘ Wunsch langsam, aber stetig als erfüllenswert vermittelt wird, ganz egal, wie waghalsig er klingen mag. Dass sich „Astronaut“ in der zweiten Hälfte jedoch immer deutlicher zu einem Film wandelt, der sich weniger um diesen Wunsch dreht, sondern mehr darum, dass keiner der Verantwortlichen auf Angus‘ Warnung bezüglich des geplanten Raketenstarts hören will, raubt der Tragikomödie jedoch viel von ihrem emotionalen Potential. Diese „Nun glaub mir doch jemand!“-Plotfeder hat schlicht einen weniger energischen Antrieb und wird zudem sehr konventionell durchexerziert.

Angus (Richard Dreyfuss) will ins All.

Die Genese des Films war übrigens nicht, dass McLeod ihre Regieambitionen auf fiktive Figuren projizieren wollte – laut Angaben McLeods kam sie bei einem Altersheimbesuch auf die Idee, davon zu erzählen, wie es sich anfühlt, wenn lebenslang unabhängige Menschen zerbrechlich werden, und wie wenig die meisten SeniorInnen zutrauen. Dieser Aspekt zieht sich zwar wie ein roter Faden durch „Astronaut“, kommt aber selten über kleine „Tja, man hätte dir mehr zumuten sollen!“-Anekdoten hinaus, die auch meist eher pflichtbewusst abgespult werden. Dessen ungeachtet gelingt es diesem Kinodrama, das wie ein platter Fernsehfilm ausgeleuchtet ist und daher nur sporadisch Stimmung aufkommen lässt, immer wieder für kleine Schmunzler zu sorgen und dafür, dass man den Figuren, ganz egal wie einseitig sie skizziert sind, ein gutes Ende gönnt. Neben einem liebenswürdigen Dreyfuss als nicht mehr ganz so rüstiger, dennoch weiterhin smarter und tatkräftiger Witwer überzeugt vor allem Richie Lawrence („Heroes Reborn“) als Angus‘ aufgeweckter Enkel mit einem etwas zu losen Mundwerk. Der Rest des Casts fällt hingegen nicht weiter auf.

„Es gelingt diesem Kinodrama, das wie ein platter Fernsehfilm ausgeleuchtet ist und daher nur sporadisch Stimmung aufkommen lässt, immer wieder für kleine Schmunzler zu sorgen und dafür, dass man den Figuren, ganz egal wie einseitig sie skizziert sind, ein gutes Ende gönnt.“

Das verkrampft-sentimentale Ende können leider aber auch Dreyfuss und Lawrence nicht mehr erden. Die im deutschen Marketing mehrfach gezogene Referenz zum Frühwerk Steven Spielbergs ist dann halt leider doch nicht qualitativer Natur, sondern schlicht die schöne Parallele, nach „Die unheimliche Begegnung der dritten Art“ erneut Dreyfuss nach den Sternen greifen zu sehen.

Fazit: Debüt-Regisseurin Shelagh McLeod und Richard Dreyfuss erzählen davon, dass Wünsche kein Verfallsdatum haben – und wenn sich „Astronaut“ auf diesen Aspekt konzentriert, ist das durchaus charmant. Abseits dessen ist diese „Tragikomödie“ leider generisch geraten.

„Astronaut“ ist ab dem 15. Oktober 2020 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

 

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