Unterwegs mit Jacqueline

Französisches Wohlfühlkino auf vier Beinen – Was kann UNTERWEGS MIT JACQUELINE, die Geschichte eines Bauern, der mit seiner Kuh von Algerien nach Frankreich reist? Ich verrate es in meiner Kritik.Unterwegs mit Jacqueline

Der Plot

Die schöne Kuh Jacqueline ist Fatahs ganzer Stolz. Der größte Traum des algerischen Bauers ist es, sie eines Tages auf der Landwirtschaftsmesse in Paris zu präsentieren. Als er tatsächlich eine offizielle Einladung aus Frankreich bekommt, gibt es für ihn kein Halten mehr. Mit der Unterstützung der gesamten Dorfgemeinschaft treten Fatah (Fatsah Bouyahmed) und seine Kuh eine abenteuerliche Reise an: zuerst mit dem Boot übers Mittelmeer nach Marseille und von dort zu Fuß einmal quer durch Frankreich. Im Laufe dieser Odyssee, die viele Überraschungen und unerwartete Wendungen bereithält, trifft Fatah viele ungewöhnliche Menschen, die ihm dabei helfen, seinen Traum wahr werden zu lassen.

Kritik

Das französische Kino macht es sich derzeit ziemlich leicht, um heranwachsende Liebhaber zu buhlen. Filme wie „Ziemlich beste Freunde“, „Heute bin ich Samba“, „Birnenkuchen mit Lavendel“ oder „Frühstück bei Monsieur Henri“ funktionieren nach ein und demselben Wohlfühlschema und scheinen damit einen Nerv zu treffen. Werten wir das an dieser Stelle gar nicht pauschal ab, sondern hinterfragen einfach mal, wo das wohl herrührt, so kommen wir zu dem Schluss, dass es gerade einem älteren Zuschauersemester aktuell nach ungeheuer viel Liebe dürsten muss, die das amerikanische Kino kaum und das deutsche Kino erst recht nicht zu liefern vermag. Hollywood scheint sich mit seinen vielen Remakes, Sequels, dem andauernden Animationsfilm- und Zerstörungsorgienhype ganz auf eine junge Zielgruppe fixiert zu haben, wohingegen deutsche Filmkunst aktuell ihre Qualitäten unter Beweis stellt, wohl aber nicht in einem Segment, das für den Zuschauer ein paar Stunden wohlige Entspannung verspricht, die man als Ausgleich zur angespannten weltpolitischen Lage durchaus verlangen darf. Dass manch ein Kinogourmet die Nase rümpft, wenn nahezu jede Woche ein weiterer Film vom Kaliber „Verstehen Sie die Béliers?“ in den Lichtspielhäusern erscheint, ist angesichts der nur leidlich variierten Inhalte zwar verständlich, doch gegen ein allgegenwärtiges Bedürfnis nach harmlosem Feelgood-Entertainment kann man nun mal schwer argumentieren. Insofern überspringen wir jetzt einfach mal die Aussagen zu „Unterwegs mit Jacqueline“, aus denen einmal mehr hervorgehen wird, dass es sich bei dem Roadtrip eines Bauers von Algerien nach Frankreich erneut um einen genau solchen Genrevertreter handelt, sondern springen direkt zu der Stelle, in der wir uns anschauen, ob die witzige Prämisse nach Schema F, oder kreativ an den Zuschauer herangetragen wird.

Unterwegs mit Jacqueline

Innovativ ist an der Idee, dass sich ein Mann ein Ziel vornimmt, für das er von anderen belächelt wird und es trotzdem durchzieht, natürlich überhaupt nichts. Daher ist es auch weniger die Auflösung, auf die in „Unterwegs mit Jacqueline“ das Hauptaugenmerk gelegt werden sollte. Ein weiteres Mal ist auch in diesem etwas anderen Roadmovie der Weg das Ziel. Damit gemeint sind die einzelnen Etappen, welche die von Fatsah Bouyahmed („Vive la France – Gesprengt wird später“) äußerst sympathisch verkörperte Hauptfigur Fatah auf ihrem Weg von Algerien in die französische Hauptstadt Paris zu durchwandern hat. Da mit der Qualität dieser einzelnen Stationen die Gesamtqualität des Films steht und fällt, fühlt sich „Unterwegs mit Jacqueline“ bisweilen an wie ein Episodenfilm, in welchem nicht jede Shortstory mit derselben Qualität daherkommt, sondern je nach individueller Umsetzung schwankt. So wendet Regisseur Mohamed Hamidi („Né Quelque Part“) viel Zeit auf, um die Lebensumstände von Fatah und seiner Familie zu etablieren, greift diese später aber immer nur sporadisch und eher auf Klischeeebene auf, sodass der Culture Clash zwischen den algerischen Gewohnheiten und dem französischen Lebensstandard nur marginal zum Tragen kommt. Auch die Figuren aus Fatahs Heimatland lassen sich lediglich auf Stereotypen beschränken, weshalb sich nicht ganz nachvollziehen lässt, warum der Regisseur anfangs so viel Zeit für die Etablierung der Ausgangslage verbringt.

Hat sich Fatah erst einmal auf den Weg in Richtung Frankreich gemacht, begegnen er und seine Kuh Jacqueline diversen Landsleuten, von denen manch ein Aufeinandertreffen spannender, andere weniger spannend geraten sind. Ein Abstecher Fatahs auf ein Dorffest, auf welchem er dank Alkohol mit einer rassigen Französin anbandelt, ist einzig und allein einem konstruierten Eifersuchtskonflikt geschuldet, der die Geschichte mehr bremst, als dass sie durch ihn mehr Pepp gewinnen würde. Ein ruhiges Beisammensein mit einem ebenso depressiven wie resoluten Gutsherrn vereint indes sämtliche Stärken von „Unterwegs mit Jacqueline“. Fokussiert der Regisseur und Autor Bouyahmed nämlich nicht auf Teufel komm‘ raus Gegensätze, um diese genrekonform aufeinanderprallen zu lassen, entwickelt sich, wie in diesem Falle, ein zwangloses Gespräch ohne Holzhammermessage. Lambert Wilson („Wilde Hunde – Rabid Dogs“) stattet den unnahbaren Philippe mit einer sympathischen Kühle aus, dank der er nicht vollends auftauen muss, um eine Grundsympathie auszustrahlen. So stört es auch nicht, dass man seiner Figur bis zum Schluss nicht zutraut, freundschaftliches Interesse für Fatah zu entwickeln. Stattdessen ist es eine Mischung aus Verantwortungsbewusstsein und Respekt vor Fatahs Reise, durch die Philippe und der unkaputtbare Kuh-Bauer zusammenfinden.

Unterwegs mit Jacqueline

Je länger der mit rund eineinhalb Stunden einen Tick zu üppig ausfallende „Unterwegs mit Jacqueline“ voranschreitet, desto opulentere Ausmaße lässt Mohamed Hamidi die Geschichte annehmen. Dass Fatah auf den letzten Metern schließlich Fernsehpromi-Status erreicht, steht im Kontrast zur vorab so unaufgeregt inszenierten Botschaft, dass es einzig und allein darauf ankommt, auf sein Herz zu hören. Diese fiel zwar ebenfalls kaum innovativ aus, gleichwohl passte sie besser zu Fatahs Charakter. Wenn das Skript schließlich gar Schlenker über einen Gefängnisaufenthalt macht und den Schlussakt im besten „Auf die letzte Sekunde“-Stil inszeniert, verspielt „Unterwegs mit Jacqueline“ viele Pluspunkte, die der Film aufgrund seiner kreativen Prämisse sammeln konnte. So bleibt das Glaubhafteste an dieser Komödie schlussendlich doch die Paarung selbst, und damit das eigentlich Merkwürdige am Film. So selbstverständlich wie Fatsah Bouyahmed und die Kuh Jacqueline miteinander interagieren, ist es tatsächlich stets glaubhaft, dass sich eine solche Bindung zwischen Mensch und Nutztier aufbauen kann. Auch das Casting des Vierbeiners lässt nie einen Zweifel daran offen, weshalb Hauptfigur Fatah so eine Liebe zu der vierbeinigen Schönheit entwickelt hat.  Schade, dass man das nicht auch über den ganzen Film sagen kann.

Fazit: „Unterwegs mit Jacqueline“ ist ein unaufgeregtes Roadmovie über einen Mann, der aller Widerstände zum Trotz seinen Traum verwirklichen will. Das ist bisweilen charmant und besitzt aufgrund der stimmigen Besetzung ein gewisses Grundamusement. Handlungsverlauf und Message sind allerdings zu standardisiert, um wirklich für Aufsehen zu sorgen.

„Unterwegs mit Jacqueline“ ist ab dem 14. Juli in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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