Don’t Breathe 2

Eine Fortsetzung zum Überraschungshit „Don’t Breathe“ sollte nur dann kommen, wenn Regisseur und Autor Fede Alvarez eine gute, inhaltliche Idee haben würde. Doch in Hollywood ticken die Uhren bekanntlich anders. Und so kommt mit DON’T BREATHE 2 nun eines der wohl unnötigsten Sequels jüngerer Genregeschichte in die Kinos. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Sieben Jahre nach dem Einbruch in das Haus des blinden Norman Nordstrom (Stephen Lang) und nicht zuletzt der Entdeckung seines finsteren, im Keller des Anwesens versteckten Geheimnisses, lebt der ehemalige Kriegsveteran einsam und gänzliche zurückgezogen in Detroit. Doch eines Tages holt ihn seine dunkle Vergangenheit ein, als er nach einem Hausbrand die verletzte Phoenix (Madelyn Grace) zu sich nach Hause holt und anschließend zu einer Kämpferin ausbildet. Für Norman ist sie eine Art Ersatztochter, nachdem der Tod seiner leiblichen Tochter ihn früh in seinem Leben gebrochen und zu entsetzlichen Taten getrieben hat. Um Phoenix vor den Einflüssen der Außenwelt zu schützen, lässt Norman sie kaum vor die Tür treten. Doch eines Nachts steht die Gefahr plötzlich im Haus, denn wieder einmal haben es Einbrecher auf den Mann und diesmal auch auf Phoenix abgesehen. Doch beide wissen sich erwartungsgemäß zu wehren…
Kritik
Produktionskosten in Höhe von knapp zehn Millionen US-Dollar, ein Einspiel von rund 160 Millionen: Das sind Zahlen, die Studiobosse infolge einer Filmveröffentlichung lesen wollen. Und Fede Alvarez‘ („Verschwörung“) gleichermaßen kreativer als auch überraschender „Eine Gruppe von Einbrechern nehmen es mit einem Blinden auf“-Horrorfilm „Don’t Breathe“ konnte im Jahr 2016 diese Zahlen schreiben. Insofern war die Ankündigung des Regisseurs und Drehbuchautoren, lediglich dann eine Fortsetzung drehen zu wollen, sofern er denn den richtigen, erzählenswerten Stoff dafür fände, von Anfang an mit Vorsicht zu genießen. Die Folge: „Don’t Breathe 2“, seines Zeichens mit 15, anstatt nur zehn Millionen Dollar Budget finanziert, ist nun zwar weiterhin mithilfe von Alvarez entstanden; Gemeinsam mit seinem bereits für Teil eins als Co-Autor fungierenden Rodo Sayagues („Evil Dead“) schrieb er das Drehbuch, das Sayagues nun im Alleingang als Regiedebüt verfilmen durfte. Doch die Sache mit dem „erzählenswerten Stoff“ ist zu Gunsten einer schnellen Veröffentlichung dem Wirtschaftsgedanken hinter dem Projekt gewichen. Mehr noch: Selten wirkte das Skript zu einem Filmsequel derart inhaltlich zurechtgebogen, um irgendwie noch eine Verbindung zum ersten Teil herzustellen. Das führt sogar dazu, dass „Don’t Breathe 2“ als für sich stehender Actionthriller mit Horrorelementen sogar recht solide wäre, doch als „Don’t Breathe“-Sequel eine regelrechte Katastrophe.

Der blinde Norman Nordstrom (Stephen Lang) verteidigt Haus und Ziehtochter gegen die Einbrecher (hier: Adam Young).
Im Folgenden setzen wir das Wissen um den finalen Twist des ersten „Don’t Breathe“-Films voraus. Solltet ihr da draußen ihn also noch nicht gesehen haben: Lest an dieser Stelle erst weiter, wenn ihr dies getan habt. Denn wir müssen einfach mit Spoilern zum Vorgänger arbeiten, um die Idiotie hinter der Fortsetzung genauer zu begründen. „Don’t Breathe“ begann einst als Horrorthriller, in dem ein blinder, alter Mann von einer Gruppe von Einbrecher:innen drangsaliert wird, die nicht ahnte, dass dieser sich trotz seiner Behinderung verdammt gut zur Wehr setzen konnte. Also wurde der Film zu einem stark inszenierten, vor allem mit der Akustik spielenden Katz-und-Maus-Spiel (das aufgrund der Einhaltung gewisser Logikgrenzen obendrein deutlich besser funktionierte als der mit ähnlichen Mitteln arbeitende „A Quiet Place“!) – mit einem krassen Twist! Denn im letzten Drittel kam heraus: Dieser vermeintlich hilflose Mann hat zwar keine Leiche, dafür aber eine entführte Frau im Keller versteckt, die er vorhatte, gegen ihren Willen zu schwängern, sich in der Hoffnung, seinen Schmerz nach dem Tod seiner Tochter zu betäuben, eine neue „zu züchten“. Aus dem Opfer wurde plötzlich ein geisteskranker Täter – und aus diesem wiederum machen die Kreativen in „Don’t Breathe 2“ nun eine Art Actionhelden, der diesmal sogar alleine das Filmplakat zieren darf. Eine moralisch durchaus fragwürdige Entscheidung, die allerdings auch ein gewisses Potenzial birgt. Schließlich wird der diesmal nicht mehr namenlose Norman Nordstrom erneut das Opfer einer Einbrecherbande und hat obendrein ein junges Mädchen zu beschützen, dessen er sich angenommen hat.
„Aus dem Opfer in ‚Don’t Breathe‘ wurde plötzlich ein geisteskranker Täter – und aus diesem wiederum machen die Kreativen in ‚Don’t Breathe 2‘ nun eine Art Actionhelden, der diesmal sogar alleine das Filmplakat zieren darf. Eine moralisch durchaus fragwürdige Entscheidung.“
Kurzum: Schon die Prämisse von „Don’t Breathe 2“ ist, diplomatisch ausgedrückt, skurril. Und auch wenn der Film in der aller ersten Szene Normans Ziehtochter Phoenix und ihre Ausbildung zur Kämpferin (die Laurie Strode aus dem 2018er-„Halloween“ wäre stolz auf das Mädchen!) in den Fokus rückt, so bleibt „Don’t Breathe 2“ am Ende ein Film über Norman Nordstrode. Stephen Lang („Feinde – Hostiles“) verkörpert diesen zweifelsohne wieder mit einnehmender Präsenz und Physis, dem man die Blindheit zu jedem Zeitpunkt abkauft. Und da wir als Zuschauer:innen von Anfang an wissen, wozu dieser Mann in der Lage ist, ist die Herangehensweise an die Figur sogleich eine ganz andere. Umso schlechter funktioniert der Film im Gesamten. Denn obwohl Normans Motivation, nicht mehr sein Kellergeheimnis, sondern eben einen Menschen schützen zu wollen, der ihm viel bedeutet, ist es im Anbetracht der Geschehnisse in Teil eins doch schier unmöglich, ihm als Sympathieträger die Daumen zu drücken. Das würde man schon eher der von Newcomerin Madelyn Grace („Grey’s Anatomy“) selbstbewusst verkörperten Phoenix. Doch durch die Fokusverschiebungen von ihr auf Norman erfahren wir kaum etwas über ihren Charakter, dafür umso mehr über ihre Hintergründe, die Rodo Sayagues ein weiteres Mal twistähnlich entschlüsselt. Mit dem Unterschied, dass die aus dem Hut gezauberte Auflösung noch viel konstruierter wirkt als die Bemühungen des gesamten Plots, eine Verbindung zu den Ereignissen aus Teil eins herzustellen und zusätzlich erschwert durch das Fehlen jedweder Sympathieträger.
Ohne die Besinnung auf das Sequeldasein von „Don’t Breathe 2“ kann der Kampf zwischen Böse und noch böser durchaus seinen Reiz entwickeln. Und auch wenn die Regieskills von Rodo Sayagues (noch) nicht an die Fähigkeiten eines Fede Alvarez heranreichen, bereitet der Film inszenatorisch streckenweise Freude. Wenngleich einige der stärksten Szenen bereits für die Bestückung des Trailers verwendet wurden – und damit längst nicht so umhauen, als würde man komplett ahnungslos im Kinosaal sitzen. Gleichwohl gibt er auch Einblicke in einige Finessen, mit denen Sayagues aufwartet. Insbesondere seine Spiele mit Wasser, die Veranschaulichung von Normans Wahrnehmung im Kampf mit den allesamt sehen könnenden Widersachern und die Art, mit der es dem nach Teil eins wiederkehrenden Kameramann Pedro Luque („Antebellum“) auch diesmal gelingt, die beklemmende Atmosphäre in dem eigentlich so großzügigen Haus einzufangen, deuten an, dass Sayagues als Regisseur eine vielversprechende Zukunft vor sich hat. Daher ist es auch so bedauerlich, dass „Don’t Breathe 2“, anders als der Vorgänger, eben nicht ausschließlich in Normans Anwesen spielt und die besonders hanebüchenen Momente auslagert; Wohin, wollen wir an dieser Stelle indes nicht verraten. Dafür punktet der hierzulande ab 18 freigegebene Horrorthriller mit einigen besonders harten Gewaltspitzen, für die unter anderem Hämmer und Sekundenkleber zweckentfremdet werden – vor allem ist uns aber eine Szene in Erinnerung geblieben, die mit einem abgetrennten Arm zu tun hat und dank eines großartigen (haptischen) Effekts allein vom Zuschauen mächtig wehtut.
„Auch wenn die Regieskills von Rodo Sayagues (noch) nicht an die Fähigkeiten eines Fede Alvarez heranreichen, bereitet der Film inszenatorisch streckenweise Freude.“
War „Don’t Breathe“ in erster Linie ein Film der leisen Töne, in dem weniger die brutale Auseinandersetzung als vielmehr das Verstecken und einander Umkreisen von „Katz und Maus“ im Mittelpunkt standen, geht Norman diesmal deutlich stärker in die Offensive. Da ist es schon überraschend, dass sich die Jumpscare-Quote hier erneut in Grenzen hält. Nicht zuletzt, weil „Don’t Breathe 2“ vielmehr Action-Rache-Thriller denn Horrorfilm geworden ist. Aber eben vor allem einer, den es in dieser Form nicht gebraucht hätte – oder eben höchstens als für sich allein stehenden Genrebeitrag, der die übermäßige Präsenz eines Stephen Lang auch ganz ohne die Verbindungen zu „Don’t Breathe“ hätte ausnutzen können.
Fazit: „Don’t Breathe 2“ ist ein Film, dem sein Sequeldasein massiv schadet. Die von Stephen Lang zweifelsohne herausragend gespielte Figur des Norman Nordstrom taugt nicht zum Actionhelden, sodass man sich kaum darauf konzentrieren kann, dass der Film inszenatorisch recht ansehnlich geworden ist. Stattdessen sucht man eineinhalb Stunden lang nach dem Warum.
„Don’t Breathe 2“ ist ab dem 9. September 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.
Muss man nicht schauen.