Spider-Man: Homecoming

Nach seinem Kurzauftritt in „The First Avenger: Civil War“ bekommt man in SPIDER-MAN: HOMECOMING nun vollständig das Gefühl, der von einer Spinne gebissene Superheld ist fortan ein fester Bestandteil der Avengers-Truppe. Und damit nicht genug: Jon Watts gelingt mit seinem Marvel-Debüt ein furioses Feuerwerk aus Action, Herz und jeder Menge Humor, das sämtliche Stärken der Comicsaga in sich vereint. Mehr dazu in meiner Kritik.

Der Plot

Immer noch euphorisch von dem packenden Kampf mit den Avengers kehrt Peter (Tom Holland) in seine Heimat zurück, wo er mit seiner Tante May (Marisa Tomei) und unter dem wachsamen Auge seines neuen Mentors Tony Stark (Robert Downey Jr.) lebt. Es fällt ihm jedoch nicht leicht, sich im Alltag zurechtzufinden – vielmehr will er beweisen, dass er mehr ist als nur der sympathische Spider-Man aus der Nachbarschaft. Als aber The Vulture (Michael Keaton) als neuer Gegenspieler auftaucht, gerät plötzlich alles, was Peter im Leben wichtig ist, in große Gefahr.

Kritik

Fast hätten bürokratische Angelegenheiten dem Projekt „Spider-Man zu den Avengers“ einen Strich durch die Rechnung gemacht. Obwohl Marvel-Studios-Oberhaupt Kevin Feige selbst großer Fan des von einer Spinne gebissenen Teenagers ist, konnte er ihn aus rechtlichen Gründen bislang nie gemeinsam mit den Avengers auftreten lassen. Der Grund: Lange bevor Comicgigant Marvel ein eigenes Studio gründete (das später von Disney aufgekauft wurde), trat er die Filmrechte an seinem populären Netzschwinger an Sony ab. Feige tat seinem Liebling zuletzt dennoch einen Freundschaftsdienst und schickte Sony ausführliche Memos, wie das Studio die „The Amazing Spider-Man“-Filmreihe optimieren könnte, wenngleich dieses von den Machern fast durch die Bank weg ignoriert wurde. Auf lange Sicht ein Segen für Feige, Spidey, Sony, Disney und die Marvel-Studios, denn nach den galligen Kritiker- und Fanreaktionen auf den überladenen „The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro“ folgte endlich das längst überfällige Gentlemen’s Agreement der beiden Konkurrenzstudios.

Happy Hogan (Jon Favreau), Tony Stark (Robert Downey Jr.) und ihr Schützling Peter Parker (Tom Holland).

Spider-Man bleibt filmlizenzrechtlich im Hause Sony, jedoch teilt man sich fortan das Sorgerecht für den jugendlichen Helden: So kann seine durch Tom Holland verkörperte Inkarnation in den „Avengers“-Filmkosmos eingegliedert werden, während Sony die Spider-Man-Abenteuer finanziert und vertreibt, die Marvel Studios hingegen das kreative Zepter schwingen. Zudem stellt Marvel dem Wandkrabbler pro Solofilm einen prominenten Gastauftritt aus den reinen „Marvel Cinematic Universe“-Filmen zur Verfügung, dafür darf sich Spidey in den kommenden zwei „Avengers“-Filmen „Infinity War 1 und 2“ austoben. Problem erkannt, Problem gebannt. Und mit Blick auf das erste Ergebnis aus dieser Kollaboration wird einem erst bewusst, was für ein Verlust es gewesen wäre, hätte man in dieser organisatorischen Angelegenheit nie zu einer Lösung gefunden. Jon Watts, der mit „Cop Car“ und „Clown“ in den vergangenen Jahren eher im Genrekino der härteren Gangart zuhause war, gelingt ein famoser Einstand im Big-Budget-Segment. Sein „Spider-Man“ ist eine herausragende Kombination aus liebevoller Hommage, augenzwinkernder Parodie und eigenständigem Abenteuer, das den Spaß am Superheldenkino und das Staunen ob des „Avengers“-Kosmos wieder in die Marvelwelt zurückbringt.

Peter Parker und sein bester Freund Ned (Jacob Batalon).

Dabei ist „Spider-Man: Homecoming“ beileibe keine ausschließliche Parodie wenngleich er hin und wieder schon sehr genau offenlegt, nach welchen teils absurden Genregesetzen so ein Superheldenfilm funktioniert. In erster Linie aber gelingt Jon Watts hier eine respektvolle Verbeugung, die allein schon daraus entsteht, mit welcher Ehrfurcht Peter Parker an seine neue Position herantritt. Tom Holland („Die versunkene Stadt Z“) nimmt sich der Aufgabe, der neue Spider-Man zu sein, mit beispielhaftem Enthusiasmus an, den er gerade in der Anfangsphase glaubhaft in Euphorie und Über-Engagement kippen lässt. Dieser Peter Parker, der noch jünger ist, als in sämtlichen bisherigen „Spider-Man“-Adaptionen, platzt fast vor Stolz über den Zuspruch seines Mentors und Gönners Tony Stark, doch dass er nicht warten kann (und will), bis er endlich einen Auftrag hält, um Menschen mit seinen Superkräften zu helfen, ist gleichsam absolut nachvollziehbar. Indem „Spider-Man: Homecoming“ zu gleichen Teilen Superhelden-Origin-Story und Coming-Of-Age-Komödie ist (der Untertitel „Homecoming“ leitet sich nicht umsonst auch von der gleichnamigen Schulabschluss-Veranstaltung ab), kombinieren Watts und seine Drehbuchautoren Jonathan Goldstein, John Francis Daley („Kill the Boss 2“), Christopher Ford („Clown“), Chris McKenna und Erik Sommers („The LEGO Batman Movie“) das Gefühlschaos eines Teenagers mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitswillen, was sich beides vor den Augen des Publikums entfaltet. In „Spider-Man: Homecoming“ ist von der eingekehrten Routine der vergangenen Marvel-Filme nichts mehr zu entdecken. Hier ist wieder alles neu und aufregend.

Da sich die Geschichte hier zu gleichen Teilen um Peter Parker sowie um sein Alter Ego Spider-Man dreht, mag der eigentliche Superheldenanteil im Film für manch einen ein wenig zu kurz kommen. Doch das Drehbuch offenbart in der zweiten Hälfte erst so richtig seine Stärken, als die Autoren beide Erzählebenen miteinander verbinden. Es macht nicht bloß unheimlich viel Spaß, dabei zuzuschauen, wie Peter beide Identitäten unter einen Hut zu bringen versucht. Gleichzeitig sind die Macher auch in der Lage, durch das Offenlegen vereinzelter Zusammenhänge vermeintliche Schwächen in Figurenzeichnung und Logik auszugleichen. Näheres sei aus Spoilergründen an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Wer den von Michael Keaton („The Founder“) wunderbar einschüchternd verkörperten Schurken Adrian Toomes alias Vulture für einen solchen mit schwacher Motivationsgrundlage hält, mag an dieser Stelle zwar nicht Unrecht haben, doch durch gezielte inhaltliche Details gelingt es den Machern, die Figur so unnahbar wie möglich zu zeichnen und sie so zu einer kaum einschätzbaren Gefahr zu machen. Trotzdem ist der Schurke gewiss nicht das größte Highlight an „Spider-Man: Homecoming“. Dafür entwickelt sich auch der finale Schlussfight ein wenig zu beliebig (wenngleich dieser hier immer noch wesentlich dynamischer und kurzweiliger gerät, als ähnlich angelegte Finals in „Wonder Woman“ oder „Batman v Superman“). Darüber hinaus zeigt sich Marvel auf Seiten der visuellen Effekte erstmalig ein wenig rückschrittlich. Trotz sichtbarer Vorzüge gegenüber den CGI-Schlachten von DC oder anderen großen Blockbuster-Franchises bleibt hier die ganz große Euphorie aus – vor allem im Anbetracht eines eher schwachen 3D-Effekts. Trotzdem lassen sich auch in den Actionchoreographien tolle Highlights ausmachen: Nicht bloß Spideys erster nächtlicher Ausflug, der die Unbeholfenheit seiner Figur mit seinem verbissenen Optimismus vereint, gehört zu den stärksten Momenten des Films. Auch eine Szene, in welcher der Spinnenmann seine Schulfreunde aus einem verunglückenden Fahrstuhl rettet, ist famos inszeniert.

Spider-Man auf einem seiner ersten Einsätze.

Die „Captain America“-Filme sind für sich genommen Politthriller, „Thor“ und „Guardians of the Galaxy“ kommen aus dem Genre des Fantasyactioners, „Iron Man“ lässt sich wohl am ehesten der klassischen Science-Fiction zuordnen, während „Ant-Man“ unter die Heist-Movies ging und „Doctor Strange“ sich im Fantasydrama sehr wohl fühlte. Sorgte der Auftritt von Spider-Man schon in „The First Avenger: Civil War“ für eine kurzweilige Comedy-Einlage, ist sein erstes Solo-Abenteuer jener „Avengers“-Vertreter, der sich am deutlichsten im Genre der Komödie positioniert, gepaart mit den typischen Motiven eines Highschool-Films. Wer nun aber fürchtet, damit würde Marvel eine neue, leichtfüßigere, vielleicht sogar kindischere Ära des MCU einläuten, der braucht das an dieser Stelle gar nicht. „Spider-Man: Homecoming“ ist zwar definitiv der lustigste aller bisherigen Marvel-Filme, doch trotz vereinzelter, sehr alberner Einlagen behält Jon Watts den Respekt vor dem Franchise bei – dafür sorgt nicht zuletzt auch die Nebenfigur Tony Stark alias Iron Man, die ihren Schützling immer wieder daran erinnert, womit sie es hier eigentlich zu tun hat. Wenn Peter Parker also erstmals das Hauptquartier der Avengers betreten darf und im Hintergrund das bekannte Soundmotiv dazu ertönt, dann kann eine solche Szene selbst dann ihre epische Tragweite entfalten, wenn der Protagonist vorher ordentlich herumblödeln durfte. In „Spider-Man: Homecoming“ erlebt ein Teenager mit dem Herz eines unverbrauchten Helden die Abenteuer seiner größten Vorbilder – und es macht einfach nur Spaß, dabei zuzusehen.

Fazit: Es fühlt sich tatsächlich an wie Nachhausekommen! In „Spider-Man: Homecoming“ erhalten wir die Gelegenheit, die ganze Faszination für den Marvel-Superheldenkosmos noch einmal mit den Augen eines Neulings zu sehen. Jon Watts ist ein herrlich verspielter, toll besetzter und clever erzählter Sommerblockbuster gelungen, den man einfach nur in sein Herz schließen kann.

„Spider-Man: Homecoming“ ist ab dem 13. Juli bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in schwachem 3D!

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