The Peanut Butter Falcon

Für Tyler Nilson und Michael Schwartz ist THE PEANUT BUTTER FALCON nicht nur der erste gemeinsame Spielfilm, die beiden schrieben dafür auch zusammen ihr erstes fiktionales Drehbuch. Das Ergebnis ist ein im besten Sinne an Filme wie „Swiss Army Man“ erinnernder Roadtrip, in dessen Mittelpunkt eine tief zu Herzen gehende Freundschaft steht. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Zak (Zack Gottsagen) ist glühender Wrestling-Anhänger und träumt von nicht mehr, als einmal die Wrestling-Schule seines großen Idols zu besuchen. Das Problem: Er hängt in einem Pflegeheim fest. Da Zak das Down Syndrom hat, traut ihm seine Umwelt nämlich nicht zu, für sich allein zu sorgen. In seinem langen Weggefährten Carl (Bruce Dern) findet er jedoch einen Verbündeten. Dieser hilft ihm eines Nachts, aus dem Pflegeheim auszubrechen. Auf seiner Reise in Richtung Florida trifft Zak zufällig auf Tyler (Shia LaBeouf), einen Kriminellen, der eigentlich gerade ganz andere Probleme hat, als einem dahergelaufenen Mann bei seiner Odyssee nach Florida zu helfen. Doch aus irgendeinem Grund sind sich die zwei auf Anhieb sympathisch und bestreiten den Weg gemeinsam. Als sich eines Tages auch noch Zaks Pflegerin Eleanor (Dakota Johnson) an ihre Fersen heftet, wird die Reise dieses ungleichen Trios zu einem Abenteuer, das keiner von ihnen jemals vergessen wird…
Kritik
Shia LaBoeuf hat innerhalb weniger Wochen mit zwei neuen Filmen Aufsehen erregt und beide wurden von der Kritik mit äußerst wohlwollenden Besprechungen bedacht. Da kann man schon mal durcheinander kommen. Daher noch einmal rasch zur Einordnung: „Honey Boy“ – nicht zu verwechseln mit „American Honey“, in dem LaBoeuf übrigens auch mitspielt – lief auf Filmfestivals wie Toronto, Sundance und Woodstock. Darin spielt LaBoeuf quasi sich selbst. Der Film zeichnet grob das Leben des umstrittenen Schauspielers nach. In den Hauptrollen finden sich unter anderem Lucas Hedges („Manchester by the Sea“) und Noah Jupe („Le Mans 66 – Gegen jede Chance“). Offiziell in die US-Kinos kam „Honey Boy“ dann im November, gesegnet mit einer ordentlichen Portion Vorschusslorbeeren. In „The Peanut Butter Falcon“ dagegen mimt LaBoeuf einen Kriminellen, der sich mit einem jungen Mann mit Down Syndrom anfreundet. Angelehnt an Filme wie „Swiss Army Man“ verzaubert die erste rein fiktionale Regiearbeit von Tyler Nilson und Michael Schwartz nun schon seit einer ganzen Weile auch das reguläre Kinopublikum. Genauer: „The Peanut Butter Falcon“ hat bereits in der Startwoche das Dreifache seines Budgets wieder eingespielt und beweist neben Filmen wie „Downton Abbey“, „Good Boys“, „Overcomer“ und „Hustlers“, dass das Boxoffice aktuell nicht (mehr) zwingend von den Big-Budget-Blockbustern dominiert wird.

Eleanor (Dakota Johnson) ist sich nicht mehr sicher, ob sie weiß, was für ihren Schützling das Beste ist.
„The Peanut Butter Falcon“ entstand mit einem Budget von gerade mal 6 Millionen US-Dollar. Darüber lachen die großen Hollywood-Studios, die mitunter mehrere Hundert Millionen ausgeben, um Filme wie „Der König der Löwen“ oder die derzeit angesagten Superheldenfilme zu inszenieren. Doch an dieser zurückhaltend gedrehten Roadmovie-Komödie ist bewusst alles eine Nummer kleiner, intimer. Denn letztlich ist es neben der berauschenden Kulissen, die vornehmlich aus der Sumpfgegend des US-amerikanischen Hinterlandes bestehen, vor allem die Interaktion der Figuren, die den Film dominieren. Unter Zuhilfenahme einiger fantastischer Elemente (vor allem das Ende sagt sich etwas vom ansonsten bodenständigen Tonfall los) erinnert „The Peanut Butter Falcon“ damit vornehmlich an den bereits zitierten „Swiss Army Man“ von Daniel Kwan und Daniel Schreinert, aber auch Anleihen an Andrea Arnolds Indie-Meisterwerk „American Honey“ werden sichtbar – nicht zuletzt, weil sich auch in „The Peanut Butter Falcon“ ein Shia LaBoeuf einem Szenario flirrender Menschennähe stellen muss, in dessen Zusammenhang immer wieder die Frage nach dem Sinn und Zweck von Freundschaft gestellt wird. Und die beantworten sowohl er als auch Newcomer Zack Gottsagen mit größtmöglicher Selbstverständlichkeit mit einem aufrichtigen Plädoyer dafür, dass Zusammenhalt Grenzen überwindet und im jeweils anderen die bestmögliche Version von einem selbst freikitzeln kann.
Nach „Die Goldfische“ und „Alles außer gewöhnlich“ ist „The Peanut Butter Falcon“ nun schon der dritte Film innerhalb kurzer Zeit, in dem ein Mensch mit geistiger Behinderung einen Menschen mit geistiger Behinderung spielt. Dadurch entsteht eine authentische Nähe zum Geschehen; Tyler Nilson und Michael Schwartz heucheln nie falsches Mitleid, sondern betrachten jeden ihrer Filmcharaktere gleichwertig und sind dabei mitunter äußerst entwaffnend. Mit dem Auftritt von Dakota Johnson („Suspiria“) erweitern sie diese „Bromance“ (eine Wortschöpfung aus „Brothers“ und „Romance“) noch um eine weitere Figur, die zunächst nur von außen auf das durchaus fragwürdige Geschehen schaut – schließlich will sie für ihren Schützling ja nur das Beste. Doch mit der Zeit begreift auch Eleanor, dass man den Geschehnissen eben einfach mal trauen sollte. Mit viel Witz, Herz und leiser Melancholie führen die Filmschaffenden ihre Odyssee schließlich zu einem emotionalen Abschluss. Vorbei sind eineinhalb Stunden pures Wohlfühlkino, in dessen Hände man sich am liebsten umgehend noch einmal begeben würde. Und so konstruiert die Geschehnisse hier bisweilen auch wirken mögen, so optimal lösen die Kreativen sämtliche Handlungsstränge letztlich auf. „The Peanut Butter Falcon“ ist schon jetzt ein heißer Award-Anwärter.
Fazit: „The Peanut Butter Falcon“ ist eine herzliche Tragikomödie darüber, dass wir jedem Menschen vorurteilsfrei begegnen sollten. Das Hauptdarstellertrio spielt famos auf, das Setting besticht durch berauschende Landschaftsaufnahmen und trotz der Gefahr, hin und wieder in Kitsch abzudriften, behalten die Macher abseits einiger fantastischer Elemente die betonte Verwurzelung in der Realität bei. Bei diesem Trip wär man selbst nur zu gern dabei!
„The Peanut Butter Falcon“ ist ab dem 17. Dezember in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.