Das startet am 1. November 2018

Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von WESSELS‘ WEEKLY, unserer wöchentlichen Vorschau auf die anstehenden Filmstarts. Heute geht es um den Starttag des 1. November, der um den 31. Oktober als vorgezogener Starttag für zwei Filme ergänzt wird. Mit „Bohemian Rhapsody“ erscheint das umstrittene Porträt der legendären Band Queen in den Kinos, das sich zwar jede Menge künstlerische Freiheiten nimmt, jedoch das erreicht, was beabsichtigt ist: er zollt der prägenden Musik der Band einen Tribut. Und Rami Malek brilliert! Auch aus deutschen Landen gibt es mit „25 km/h“ eine sehr sympathische Roadmovie-Komödie mit zwei top aufgelegten Darstellern zu sehen, die hoffentlich das Publikum bekommt, das sie verdient. Disneys Wintermärchen „Der Nussknacker“ durften wir indes noch nicht sehen. Und für alle, die „Mandy“ auf dem Fantasy Filmfest verpasst haben, gibt es den abgefuckten LSD-Albtraum auch in einigen ausgewählten Kinos in Deutschland zu sehen.
Wenn Ihr mehr zu den einzelnen Filmen wissen wollt, klickt einfach auf’s Plakat und entdeckt dort entweder die Kritik oder den dazugehörigen Trailer. Bei Produktionen, die ich vorab nicht sichten konnte, liefere ich Euch auch diesmal wieder eine Zusammenfassung der Handlung. Und wer lieber daheim bleibt, für den habe ich natürlich auch einen hübschen Heimkinotipp parat. Ich wünsche Euch viel Freude mit dieser neuen Ausgabe und natürlich viel Spaß im Kino!
Starttag: 31. Oktober: BOHEMIAN RHAPSODY | Regie: Bryan Singer (Dexter Fletcher) | USA 2018
Im Jahr 1970 gründen Freddie Mercury, Brian May, Roger Taylor und John Deacon die Band Queen, die später zu einer der legendärsten Rockbands aller Zeiten werden sollte. Songs wie „Killer Queen”, „Bohemian Rhapsody”, „We Are The Champions” und „We Will Rock You“ machen die Musiker unsterblich, doch hinter der Fassade des Leadsängers Freddie Mercury macht sich langsam eine emotionale Zerrissenheit bemerkbar. Nicht nur mit seiner für ihn lange Zeit nicht definierbaren Sexualität muss sich der aus Sansibar stammende Parse arrangieren. Immer häufiger scheint sein Umfeld etwas Anderes zu wollen, als er selbst. Spätestens als sich seine große Liebe Mary von ihm trennt, bricht auch Freddie den Kontakt zu seinen Bandmitgliedern ab und versucht, solo genauso erfolgreich zu sein. Erst viel zu spät begreift er, dass er in diesen eigentlich längst eine Familie gefunden hat, mit der er 1985 beim legendären Live-Aid-Konzert spielen will.
„Bohemian Rhapsody“ bringt das große Kunststück fertig, aus Menschen, die noch nie Berührungspunkte mit der Band hatten, Queen-Fans zu machen. Und trotz einiger Ungenauigkeiten im porträtierenden Teil, an dem sich allerdings nur Puristen stören dürften, ist der Musikfilm obendrein ein hochemotionales Porträt einer faszinierenden Persönlichkeit, die Rami Malek voller Inbrunst, Leidenschaft und Sensibilität verkörpert.
Starttag: 31. Oktober: 25 KM/H | Regie: Markus Goller | DE 2018
Nach 30 Jahren treffen sich die beiden Brüder Georg und Christian auf der Beerdigung ihres Vaters wieder. Beide haben sich zunächst wenig zu sagen: Georg, der Tischler geworden ist und seinen Vater bis zuletzt gepflegt hat, und der weitgereiste Top-Manager Christian, der nach Jahrzehnten erstmalig zurück in die Heimat kommt. Doch nach einer durchwachten Nacht mit reichlich Alkohol beginnt die Annäherung: Beide beschließen, endlich die Deutschland-Tour zu machen, von der sie mit 16 immer geträumt haben – und zwar mit dem Mofa. Völlig betrunken brechen sie noch in derselben Nacht auf. Trotz einsetzendem Kater und der Erkenntnis, dass sich eine solche Tour mit über 40 recht unbequem gestaltet, fahren sie unermüdlich weiter, während sie schräge Bekanntschaften machen und diverse wahnwitzige Situationen er- und überleben.
„25 km/h“ ist ein über weite Strecken sehr sympathisches und amüsantes Roadmovie mit zwei bestens aufgelegten Hauptdarstellern. Zwischendurch mogeln sich allerdings immer mal wieder theatralische Bildmontagen in den Film, die der sonst so authentisch und bodenständig inszenierten Komödie für Minuten den Anstrich eines austauschbaren Schweiger-Blockbusters verleihen. Und das hätte Markus Gollers Regiearbeit echt nicht benötigt.
BLUE MY MIND | Regie: Lisa Brühlmann | CH 2017
Die 15-jährige Mia ist zusammen mit ihren Eltern umgezogen, und so beginnt für sie der Spießrutenlauf, sich in der neuen Schule einzuleben. Sie will bloß nicht als Langweilerin abgestempelt werden, weshalb sie sich den Störenfrieden in der Klasse annähert. Parallel dazu sondert sich Mia von ihren Eltern ab. Sie missachtet zunehmend Bitten und Regeln, durchwühlt unerlaubt die privaten Sachen ihrer Eltern, fängt sogar an, zu hinterfragen, ob sie überhaupt in diese Familie gehört. Doch nicht nur charakterlich verändert sich Mia, sondern auch körperlich, was sie eingangs verwundert und zunehmend verängstigt. Sie fühlt sich fehl am Platze, sie hat Angst, dass ihre Mitschülerinnen und Mitschüler von ihren körperlichen Eigenheiten Wind bekommt. Und trotzdem will sich Mia nicht von ihren neu entdeckten Freundinnen und Jungsbekanntschaften abkoppeln…
„Blue My Mind“ ist ein bildgewaltiger, toll gespielter Film über das Gefühl des Verlorenseins, das eine Teenagerin plagt, die frisch in der Pubertät angekommen ist.
MANDY | Regie: Panos Cosmatos | USA/BEL/UK 2018
Das Jahr 1983. Irgendwo in der Nähe der Shadow Mountains, im waldigen Osten Kaliforniens. Der Holzfäller Red Miller (Nicolas Cage) lebt mit seiner Freundin Mandy Bloom (Andrea Riseborough) in einer beschaulichen Blockhütte mit berückendem Seeblick. Zwar arbeitet Mandy als Kassiererin in einer Tankstelle, ihre wahre Passion liegt jedoch in der fantastischen Kunst. Ihren größten Fan hat Mandy in ihrem Partner, der all seiner Bodenständigkeit zum Trotz stundenlang mit seiner träumerischen Freundin philosophieren könnte. Zusammen haben sie sich ihr eigenes, kleines, abgeschiedenes Paradies erschaffen, wo er als früherer Alkoholiker und sie als Frau mit schwerem Kindheitstrauma ein neues Leben führen können. Doch eines Tages wirft Jeremiah Sand, der Anführer einer boshaften Hippiesekte namens Children of the New Dawn, ein Auge auf Mandy. Er will sie für sich haben. Ein drogendurchtränkter Albtraum beginnt…
Eine außergewöhnliche Bild- und Klangästhetik, die wie für einen filmischen Rausch geschaffen wäre – aber so ganz will sich Regisseur Panos Cosmatos seinem LSD-Heavy-Metal-Wahn nicht hingeben. Doch der kraftvolle Score von Jóhann Jóhannsson, ein intensiv aufspielender Nicolas Cage und Farbwelten mit Signalwirkung machen dieses 80er-Metal-„Only God Forgives“ dem stotternden Pacing zum Trotz zu einer interessanten Filmerfahrung.
DER NUSSKNACKER UND DIE VIER REICHE | Regie: Lasse Hallström | CHN/UK/USA 2018
Die junge Clara (Mackenzie Foy) hat vor einiger Weile ihre Mutter verloren und feiert ihr erstes Weihnachtsfest allein mit ihrem Vater und ihren zwei Geschwistern. Auf einer Feier findet findet sie den Weg zu einer mysteriösen Parallelwelt wieder, als sie sich auf die Suche nach einem geheimnisvollen Schlüssel macht, der eine Spieluhr mit einem einzigartigen Geschenk öffnen soll. Im Schneeflockenland, im Blumenland und im Naschwerkland trifft sie auf allerlei seltsame Bewohner. Zusammen mit dem jungen Soldaten Phillip (Jayden Fowora-Knight) begibt sie sich schließlich ins unheilvolle Reich Nummer Vier, das von der tyrannischen Mutter Ingwer (Helen Mirren) beherrscht wird. Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um Claras Schlüssel, sondern darum, die Harmonie in den vier Reichen wiederherzustellen.
„Der Nussknacker und die vier Reiche“ besitzt im Vergleich zu ähnlicher Fantasyware à la „Alice im Wunderland“ oder „Maleficent“ immerhin einen Hauch politische Relevanz. Auch die sich auf der Leinwand entfaltenden Welten sind in ihrer Detailvielfalt wirklich schön anzusehen. Doch nicht bloß Keira Knightley sägt mit ihrem unerträglichen Overacting an den Nerven des Zuschauers, auch das Skipt traut sich über weite Strecken wieder einmal nur sehr marginal, von dem abzuweichen, womit Disney ohnehin seit Jahren Kasse macht.
DER TRAFIKANT | Regie: Nikolaus Leytner | AT/DE 2018
Österreich 1937: Der 17-jährige Franz Huchel (Simon Morzé) verlässt sein Heimatdorf am Attersee, um beim Wiener Trafikanten Otto Trsnjek (Johannes Krisch) in die Lehre zu gehen. Zu den Stammkunden des kleinen Tabakladens zählt auch der bereits von fortschreitendem Alter und Krankheit gezeichnete Sigmund Freud (Bruno Ganz), von dem Franz auf Anhieb fasziniert ist. Als der Junge sich unglücklich in die schöne Varietétänzerin Anezka (Emma Drogunova) verliebt, sucht er Rat bei Freud, muss aber feststellen, dass dem weltbekannten Psychoanalytiker das weibliche Geschlecht ein mindestens ebenso großes Rätsel ist. Franz ist dennoch fest entschlossen, um seine Liebe zu kämpfen, wird aber in den Strudel der politischen Ereignisse gezogen, als Hitlers Truppen das Kommando übernehmen…
„Der Trafikant“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers als oberflächliche Studie eines Teenagerjungen, der sich kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges in eine Böhmin verliebt. Dabei erzählt der Film drei Geschichten auf einmal: von Liebe, von Freundschaft und von Krieg. Alle drei bleiben bis zum Schluss oberflächlich.
TOUCH ME NOT | Regie: Adina Pintilie | USA 2017
An der Grenze zwischen Realität und Fiktion, Dokumentar- und Spielfilm, folgt Adina Pintilies neuer Film „Touch Me Not“, der auf der Berlinale seine Premiere feierte, der emotionalen Reise von Laura, Tómas und Christian, die ihr Innerstes, ihre Intimität und Sexualität, ihre damit verbundenen Wünsche, Sorgen und Ängste erforschen wollen. Wie kann die Balance zwischen Begehren und der Angst vor Kontrollverlust gelingen? Mit abwechselnd klinisch kühlen, erotischen und zärtlichen Bildern nimmt uns die gebürtig aus Rumänien stammende Regisseurin Adina Pintilie mit auf eine intime und außergewöhnliche Leinwand-Expedition, in der sich die von der Allgemeinheit auferlegten Barrieren zwischen Mann und Frau, „normal“ und „anders“ auflösen: eine fundamentale filmische Erfahrung, die niemand unberührt lässt.
„Touch Me Not“ ist ein filmisches Experiment, das auf der einen Seite glückt: Die Regisseurin Andina Pintilie lässt Dokumentation und Fiktionalität nämlich sehr gekonnt miteinander verschmelzen. Die eigentliche Aussage ihres Films führt sie leider ad absurdum und macht ihn dadurch zu einer Freakshow, obwohl sie eigentlich genau das Gegenteil bezwecken will.
Der ehemalige Kleinkriminelle Christian (Franz Rogowski) ist neu im Großmarkt und startet hier einen neuen Lebensabschnitt mit einer Ausbildung. Zumeist Schweigend taucht er in das unbekannte Universum ein: die langen Gänge, die ewige Ordnung der Warenlager, die surreale Mechanik der Gabelstapler. Der grummelige Einzelgänger Bruno (Peter Kurth), ein Kollege aus der Getränkeabteilung, nimmt sich seiner an, zeigt ihm Tricks und Kniffe, wird ein väterlicher Freund. Und dann ist da noch die zauberhafte Marion (Sandra Hüller) von den Süßwaren, die ihre kleinen Scherze mit Christian treibt. Als er sich in sie verliebt, fiebert der ganze Großmarkt mit. Doch Marion ist verheiratet – aber nicht sehr glücklich, wie es heißt. Und von einem Tag auf den nächsten ist Marion plötzlich verschwunden…
Thomas Stubers zurückhaltend inszeniertes Charakterdrama „In den Gängen“ ist in seiner Melancholie bezaubernd, in seinen Beobachtungen präzise und bei aller Traurigkeit wunderschön poetisch. Die allesamt herausragenden Darsteller runden diesen fabelhaften Film ab.