Hustlers

Eine Gruppe Stripperinnen denkt sich eine Masche aus, mit der sie Wall-Street-Bonzen das Geld aus der Tasche ziehen wollen – wie Lorene Scafaria aus dieser wahren Geschichte einen starken Film geformt hat, verraten wir in unserer HUSTLERS-Kritik.

Der Plot

New York im Jahre 2007: Dorothy (Constance Wu), besser bekannt unter ihrem Strippernamen Destiny, arbeitet im Stripclub Moves, wo sie jedoch nur schmale Summen einnimmt – kaum genug, um für sich und ihre Großmutter zu sorgen. Eines Nachts beschließt Destiny, auf ihre Kollegin Ramona (Jennifer Lopez) zuzugehen, die großartig tanzt und dementsprechend von den Kunden mit Scheinen überhäuft wird. Ramona nimmt Destiny liebend gern unter ihre Fittiche und bringt ihr nicht nur bessere Moves an der Stange bei, sondern unterrichtet sie auch darin, wie man welche Art Kunden anzupacken hat. Ramonas Unterricht bringt’s: Selbst wenn ihr Job nicht respektiert wird, und sie es mit einigen schmierigen Typen zu tun bekommen, können es sich die aufgeweckteren Stripperinnen im Moves gut gehen lassen – nicht zuletzt dank der reichen Banker-Kundschaft. Doch dann kommt es zur Wirtschaftskrise und für die Stripperinnen springen nur noch Kleckerbeträge heraus. Ramona und Co. versuchen daher, mit Einfallsreichtum und fragwürdigen Methoden ans große Geld zu kommen …

Kritik

Regisseurin Lorene Scafaria steht für einfühlsame, tragikomische Stoffe: Ihr Regiedebüt „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ aus dem Jahre 2012 zeigt Steve Carell und Keira Knightley in einer Welt, die dem Untergang geweiht ist, wie sie in den verbleibenden Tagen Nähe, Freundschaft und Seelenfrieden suchen. 2015 reichte Scafaria „Mit besten Absichten“ nach. Eine Dramödie über eine Mutter, die sich unentwegt in das Leben ihrer erwachsenen Tochter einzumischen versucht, weshalb diese auf Abstand geht, und daher nicht mitbekommt, wie ihre Mutter eine späte, neue Liebe findet. Mit Zwischentönen in Moll und einigen hart platzierten Dialogwitzen gehörte der Film mit Susan Sarandon, Rose Byrne, J.K. Simmons und Cecily Strong zu den charmantesten Kinoproduktionen ihres Jahres. Scafarias neuster Film scheint nun oberflächlich völlig aus dieser Reihe zu fallen: Die Kriminal-Dramödie „Hustlers“ erzählt, basierend auf wahren Begebenheiten, von einer Gruppe Stripperinnen, die Finanzhaie ausnimmt. Das dürfte bei vielen Filmfans Erwartungen eines räudigen, feucht-fröhlichen Films wecken. Doch „Hustlers“ ist kein filmgewordenes Hip-Hop- oder R’n’B-Musikvideo, sondern hat zwei Standbeine, die ihn ganz woanders verorten: Da wäre auf der einen Seite die fesselnde Betrugsgeschichte, mit der Scafaria ebenso gewitzt wie dramatisch Kritik an gesellschaftlichen Urteilen und wirtschaftlichen Fehlstellungen äußert. Und auf der anderen Seite ist das melancholische Standbein von „Hustlers“ die zarte sowie verletzliche Freundschaft zwischen der zurückhaltenden Destiny und der Stripperin Ramona, die nahezu durchweg eine strahlende „Mir gehört die Welt“-Haltung an den Tag legt.

Zwischen Ramona (Jennifer Lopez) und Dorothy (Constance Wu) entwickelt sich eine Freundschaft, die auf wackeligen Beinen steht.

Regisseurin und Autorin Scafaria beginnt ihren Film daher gezielt mit einer Rahmenerzählung: Wir sehen Dorothy alias Destiny in strahlendem Weiß gekleidet in einem ebenso steril-hellen, aber auch prunkvoll-geräumigen Wohnzimmer, wo sie ein Interview gibt. Ganz gleich welche Betrügereien sie also im weiteren Filmverlauf gestehen wird, wir wissen schon: Sie wird davonkommen. Zunächst offen ist die Frage, wie wir dazu stehen sollten. Sind diese Gedanken erst einmal angestoßen, blicken wir zusammen mit Destiny zurück ins Jahr 2007. Die Binnenerzählung von „Hustlers“ beginnt konsequenterweise damit, wie wir Destiny beobachten und sie letztlich ihr nahezu zielloses Streifen durch den Club Moves damit beendet, dass sie Ramona beobachtet. Somit stellt Scafaria sogleich mehrere Weichen für „Hustlers“: Sie signalisiert durch diese Sequenz sehr deutlich, dass sie weder daran interessiert ist, Stripclubs zu glorifizieren, noch daran, die ebenso häufig bediente Argumentation aufzuwärmen, dass Strippen ein Beruf ist, der mit dem untersten Bodensatz der gesellschaftlichen Hackordnung gleichzusetzen ist. Stattdessen zeichnet Scafaria ein doppelbödiges, nuanciertes Bild eines tückischen und keinesfalls beneidenswerten Berufes, dem wir dennoch mehr Respekt erweisen sollten.

Destiny begegnet ekligen, polternden Kunden und streift mit einer verschüchterten, schlurfend-unwohlen Körperhaltung durch den Club, gleichwohl sehen wir schon früh, dass es ein kniffliger, durchaus auch künstlerischer Job ist, den man erst einmal beherrschen muss. Statt Destiny und ihre Kolleginnen kinematografisch anzugeifern, zeigt Scafaria das Geschehen im Moves aus Destinys Perspektive. Wenn die selbstbewusste, erfahrene und talentierte Ramona auftritt, rücken Scafaria und Kameramann Todd Banhazl somit nicht Lopez‘ Körper in den Fokus (selbst wenn sie keine Zweifel daran lassen, dass sie beneidenswert fit ist), sondern lassen uns erstaunt aufsaugen, wie atemberaubend gut Ramona tanzt und wie sie mit ihrem Können und ihrer körperlichen Präsenz den ganzen Raum um den Finger wickelt. Und so wird non-verbal sofort klar, weshalb Destiny anschließend Ramonas Nähe sucht – wer in Destinys Situation würde sich denn nicht von dieser Powerfrau unterrichten lassen wollen? Ebenso intuitiv wird kurz danach deutlich, warum Ramona sich Destiny annimmt, denn als Destiny auf sie zukommt, ruht sie sich gerade in einer selbstverliebten (und verdienten!) Angeberpose aus. Gekleidet mit einem riesigen Pelzmantel. Ramonas Outfit, ihre Körperhaltung und die harte, schwere Stimmlage, mit der Jennifer Lopez in dieser Szene Ramonas zuvorkommende Kommentare ausspricht, sagen unmissverständlich aus: Ramona gefällt es, wenn sie gefällt, und sie ist gönnerhaft, solange genug Glanz für sie abfällt – da kann man dann auch mal zusätzliche Anstrengungen erdulden und einem Küken von einer Stripperin das Fliegen beibringen.

Mercedes (Keke Palmer) und Annabelle (Lili Reinhart) bei der Arbeit.

Diese körperliche Ausdrucksstärke zieht sich auch durch den weiteren Film: Während viele Filme über das organisierte Verbrechen zumeist einen Großteil ihrer Aussage in die Dialoge legen und große Schauspielleistungen häufig in Form mit packendem Nachdruck abgelieferter Monologe daherkommen, obsiegt in „Hustlers“ die beiläufig präsentierte Körpersprache. Allein schon die Differenzen in Lopez‘ Gestus sind faszinierend: So überlebensgroß Ramonas Ausstrahlung in ihrer Auftaktszene sein mag, ist sie deutlich zurückgenommener und banaler, wenn sie kurz danach Destiny an der Stange unterrichtet – und dennoch bleibt sie auch in dieser Trainingsszene die fabelhafteste, dominanteste Frau im Raum. Und auch außerhalb des Clubs spricht die Art, mit der sich Lopez als Ramona gibt, wahre Bände, ohne dass je Scafarias kurzweilig-alltäglichen Dialoge es einem unter die Nase reiben würden: Wenn Ramona und Destiny shoppen gehen, zeigt sich ganz genau, dass Ramona große Freude daran hat, zusammen mit ihrer Kollegin Geld auf den Kopf zu hauen, doch sobald Destiny ernste Sorgen anspricht, fließt eine unsichere Zurückhaltung in Ramonas Mimik und Gestik ein: Die Art Freundin, mit der man wirklich alles teilt, will Ramona halt doch nicht für Destiny sein, selbst wenn Ramona es nicht übers Herz bringt, deutlich auf Distanz zu gehen.

Genauso stark wie Lopez („The Boy Next Door“) spielt Hauptdarstellerin und Haupt-Identifikationsfigur Constance Wu („Crazy Rich“), selbst wenn sie als Destiny den weniger auffälligen Part hat: Ihren Blicken liegt selbst in den Glanzzeiten des Moves eine unterschwellige Unsicherheit inne, ein Zweifeln daran, sich vor fremden Männern zu enthüllen – und doch gibt es eine klare Progression in Destinys Selbstbewusstsein und tänzerischem Können. Es ist glaubwürdig, dass sich diese nach Halt suchende Selbstversorgerin mit diesem Beruf arrangiert. Nicht zuletzt, weil Ramona für sie so etwas wie eine angeberische, aber wohlmeinende große Schwester wird. Kommentiert wird dies durch die sporadischen Sequenzen, in denen sich die Rahmenerzählung zurückmeldet: Zugeknöpft, betont damenhaft und mit strenger, gerader Körperhaltung von früher erzählend, zieht Dorothy im Interview eine sichtbare Linie zwischen sich im Jetzt und im Damals, wobei sie sich dennoch so manch verschmitztes Grinsen oder auch sehnsüchtige Blicke zurück nicht verkneifen kann, ohne dass sie diese Gefühlswendungen ausformulieren müsste.

Dorothy bekommt Unterricht bei Ramona.

Diese Wertschätzung des schauspielerischen Details zeigt sich auch bei kleineren Parts, etwa bei Lili Reinhart („The Good Neighbor“): Wenn die Stripperinnen mit ihrer Betrugsnummer loslegen und daher immer wieder so tun müssen, als würden sie genauso viele Shots trinken wie ihre Opfer, ist Reinharts junge, unerfahrene Annabelle deutlich unbeholfener als etwa Ramona, für die es die leichteste Übung der Welt ist. Es sind solche kleine Raffinessen, die „Hustlers“ nicht nur Glaubwürdigkeit verleihen, sondern auch im späteren, dramatischeren Drittel noch immer für ein paar Schmunzler sorgen und so vermeiden, dass der kurzweilig und energiereich begonnene Film plötzlich völlig einbricht.

Und was sagst Du dazu?