Der Trafikant

Mit DER TRAFIKANT verfilmt der vor allem für TV-Arbeiten bekannte Nikolaus Leytner einen Roman, der an vielen Schulen heutzutage zur Pflichtlektüre gehört. Ob das ab sofort auch für die Leinwandadaption gelten wird, das verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Österreich 1937: Der 17-jährige Franz Huchel (Simon Morzé) verlässt sein Heimatdorf am Attersee, um beim Wiener Trafikanten Otto Trsnjek (Johannes Krisch) in die Lehre zu gehen. Zu den Stammkunden des kleinen Tabakladens zählt auch der bereits von fortschreitendem Alter und Krankheit gezeichnete Sigmund Freud (Bruno Ganz), von dem Franz auf Anhieb fasziniert ist. Als der Junge sich unglücklich in die schöne Varietétänzerin Anezka (Emma Drogunova) verliebt, sucht er Rat bei Freud, muss aber feststellen, dass dem weltbekannten Psychoanalytiker das weibliche Geschlecht ein mindestens ebenso großes Rätsel ist. Franz ist dennoch fest entschlossen, um seine Liebe zu kämpfen, wird aber in den Strudel der politischen Ereignisse gezogen, als Hitlers Truppen das Kommando übernehmen…

Kritik

Es gibt unterschiedliche Arten, wie man filmisch mit dem Thema Zweiter Weltkrieg umgehen kann. Man kann die Ausmaße des Leids einfangen, ohne sich dabei genauer auf einzelne Personen zu konzentrieren. Oder man befasst sich explizit mit einem Detail des Nationalsozialismus oder einer Figur, die entweder stellvertretend für viele oder ganz allein für sich selbst steht. Diese unterschiedlichen Ansätze haben in der Vergangenheit so grundverschiedene Werke wie „Dunkirk“, „Der Hauptmann“ oder auch „Werk ohne Autor“ hervorgebracht. All diese Geschichten basieren im Grunde auf demselben Ereignis und fallen doch so unterschiedlich aus. Das Kriegs- und Liebesdrama „Der Trafikant“, basierend auf dem gleichnamigen Bestseller von Robert Seethaler, lässt sich eher der persönlichen Herangehensweise ans Dritte Reich zuordnen. Aus der Sicht des Teenagers Franz, der unverhofft ins Österreich im Jahr 1937 geschickt wird, erleben wir, wie ein bis dato ahnungsloser junger Mann in erster Linie die erste große Liebe für sich entdeckt; und erst in zweiter, dass um ihn herum gerade ein nationalistisches System dabei ist, an die Macht zu kommen. Das ist ein interessanter Ansatz, der den Roman zur Pflichtlektüre an Schulen gemacht hat, denn Gleichaltrige dürften sich vermutlich sehr schnell in einer Figur wie Franz wiedererkennen. Im Film kommt diese eigentlich so gefährliche Naivität jedoch nicht wirklich durch. Zum einen, weil die Hauptfigur hier einerseits deutlich reifer gezeichnet ist, sich zum anderen aber auch mit inhaltsleeren Phrasen durchs Leben schlägt.

Franz (Simon Morzé) lernt eines Tages den gebildeten Sigmund Freud kennen und als Gesprächspartner schätzen.

Den mit Siebzehn allein nach Wien zum Arbeiten geschickten Franz Huchel legen Roman und Verfilmung von Anfang an als Sympathieträger an. Das funktioniert auch sehr gut, denn trotz seinem erst späten Bewusstmachen über die vorherrschenden Zustände im damaligen Österreich kann man ihm für seine Naivität nicht böse sein. Dieser Franz verschließt nicht absichtlich die Augen vor der Wahrheit. Er erkennt einfach nur viel zu spät, was da um ihn herum passiert, weil die Dimensionen des Schreckens für ihn einfach (noch) nicht greifbar sind. Dadurch dominiert „Der Trafikant“ auch kein allgegenwertiger Schrecken; der Film ist zu keinem Zeitpunkt beklemmend oder irgendwie unbehaglich, was die auf warme Farben und weiche Konturen konzentrierte Kameraarbeit von Hermann Dunzendorfer („Das kalte Herz“) auch auf visueller Ebene unterstreicht. Hinzu kommt ein gefälliger Orchester-Score, mit dem Komponist Matthias Weber („Das finstere Tal“) das Geschehen regelrecht pflichtbewusst untermalt. Durch diese gediegene Aufmachung rückt die Kriegsthematik in „Der Trafikant“ zunehmend in den Hintergrund. Alles konzentriert sich auf das Coming-of-Age des jungen Franz, der, zum aller ersten Mal frisch verliebt, eben nur Augen und Gedanken für seine Angebetete übrighat. Aus der ohnehin sehr subjektiven Erzählweise heraus ist es also erstmal authentisch, dass man vom Krieg an sich immer nur sehr beiläufig etwas mitbekommt.

Bevor alle drei zentralen Themen von „Der Trafikant“ – Franz‘ erste Liebe, seine Freundschaft mit dem Psychoanalytiker Sigmund Freud und der schwelende Weltkrieg – schließlich zusammenlaufen, streut Regisseur Nikolaus Leytner („Der Fall des Lemming“) immer mal wieder kleinere zeitgeistige Motive ein, macht das allerdings ohne jedwede Idee, was er denn damit anfangen könnte, als sie einfach nur ziemlich billig in die Kamera zu halten. Auf einem Jahrmarkt machen Franz und seine Anezka Halt bei einem sehr prominent im Bild platzierten Schießstand, an dem etwa „Fröhliches Negerschießen“ angeboten wird. Genauso wie Franz eine fragwürdige Theatervorstellung besucht, in der auf der Bühne ein als Hitler verkleideter Schauspieler agiert, der Österreich – im wahrsten Sinne des Wortes – verspeist. Und auch Agnezkas Liaison mit einem SS-Offizier ist den Autoren Klaus Richter („Die schwarzen Brüder“) und Leytner selbst nur eine kurze Szene wert, die allerdings ausschließlich Aussage über die Liebesbeziehung zwischen ihr und Franz trifft und nicht etwa – wie vermutlich erhofft – die Erzählebene Liebe und die Erzählebene Krieg zusammenführt. Immer mal wieder gibt es Szenen, die einfach nur dazu dienen, dem Zuschauer die politische Situation Österreichs ins Gedächtnis zu rufen. Doch dieses Rufen hallt nicht nach, denn es fällt immer bloß ein (optisches) Stichwort, nicht aber eine substanzielle Einordnung ins restliche Geschehen. Und so kommt es, dass man lange Zeit drei verschiedenen, jede für sich bereits viel zu oberflächlichen Handlungssträngen zuschaut, die aber nie so recht zueinander finden.

Johannes Krisch spielt den Trafikanten Otto Trsnhek.

Am gelungensten ist da noch die rund um Franz‘ Herzschmerz. Schauspieler Simon Morzé („Einer von uns“) verliebt sich auf der Leinwand glaubwürdig in die schöne Anezka und verfällt ihr mit Haut und Haaren. Vor allem den Liebeskummerblick und das emotionale Dahinsiechen nimmt man ihm ab, das anschließende schwadronieren mit Sigmund Freud allerdings nur bedingt. Bruno Ganz („In Zeiten des abnehmenden Lichts“) hat sich den Duktus und den Gestus des berühmten Psychoanalytikers zwar perfekt angeeignet, doch das Skript hält sowohl für ihn, als auch für Simon nur Phrasen über die Liebe und deren Vergänglichkeit bereit. Es ist, als würde man zwei Menschen dabei zuschauen, wie sie sich gegenseitig aus Glückskeksen vorlesen. Erst, als sich die Schlinge um den Hals des jüdischen Freud immer enger zuzieht und er nicht einmal mehr gefahrlos spazieren gehen kann, fühlt sich die Interaktion zwischen den beiden Männern lebendig an. Emma Drogunova („Vielmachglas“) bekommt als Anezka leider überhaupt nichts zu tun. Mehr als Franz den Kopf verdrehen, einmal eine laszive Bühnenshow abliefern und ihm später das Herz brechen, darf sie nicht. Und auch die Rolle des von Johannes Krisch („Aus dem Nichts“) verkörperten Trafikanten Otto Trsnjek bleibt oberflächlich, bis er, getreu der Vorlage, nach zwei Dritteln des Films ohnehin verschwindet. Erst das bereits im Buch sehr ergreifende Finale entlässt einen immerhin halbwegs versöhnlich. Doch um sich zwei Stunden lang durch billig wirkende Sets zu quälen, in denen Schauspieler weitgehend monoton ihre Texte aufsagen, lohnt der Kauf eines Kinotickets dann doch eher weniger.

Fazit: „Der Trafikant“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers als oberflächliche Studie eines Teenagerjungen, der sich kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges in eine Böhmin verliebt. Dabei erzählt der Film drei Geschichten auf einmal: von Liebe, von Freundschaft und von Krieg. Alle drei bleiben bis zum Schluss oberflächlich.

„Der Trafikant“ ist ab dem 1. November in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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