Black Sea

Der klaustrophobische Abenteuer-Thriller BLACK SEA begleitet eine U-Boot-Besatzung in die Untiefen der Meeres, in der Hoffnung, dort einen verschollen geglaubten Nazi-Schatz zu finden. Aufgrund dieser sehr speziellen Thematik wird dem Streifen der große Erfolg an der Kinokasse wohl verwehrt bleiben. Dennoch werfe ich einen Blick auf diesen sehr beklemmenden, andersartigen Thriller. Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
U-Boot-Kapitän Robinson (Jude Law) war die letzten 30 Jahre seines Lebens immer unterwegs. Eine gescheiterte Beziehung zu seiner Frau Chrissy (Jodie Whittaker) und ihrem gemeinsamen Kind ist der Preis, den er dafür zahlen musste. Als er eines Tages völlig unerwartet von seinem Bergungsunternehmen gefeuert wird, droht dem ehemaligen Navy-Angehörigen der Sturz ins Leere. Doch dann hört er von der Geschichte eines deutschen U-Boots, das während des Zweiten Weltkriegs vor Georgien im Schwarzen Meer auf Grund gelaufen sein soll – voll beladen mit Gold. Kurzerhand beschließt Robinson, sich der Herausforderung zu stellen und zu beweisen, dass er es noch immer drauf hat. Nachdem die Finanzierung über den Mittelsmann Daniels (Scoot McNairy) gesichert ist, stellt Robinson eine Crew halbgewalkter Abenteurer zusammen, die mutig genug sind, diese gefährliche Reise zum versunkenen Schatz in Angriff zu nehmen. Das raubeinige Team aus Briten und Russen wird komplettiert vom Amerikaner Daniels, der die Unternehmung im Auftrag des zwielichtigen Geldgebers beaufsichtigen soll. Ein altes russisches U-Boot wird für ausreichend seetüchtig erklärt – und die Jagd nach dem Gold kann beginnen.
Kritik
Filmemacher Kevin Macdonald weiß genau was er will. Seine Vita ist voll von niederschmetternden Zeitgeistdokumenten. „Der letzte König von Schottland“, „State of Play“ und „Der Adler der neunten Legion“ gehören wohl zu den bekanntesten Werken des Mannes, der neben der Arbeit als Regisseur auch als Drehbuchautor und Produzent tätig ist. Ob basierend auf wahren Ereignissen oder mithilfe völlig fiktiver Drehbuchvorlagen inszeniert: Angesichts solch schwerer Thematiken verwundert es kaum, dass Macdonald seine Karriere ursprünglich als Dokumentarfilmer begonnen hat. 1999 erhielt er für seine Terror-Doku „Ein Tag im September“, die sich mit den dramatischen Ereignissen bei den Olympischen Sommerspielen 1972 befasst, gar einen Oscar. Diesen Einfluss der nüchternen Betrachtungsweise nackter Fakten ist der Regisseur in seinen Spielfilmen nie losgeworden. Entsprechend sauber und ordentlich reiht sich auch sein neuestes Werk „Black Sea“ ein in Macdonalds Lebenslauf als unaufgeregter Inszenator. Mit einem passioniert aufspielenden Jude Law („Dom Hemingway“) als Zugeständnis an den Gelegenheitszuschauer und einem recht konventionellen Schlussakt ist sein U-Boot-Thriller „Black Sea“ zwar durchaus ein wenig dynamischer als diverse seiner Vorwerke. Vom klassischen Hollywoodthriller ist das finstere Kammerspiel allerdings weit entfernt. Doch das ist auch gut so: Selten sah man den Alltag einer Schiffsbesatzung aus solch schroff-realistischer Sicht, wie ihn uns Kevin Macdonald sowie sein weitestgehend unbekannter Cast präsentieren. Ein Filmerlebnis der ganz besonderen Art.
Zu Beginn erinnert „Black Sea“ durchaus ein wenig an Paul Greengrass‘ nicht weniger spannendes Katastrophendrama „Captain Phillips“, in welchem es Tom Hanks mit einer Horde gemeingefährlicher Piraten zu tun bekommt. Sowohl Greengrass als auch Kevin Macdonald reißen ihren Alltagshelden aus dem Trott des Gewohnten und zeichnen eingangs ein nur loses Bild von den äußeren Umständen ihrer Protagonisten. Während wir vom Kapitän Richard Phillips bloß erfahren, dass sich Frau und Kind mehr Zeit mit ihrem Daddy wünschen, hat U-Boot-Captain Robinson durch seine Arbeit bereits den nächsten Schritt getan und seine große Liebe mitsamt Sohn vergrault. Die wenigen Informationen über den persönlichen Hintergrund helfen zunächst erst einmal wenig, eine interessante Fallhöhe aufzubauen, doch während sich Richards wahre menschliche Qualitäten in „Captain Phillips“ durch das Zusammenspiel mit der Crew sukzessive herauskristallisieren, erhält Law in seiner Rolle dieselbe Möglichkeit, balanciert jedoch weitaus unvorsichtiger auf dem schmalen Grat zwischen bemitleidenswertem Wirtschaftsopfer und verabscheuungswürdigem Ekel. Drehbuchautor Dennis Kelly („Utopia“) betreibt dabei eher wenig Aufwand für das genaue Profilieren diverser Charaktere, doch eines ist klar: Der im Mittelpunkt stehende Robinson ist nicht bloß von einer manischen Gier getrieben, sondern hat darüber hinaus möglicherweise ziemlich viel Dreck am Stecken. Letzteres klärt das Skript nie ganz auf und doch fühlt sich der Zuschauer nur selten Wohl in Laws Gegenwart.
Die nur grobe Skizzierung der wichtigen Charaktere findet sich insbesondere in den Nebenfiguren wieder. Die Besatzung aus Briten und Russen verlässt sich fast ausschließlich auf einen einheitlichen Typ, der mit Ausnahme des unbeliebten und unerfahrenen Neulings Tobin (eine Entdeckung: Bobby Schofield) nur selten variiert wird. Schofield fällt die Rolle des Außenseiters zu, ansonsten bleiben all die anderen Crew-Mitglieder erschreckend blass und haben lediglich die Aufgabe, mit ihrer Undurchsichtigkeit zu einer brodelnden Grundstimmung beizutragen, bei der es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich die Besatzung gegenseitig auf den Geist und schließlich über Leichen geht. Doch das Skript von Dennis Kelly hat auch unbestreitbare Vorzüge, denn während sich die für das Geschehen existenzielle Wichtigkeit der Figuren eher beiläufig abspielt, hat Kelly in Sachen atmosphärische Dichte ein beachtliches Fingerspitzengefühl. Ohne auf pompöse Storytwists angewiesen zu sein, kreiert er eine schwer einschätzbare Mischung aus Suspense, Charakterdrama und Abenteuerfilm, bei dem sich die Spannung aufgrund der verschiedenen Einflüsse alsbald verdreifacht. Da wäre zum einen die bedrückende Kulisse, denn spätestens seit Wolfgang Petersens „Das Boot“ wissen wir die Enge eines U-Boots zu fürchten. Die psychisch allesamt angeknacksten Besatzungsmitglieder erwecken den Eindruck einer tickenden Zeitbombe und über allem steht schließlich die Frage nach dem Gold: Kann es hier in der Tiefe tatsächlich verloren geglaubte Nazi-Schätze geben?
Der Status des klassischen Hollywood-Thrillers bleibt „Black Sea“ ob seiner sehr speziellen Thematik und der damit einhergehenden Dialoglastigkeit zwar verwehrt, aus technischer Sicht können sich alle Beteiligten jedoch mit der Konkurrenz messen lassen. Der auf inszenatorische Düsterness spezialisierte Kameramann Christopher Ross („Eden Lake“) fängt die klaustrophobisch aufgeladene Stimmung im Bootsinnere mit einem genauen Blick für Details ein und holt das Optimum aus der beschränkten Kulisse heraus. Selbiges gilt für den Regisseur, der die Szenen im Boot immer wieder mit Aufnahmen durchbricht, welche die Ereignisse von außen einfangen. Dabei legen die Macher eine solche Detailverliebtheit an den Tag, dass der Einsatz von etwaigem CGI (selbst bei am Computer in Szene gesetzten Explosionen) zu keinem Zeitpunkt ersichtlich ist. Wie auch der gesamte Plot baut „Black Sea“ auf eine bewusste Wahrung von Realismus und richtet sich damit bevorzugt an all jene Zuschauer, die um Effekthascherei wenig geben und den Wert einer stilvollen Geschichte zu schätzen wissen. Adrenalinjunkies sollten dem Streifen hingegen lieber fern bleiben.
Fazit: Trotz Schwächen in der Charakterzeichnung und einigen punktuell auftretenden Längen erweist sich „Black Sea“ als hochspannender Abenteuer-Thriller vor einer effektiv in Szene gesetzten Kulisse. Düster, routiniert und mit Überraschungseffekt.
„Black Sea“ ist ab dem 29. Januar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen!