Verschwörung

Fede Alvarez machte sich mit kleinen dreckigen Genrefilmen einen Namen. Seine erste Big-Budget-Produktion VERSCHWÖRUNG geht dagegen auf ganzer Linie baden – und das hat nichts mit der nach wie vor geschickten Inszenierung des gebürtigen Uruguesen zu tun, sondern mit einem hanebüchenen Drehbuch. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Es ist schon lange her, seit sich die unkonventionelle Hackerin Lisbeth Salander (Claire Foy) und der von ihr heimlich angehimmelte Journalist Mikael Blomkvist (Sverrir Gudnason) gesehen haben. Erst ein neuer Fall führt die beiden zusammen, als es die NSA auf Lisbeth abgesehen hat. Sie hat Beweise für eine Verschwörung des Auslandsgeheimdienstes aufgedeckt, die auf gar keinen Fall an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Und um das zu verhindern, ist Lisbeths Gegnern jedes Mittel recht! Nachdem ihr Haus in Flammen aufgegangen ist und der Wissenschaftler Frans Balder ermordet wird, tickt für die vom Schicksal gebeutelte Hackerin langsam die Zeit herunter. Zum Glück kann sie sich auf Mikael verlassen, der längst die Fäden zusammengeführt hat, die alle zu Lisbeth führen. Und zu Balders hochintelligentem Sohn August, der der Schlüssel zu allem zu sein scheint…
Kritik
Die Hintergrundgeschichte des vierten Romans der als „Millennium“-Trilogie bekannt gewordenen Thriller-Reihe des mittlerweile verstorbenen Schriftstellers Stieg Larsson ist so spannend, dass es für die Aufbereitung fast wieder einen Film bräuchte. Das im Deutschen „Verschwörung“ betitelte Buch hat nämlich nichts mehr mit der ursprünglichen Vision Stieg Larssons zu tun (sein Entwurf zum vierten Teil hält seine Witwe bis heute unter Verschluss vor Interessenten und der Öffentlichkeit), die er einst für seine kultige Hauptfigur Lisbeth Salander vorgesehen hatte. Nach seinem Tod schrieb der Journalist David Lagercrantz nach Absegnung von Larssons Familie einen unabhängig von der Trilogie gedachten, vierten Band rund um die Hackerin. Absprachen zum Inhalt gab es mit den Angehörigen allerdings nicht und Larsson selbst konnte der Veröffentlichung natürlich auch nicht mehr entgegenwirken. Ob er das überhaupt gewollt hätte, wissen wir nicht. Was allerdings vermutet werden darf: Mit der Verfilmung von „Verschwörung“, einer Art Quasi-Fortsetzung des 2012 erschienenen Hardcore-Thrillers „Verblendung“ von David Fincher, der ursprünglich auch mal die Teile zwei und drei inszenieren sollte, kann Niemand zufrieden sein. Dabei beweist sich Claire Foy („Unsane – Ausgeliefert“) als ihren Vorgängerinnen absolut ebenbürtige Lisbeth Salander und Regisseur Fede Alvarez („Don’t Breathe“) versteht das visuelle Einmaleins des Genrekinos. Doch die Geschichte selbst kommt kaum in Fahrt.
Es gibt Dinge, die fallen einem beim ersten Schauen eines Films meist gar nicht auf, sofern einen denn die Handlung so richtig packt. Anschlussfehler sind so ein Beispiel dafür. „Verschwörung“ ist voll von ihnen; von ungenauen Kamerafahrten, plötzlichen Perspektivwechseln und fehlender Kontinuität – und dass einem das auch immer sofort bewusst wird, liegt vor allem daran, dass man sehr lange einfach überhaupt nicht weiß, worum es in „Verschwörung“ eigentlich geht und somit genügend Zeit hat, sich auf all das zu konzentrieren, was im Film falsch läuft. Bis zur Hälfte des mit zwei Stunden nicht gerade kurz ausfallenden Films macht das Skript von Fede Alvarez, Jay Basu („Song of Songs“) und Steven Knight („Allied – Vertraute Fremde“) so viele Handlungsstränge auf und führt Figuren ein, dass man den eigentlichen Fokus der Geschichte lange Zeit nicht erkennt. Darunter leiden vor allem zwei Dinge: die Hauptfigur, über die man ohne das Wissen aus den Büchern oder den bisherigen Filmen absolut nichts (Neues) erfährt. Sie ist in „Verschwörung“ einzig und allein eine handelnde Person, eventuelles Background-Wissen erhält man lediglich dann, wenn es für die Story relevant ist. Zum anderen geht all das aber auch zu Lasten der Spannung. Bevor hier endlich mal irgendwas „zur Sache geht“, führen die Figuren erst einmal ellenlange Dialoge und rennen von A nach B; einzelne Spannungsspitzen wie eine schmuck gefilmte Explosion oder eine sehr stylisch in Szene gesetzte Prügelei sind Ausnahmeerscheinungen.
Fede Alvarez hat mit „Don’t Breathe“ und dem „Evil Dead“-Remake zwei moderne Meilensteine des Horrorkinos inszeniert. Vor allem sein Gespür für düstere Ästhetik kam in beiden Werken auf völlig unterschiedliche Weise zum Ausdruck. Mal ist sein Hantieren mit Gewaltspitzen verspielt und provokant, ein anderes Mal nihilistisch und bösartig. In beiden Fällen verfehlt es seine Wirkung nicht. Genau diese für einen Thriller nicht unwichtige Stärke besitzt auch „Verschwörung“. Wenn die Kamera (Pedro Luque, „Don’t Breathe“) hier durch die verschneite Landschaft des schwedischen Hinterlandes gleitet, oder im Finale die Enge in einer alten Fabrikhalle optimal ausnutzt, damit auch möglichst alles nochmal extra beklemmend erscheint, dann kommen hier klar die Stärken des virtuosen Filmemachers durch. Auch aus seiner Hauptdarstellerin, die alle anderen Schauspielerinnen und Schauspieler mühelos in den Schatten stellt, holt Alvarez das Optimum an abgefuckter Coolness heraus – wenn wir schon keine Hintergrundgeschichte präsentiert bekommen, dann darf das, was Lisbeth Salander macht, wenigstens so richtig geil aussehen. Doch gegen das bisweilen hanebüchene Skript, das besonders gern auf den Zufall setzt, wenn es erzählerisch keinerlei logischen Ausweg gibt, und seine agierenden Figuren mehr als einmal ziemlich dumm aussehen lässt, kann auch sie nichts ausrichten.
Weshalb der die bisherige „Millennium“-Trilogie verbindende Mikael Blomkvist auch in „Verschwörung“ auftaucht, ist zumindest rein auf diesen Film bezogen ein Rätsel. Zwar haben Noomi Rapace und Rooney Mara ihre bisherigen Kollegen ebenfalls rigoros an die Wand gespielt, aber so unwichtig wie hier war die Rolle des in Ungnade gefallenen Investigativjournalisten noch nie. Die Handlung würde auch ohne seinen Alibi-Auftritt in Gang kommen. Noch viel wichtiger ist allerdings: Sie würde auch am Laufen bleiben, denn in „Verschwörung“ hat Sverrir Gudnason („Borg/McEnroe“) nicht mehr zu tun, als das Geschehen immer mal wieder kurz für den Zuschauer zusammenzufassen. Nun mag es bei einer derart unkoordinierten Erzählweise wie hier wirklich ganz hilfreich sein, wenn der Zuschauer zwischendurch immer mal wieder auf den neuesten Stand gebracht wird. Schwierig wird es nur, wenn man am Ende feststellt, dass die Story an sich eigentlich sehr simpel und zum Großteil völlig vorhersehbar war; das zeitweise eintretende Gefühl, nicht ganz zu wissen, was hier eigentlich passiert, ist einzig und allein auf das unbeholfene Skript zurückzuführen. Dieses manövriert sich nicht bloß holprig von der Exposition über einen sehr ansehnlichen Vorspann bis hin zum explosiven Finale, es widmet sich auch immer mal wieder den aus den Büchern bekannten, berühmt-berüchtigten Gewalteskapaden. Doch auch, wenn wir von einem Major-Studio wie Sony nicht erwartet haben, dass sie dem Dämonen-Bändiger Alvarez ebenso sehr freie Hand lässt, wie die Produktionsfirmen seiner bisherigen Filme (Fede Alvarez betonte im Interview sogar, dass es genau so gewesen sei), ist der in „Verschwörung“ an den Tag gelegte Gewaltgrad bemerkenswert mau. Dass sich eine Lisbeth Salander einzig und allein mit einem Elektroschocker als Waffe für ihre ausgewählten Opfer zufrieden gibt, geht schon fast in Richtung familienfreundlich. David Fincher hatte für seinen „Verblendung“ damals übrigens explizit die Forderung gestellt, diesen Film nur zu inszenieren, wenn er nicht auf ein PG-13-Ranking achten muss. Wir kennen das Ergebnis.
Fazit: Wenig Thrill, kaum Gewalt und eine Lisbeth Salander, über die man nur erfährt, dass sie auch von Claire Foy toll gespielt werden kann – „Verschwörung“ ist eine der größten Enttäuschungen des Kinojahres.
„Verschwörung“ ist ab dem 22. November bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.