Framing Britney Spears

Die von der New York Times produzierte Dokumentation FRAMING BRITNEY SPEARS sorgt für Schlagzeilen, da sie die perfiden Machenschaften hinter dem Aufstieg und Fall der Popqueen bis ins Detail durchexerziert. Doch wirklich Neues – geschweige denn zur Verschwörungstheorie #FreeBritney – erfährt man nicht. Mehr zum Film verraten wir in unserer Kritik.
Darum geht’s
„Framing Britney Spears“ wirft einen neuen Blick auf die erfolgreiche Karriere des Popidols Britney Spears. Und begleitet darüber hinaus die Bewegung, die seit Jahren gegen die über sie per Gerichtsbeschluss verhängte Vormundschaft durch ihren Vater ins Feld zieht. Dabei geht es vor allem um die widerwärtigen Mechanismen der US-amerikanischen Popstar-Maschinerie, der Britney in bereits jungen Jahren zum Opfer fiel – und sich bis heute nicht aus ihr befreien konnte. Doch was ist wirklich dran am Hashtag #FreeBritney?
Kritik
Jede Generation hat ihre popkulturelle Verschwörungstheorie. Seitdem die University of Michigan im Sommer 1969 einen Artikel in ihrer Campuszeitung veröffentlichte, in dem (wohlgemerkt scherzhaft!) behauptet wurde, die Popgruppe „The Beatles“ hätte ihren eigentlich längst unter tragischen Umständen verstorbenen Bassisten und Sänger Paul McCartney durch einen Doppelgänger ersetzt, stimmten rund um den Erdball Millionen von Musikfans in die Verschwörungstheorie „Paul is Dead“ mit ein – und interpretierten dafür munter Plattencover, Albumtitel und Liedtexte. Auch um die Todesfälle Marilyn Monroe und Elvis Presley ranken sich verschiedene Mythen; genauso wie um Pink Floyds Welthit „Another Brick in the Wall“, in dessen Refrain Theoretiker bis heute die Zeile „Hol ihn, hol ihn unter’s Dach!“ zu hören glauben, womit der für die Abmischung der Platte verantwortliche Tontechniker Peter Fischer seinen späteren Suizid auf einem Dachboden angekündigt haben soll. All diese Verschwörungstheorien haben sich natürlich nie bestätigt, aber dafür umso länger in der breiten Wahrnehmung gehalten; Und hätte es damals schon das Internet gegeben, wäre vermutlich aus jeder von ihnen ein eigener Hashtag geworden. Genauso wie im Falle von #FreeBritney, einer Fan-Bewegung von Britney-Spears-Anhänger:innen, die auf dem besten Weg dahin ist, „Paul is Dead“ und Co. zu beerben.
Davon, dass hinter #FreeBritney jedoch ein klein wenig mehr steckt als hinter so hanebüchenen Ideen wie den noch lebenden (!) Elvis Presley auf einem Mondgrundstück (!!) zu vermuten, zeugen indes schon die journalistischen Ambitionen hinter der seit einigen Wochen bei Amazon Prime verfügbaren Dokumentation „Framing Britney Spears“. Verantwortlich für diese ist nämlich niemand Geringeres als die renommierte New York Times, die in der Vergangenheit schon öfter Kurzdokus unter der Dachmarke „The New York Times presents“ veröffentlichte. Auch die Regisseurin Samantha Stark war im Rahmen dieser Reihe bereits tätig und inszenierte im vergangenen Jahr eine Reportage über US-amerikanische Ärzt:innen und Krankenpfleger:innen, die sie für „They Get Brave“ mit Go-Pro-Kameras ausstattete, um ihren Arbeitsalltag hautnah zu dokumentieren. Eine derartige Unmittelbarkeit zur Materie fehlt „Framing Britney Spears“ völlig; Und die gerade einmal 74 Minuten Lauflänge füllen in erster Linie längst bekannte Szenen – von einer Britney Spears, die sich 2007 ihren Kopf kahl rasierte, die wenig später mit ihrem kleinen Sohn auf dem Schoß am Lenkrad ihres Autos erwischt wurde und die viele Jahre danach ihr strahlendes Comeback in Las Vegas feierte. Fans der Popsängerin dürften die Lebens- und Karrierestationen der heute 39-Jährigen ohnehin aus dem Effeff beherrschen. Doch selbst wer die Eskapaden rund um das einstige Teenieidol nicht akribisch mitverfolgt hat: Die in „Framing Britney Spears“ gezeigten Aufnahmen gingen nun mal um die Welt. Exklusiv oder neu ist nichts von alledem. Aber derart gebündelt bekommt man für die Ausmaße von Spears‘ Weltkarriere immerhin noch einmal ein ganz neues Gefühl.
„Die gerade einmal 74 Minuten Lauflänge füllen in erster Linie längst bekannte Szenen – von einer Britney Spears, die sich 2007 ihren Kopf kahl rasierte, die wenig später mit ihrem kleinen Sohn auf dem Schoß am Lenkrad ihres Autos erwischt wurde und die viele Jahre danach ihr Comeback in Las Vegas feierte.“
Genauso wie für die Abartigkeiten der US-amerikanischen Popmusikindustrie. Sie beginnt bei der Produktion erfolgreicher Singles und Alben, bei der Planung von Welttourneen sowie der Organisation von Preisverleihungen und endet bei der Vermarktung möglichst skandalträchtiger Papparrazzi-Fotos und der Ausformulierung eines neuen Images nach der zigsten Einlieferung in die Entzugsklinik. Mit was für einer Penetranz Promifotografen in den USA ihren „Idolen“ nachjagen und was für ein knallhartes Business hinter diesem schmierigen Teil des VIP-Zirkusses steckt, bringt „Framing Britney Spears“ gut zur Geltung, indem gleich mehrere Papparrazzi von ihrer Abhängigkeit von Stars wie eben auch Britney Spears sprechen und ihre Sicht auf Spears‘ Karriere schildern; Gleichwohl sind auch derartige Erkenntnisse längst nichts Neues. Und dass Britney Spears einst mit ihrem kleinen Sohn auf dem Schoß autofahrend erwischt wurde, weil sie sich auf der Flucht vor den Fotografen schlicht nicht anders zu helfen wusste, sticht da als einzelne Zuspitzung der Ereignisse mahnend hervor, ohne letztlich nachzuhallen; Dafür war Britney Spears einfach schon zu oft mit zu vielen verschiedenen und längst nicht immer derart fremdverschuldeten Skandalen in den Schlagzeilen.

Die von der New York Times präsentierte Dokumentation wird dem zweifelsohne spannenden Lebensweg der Sängerin nicht gerecht.
„Framing Britney Spears“ zeigt in erster Linie Bilder, die wir kennen. Die Geschichten um diese herum sind ebenfalls entweder längst bekannt (da schon zigfach von diversen Medien aufbereitet worden) oder stützen sich auf Vermutungen. Insbesondere die von diversen indirekten Wegbereitern angestellten Interpretationen über Britney Spears‘ Gemütszustand stoßen unangenehm auf – in einer Dokumentation, die eine junge Frau als das Opfer einer schmierigen Maschinerie bemitleidet, selbst nur über und nie mit ihr zu sprechen, sie also genau so für sich zu beanspruchen, wie es die Doku ansonsten vor allem den anderen Medien vorwirft, ist bigott. Gleichwohl ist die Auswahl der Interviewpartner:innen durchdacht: Mit Felicia Culotta kommt eine langjährige Freundin und ehemalige Assistentin von Britney Spears selbst zu Wort. Genauso wie Kim Kaiman, ehemaliger Marketingleiter von Jive Records, der in Britneys frühen Karrierejahren mit ihr zusammenarbeitete; Neben Reporter:innen, Starfotografen und Medienexperten. Britney und ihre Familie selbst hätten auf Interviewanfragen der New York Times derweil nicht reagiert. Und so nährt sich „Framing Britney Spears“ in erster Linie von Spekulationen, für die es nur bedingt eine neue Darreichungsform wie diese hier benötigt hätte. Selbst Spears‘ Instagram-Account ist da unmittelbarer.
„Britney und ihre Familie selbst hätten auf Interviewanfragen der New York Times derweil nicht reagiert. Und so nährt sich „Framing Britney Spears“ in erster Linie von Spekulationen, für die es nur bedingt eine neue Darreichungsform wie diese hier benötigt hätte.“
Doch was ist nun eigentlich mit der eingangs erwähnten Bewegung #FreeBritney, die davon ausgeht, dass die Pop-Diva gegen ihren Willen der Vormundschaft ihres Vaters unterliegt und ihren Fans sogar hin und wieder versteckte Hilfegesuche zukommen lässt? Dieser Teil der #FreeBritney-Bewegung, der klar im Bereich der Verschwörung argumentiert, findet in „Framing Britney Spears“ nicht statt. Skurrillitäten wie Botschaften durch bestimmte T-Shirt-Farben oder Wimpern, die den Schriftzug „Call 911“ bilden sollen, scheinen nicht recht in ein journalistisches Format der New York Times zu passen. Dadurch setzt sich die Doku letztlich jedoch nur noch mehr zwischen die Stühle. Fans der Sängerin erfahren in „Framing Britney Spears“ nichts Neues. Wer sich wirklich für Spears‘ Karriere-Achterbahn interessiert, sieht sich hier zu vielen Mutmaßungen ausgesetzt. Und dann wenn die Macher:innen immerhin frei drehen und die vollen Ausmaße der #FreeBritney-Manie ergründen könnten, ist der Film auch schon vorbei.
Fazit: Die von der New York Times präsentierte Dokumentation „Framing Britney Spears“ wird dem zweifelsohne spannenden Lebensweg der Sängerin nicht gerecht. Ein Großteil des Films besteht aus Bildern, die längst durch die Presse gingen und Mutmaßungen von Menschen, die häufig noch nicht einmal direkt mit der porträtierten Künstlerin zu tun hatten. Immerhin: Die Popmusikbranche sieht man anschließend nochmal mit etwas anderen Augen.
„Framing Britney Spears“ ist ab sofort bei Amazon Prime streambar.