2016 – Die Plätze 20 bis 11

Vor einigen Tagen eröffnete ich an dieser Stelle meine Jahrescharts 2016. Was sich auf den Plätzen 40 bis 31 sowie 30 bis 21 findet, könnt ihr in den jeweiligen Blog-Beiträgen nachlesen. Um Euch nicht weiter auf die Folter zu spannen, geht es nun mit den nächsten zehn Platzierungen weiter. Vorab jedoch ein bisschen Statistik: Ich habe vom 01. Januar bis zum 31. 12. 2016 exakt 255 Kinovorstellungen besucht. Dabei habe ich 226 verschiedene Filme gesehen. 25 mal besuchte ich reguläre Vorführungen, 230 mal waren diese ausschließlich für die Presse. Und 24 Filme habe ich im Kino verpasst und mussten von mir auf DVD oder via Pressestream/-screener nachgeholt werden. Für meine Top 40 zur Auswahl standen insgesamt also 250 verschiedene Kinofilme.

Bevor Ihr Euch nun meinen nächsten zehn Platzierungen widmet, kommen an dieser Stelle weitere ehrenwerte Nennungen. Nachdem ich das letzte Mal den Schwerpunkt auf das deutsche Kino gelegt habe, kommt hier eine Auswahl eher im Programmkino anzutreffender Produktionen, denen der Sprung in meine Tops nur knapp verwehrt blieb. Dazu zählen Joachim Triers tragische Familiengeschichte LOUDER THAN BOMBS (Platz 47), das wundervoll-poetische Animationsdrama ANOMALISA (Platz 48), die Hochhaus-Dystopie HIGH-RISE (Platz 51), genauso wie der beste Woody-Allen-Film, der nie von Allen gemacht wurde, MAGGIES PLAN (Platz 52) nämlich. Nicht zu vergessen die musikalische Tragikomödie SING STREET (Platz 53) sowie die vollständig untergegangene Neuinterpretation von Ibsens DIE WILDENTE (Platz 61).

20

Midnight Special

Er lief im Wettbewerb der Berlinale, genützt hat es ihm letztlich wenig. Jeff Nichols‘ Science-Fiction-Drama MIDNIGHT SPECIAL ging – wie viel zu viele andere Filme in diesem Jahr – gnadenlos unter und ist doch so gut! Das knapp zweistündige Roadmovie lässt den Zuschauer bis zuletzt im Unklaren darüber, womit er es hier eigentlich zu tun hat. Klar ist nur: Zwei Männer haben offenbar einen Jungen mit übernatürlichen Kräften entführt und wollen ihn vor irgendwas oder irgendwem in Sicherheit bringen. Wer genau das ist, was eine skurrile Sekte damit zu tun hat und warum der Junge nicht in die Sonne darf, baut sich am Ende zu einem beeindruckenden Gesamtkonstrukt auf, das diverse Genres tangiert und es schafft, Atmosphäre und Spannung auf einem konsequent hohen Level zu halten. Und wer sagt, dass sich ein ruhiges Drama und spektakuläre Verfolgungsjagden eigentlich beißen müssen? „Midnight Special“ ist eine wahre Wundertüte von Film, die sich am besten genießen lässt, wenn man so wenig wie möglich über sie weiß.

19

Bauernopfer - Spiel der Könige

Von mir gern als „der ‚Rush‘ des Schachspiels“ bezeichnet, ist es dem von Edward Zwick inszenierten Schach-Film BAUERNOPFER – SPIEL DER KÖNIGE gelungen, dem Zuschauer die Faszination dieses Sports näher zu bringen, selbst wenn man vorab überhaupt nicht damit in Berührung kam. Der Film handelt von einer der bekanntesten Schachpartien der Welt – dem Spiel zwischen dem Amerikaner Bobby Fischer und dem Russen Boris Spassky, das während des Kalten Krieges ausgetragen wurde. Das klingt zunächst einmal erschreckend theoretisch, doch der dieses Jahr auch für „Jack Reacher 2“ verantwortliche Regisseur schafft es, die kochende Anspannung zwischen den beiden Ländern direkt auf das Spiel zu übertragen. Das Duell zwischen Fischer und Spassky ist spätestens im Finale nicht mehr nur ein Spiel, sondern knallharter Psychokrieg – und aus einem Sportler-Biopic wird ein waschechter Thriller, der ganz nebenbei auch noch anreißt, weshalb die Gefahr für Psychosen ausgerechnet bei Schachspielern besonders hoch ist.

18

Unfriend

Horror und Medien – eine bessere Kombination gibt es einfach nicht. Nicht umsonst ist Gore Verbinskis „Ring“ mein absoluter Lieblingshorrorfilm. Es ist also nicht wirklich schwer, mich mit der ans Heute angepassten Variation derselben Grundidee abzuholen. In Simon Verhoevens Social-Media-Schocker UNFRIEND wird einer jungen Studentin die Facebook-Freundschaftsanfrage einer Kommilitonin zum Verhängnis, als diese sich fortan als irre Stalkerin entpuppt, die in ihrer neuen Freundin einen Bund fürs Leben sieht. Was dann passiert, ist zwar durchaus altbekannt, aber es ist effektiv, funktioniert und punktet darüber hinaus mit absolut lebensechten Hauptfiguren. Die Art, wie der Film die Verschmelzung der Online-Welt und der echten Realität darstellt, ist richtig fein und macht „Unfriend“ zu einem der besten Horrorfilme des Jahres. Funfact: Das letzte Mal, dass ein Regisseur zweimal in meinen Jahrescharts auftauchte, war im Jahr 2014, als Denis Villeneuve innerhalb von zwölf Monaten „Enemy“ und „Prisoners“ herausbrachte.

17

Die glorreichen Sieben

Action? Western? Actionwestern! Und wieder einmal haben Denzel Washington und Antoine Fuqua gemeinsame Sache gemacht. Die Neuauflage des Klassikers DIE GLORREICHEN SIEBEN gehörte für meine Wenigkeit zum Besten, was das moderne Westernkino in den vergangenen Jahren abgeliefert hat und gefiel in erster Linie aufgrund des hervorragend aufeinander abgestimmten Casts, sowie durch die schnörkellose, visuell perfekt inszenierte Geschichte um sieben mehr oder weniger freiwillige Helden, die sich selbstlos aufmachen, ein Dorf von einem gemeinen Schurken zu befreien. Die erste Hälfte zieht sich ein wenig. Dafür besticht die zweite Hälfte durch einen knapp einstündigen Showdown, in dem Regisseur Fuqua das Beste aus dem modernen Actionkino mit dem Setting altmodischer Westernfilme kombiniert. Eine ordentliche Portion staubtrockenen Witzes und jede Menge Blut machen aus „Die glorreichen Sieben“ ein auf allen Ebenen gelungenes Stück Blockbusterkino für Erwachsene.

16

Tschick

Ich gehöre nicht zu jenen Leuten, die das Coming-of-Age-Abenteuer TSCHICK damals in der Schule lesen durften. Für mich war die Geschichte um zwei Außenseiter, die in einem geklauten Lada den Sommer ihres Lebens erleben, also durchgehend neu, doch im Nachhinein kann ich verstehen, weshalb sie von so vielen so gefeiert wird. Fatih Akin inszeniert die Schicksale seiner zwei jungen, hervorragend aufspielenden Protagonisten mit ebenso vielen Ecken und Kanten, wie sie die beiden besitzen. „Tschick“ ist herrlich gegen den Strich gebürstet und schafft es, uns ohne Hau-Drauf-Botschaften oder dem berühmt-berüchtigen moralischen Zeigefinger Lektionen für’s Leben mitzugeben. Am Ende mag sich der Autor des Romans damals vielleicht an ein vornehmlich junges Publikum gerichtet haben. Doch wer auch nur ansatzweise aufgeschlossen dafür ist, sich von zwei Heranwachsenden die Welt erklären zu lassen, der erlebt vielleicht mit ihnen auch den Sommer seines Lebens…

15

Väter & Töchter - Ein Leben lang

Nun, wie erkläre ich denn jetzt, weshalb das Drama VÄTER & TÖCHTER – EIN GANZES LEBEN von mir auf Platz 15 der Jahrescharts zu finden ist, wo der Film doch noch nicht mal eine gute Kritik von mir bekommen hat? Es ist im Grunde wie damals bei „Rio 2“: Auch dieser Film hier ist aus objektiver Sicht nicht wirklich gut. Es fehlen ein ausgefeiltes Skript, es fehlen elementare Darstellungen innerhalb der Geschichte, die einzelne Handlungsstränge fast schon unverständlich erscheinen lassen. Vereinzelte Darstellerleistungen könnten auch aus einer mittelklassigen Soap stammen und doch hat diese zweifelsfrei hochkarätig besetzte Geschichte über die Beziehung eines Vaters zu seiner Tochter irgendwas in mir ausgelöst, das mich trotz allem Kitsch sehr berührt hat. Lediglich gen Ende hin geht der Film einen Weg, mit dem er es sich arg einfach macht, sämtliche Konflikte vorab auf einmal zu lösen. Aber bis es soweit ist, habe ich mein Herz schon längst an ihn verloren…

14

Lights Out

Und schon steht der nächste Horrorfilm auf der Matte – ich verweise einmal mehr darauf, wie viele starke Genrevertreter das Jahr 2016 vorzuweisen hat, nur um sofort zu betonen: LIGHTS OUT ist nicht der letzte Film dieser Sparte, der sich einen Platz in meinen Jahrescharts verdient hat. Basierend auf dem nicht minder effektiven Kurzfilm von Regisseur David Sandberg inszeniert er unter der Leitung von Horror-Mastermind James Wan einen fiesen kleinen Schocker, in dem das Grauen immer dann kommt, wenn es dunkel wird. Es wäre natürlich ein Leichtes, einfach für neunzig Filmminuten das Licht anzulassen, doch die gewitzte Story und die innerhalb des Films vorherrschende Logik (und Intelligenz!) zeigen uns schnell: Ganz so einfach ist das dann doch nicht. Das absolut konsequente Ende, das einen schon daran zweifeln lässt, ob die Ankündigung einer Fortsetzung so gut ist, runden den absolut positiven Gesamteindruck ab und lassen mich hoffen, dass Teresa Palmer in Zukunft häufiger in Horrorfilmen zu sehen ist.

13

Demolition - Lieben und Leben
Bevor ich näher ausführe, was an DEMOLITION so toll ist, kommt an dieser Stelle ein kleiner Verweis in Richtung 20th Century Fox: Ihr tätet mir einen großen Gefallen, wenn ihr langsam mal das Heimkino-Release-Datum zu diesem Film kommunizieren würdet, denn mich dünkt, ihr habt diese kleine Perle von Idependent-Drama irgendwie übersehen. In „Demolition“ spielt Jake Gyllenhaal einen gerade zum Witwer gewordenen Mann, der in seiner nicht vorhandenen (!) Verzweiflung über den Verlust seiner Frau anfängt, merkwürdige Dinge zu tun. Er schraubt technische Geräte auseinander, ruft bei Beschwerde-Hotlines an und lernt so eine Frau kennen, mit der ihn mehr verbindet, als nur das Gerede über defekte Kühlschränke. Der hierzulande ebenfalls völlig untergegangene Film bricht eine Lanze dafür, dass wir alle so trauern dürfen, wie wir es für richtig halten und spart doch nicht an bittersüßem, bisweilen pechschwarzem Humor. Ein wirklich feiner, kluger Film.

12

Ein Hologramm für den KönigTom Hanks und Tom Tykwer haben sich ein weiteres Mal zusammengetan und präsentieren mit EIN HOLOGRAMM FÜR DEN KÖNIG eine hübsche Selbstfindungsgeschichte, die ganz nebenbei auch noch eine Lanze dafür bricht, aufgeschlossen auf Neues zuzugehen und sich nicht verkrampft an den eigenen Wertevorstellungen festzuhalten. Im Film lernt Hanks ein ihm fremdes Land kennen, als er auf eine Audienz beim Scheich wartet, dem er neueste Hologramm-Technik vorstellen möchte. Als dieser tagein, tagaus nicht erscheint, begibt sich Hanks auf einen Streifzug durch das ihn fremde Land und lernt nicht nur sich selbst besser kennen, sondern auch die ihm bis dato unbekannte Kultur. „Ein Hologramm für den König“ ist bisweilen vielleicht ein wenig plakativ, doch die Art, wie Tom Tykwer sich hier komplex mit Vorurteilen auseinander setzt oder sie in den schönsten Momenten einfach konsequent umfährt, ist ebenso wunderschön wie die schwelgerischen Aufnahmen dieses Tradition und Moderne verbindenden Landes.

11

Mikro & Sprit

Das Konzept von Michel Gondrys Coming-of-Age-Abenteuer MIKRO & SPRIT erinnert an das von „Tschick“: Zwei Heranwachsende erleben mithilfe eines fahrbaren Untersatzes – in diesem Fall eines Hauses (!) auf Rädern (!!) – den Sommer ihres Lebens und lernen, sich und ihr Umfeld besser wahrzunehmen. Tatsächlich sind sich die beiden Filme in ihrer Ausführung sehr ähnlich. Dass mir der wunderbar verspielte, französische Beitrag einen Tick besser gefällt, liegt ganz einfach daran, dass ich die Beweggründe der beiden Jugendlichen in „Mikro & Sprit“ noch ein wenig besser nachvollziehen kann. Die beiden Außenseiter brechen aus ihren Familien aus, um sich den strengen Vorgaben ihrer Eltern zu entziehen, die für die Zukunft der beiden Jungs bereits feste Ziele im Blick haben. Doch gerade die Zeit des Erwachsenwerdens sollte man möglichst frei und unbeschwert genießen – keinem Film gelang es in diesem Jahr besser, diese Zeit unverfälscht und aus den Augen der Generation an sein Publikum heranzutragen.

Die Plätze 10 bis 1 folgen demnächst…

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