Maleficent – Die dunkle Fee

An Jolies Seite spielen unter Anderem Sharlto Copley („Oldboy“) als König Stefan, der nicht nur aufgrund seines gesetzten Erscheinungsbildes fehlbesetzt wirkt, sondern von vornherein viel zu aggressiv agiert, Elle Fanning („Super 8“) in der Rolle des naiven Dornröschen, die optisch in die Rolle passt, die angehende Prinzessin insgesamt jedoch wesentlich jünger erscheinen lässt als das dem Stoff zugrunde liegende Disney-Märchen, und Sam Riley („On the Road – Unterwegs“), der als von Maleficent verzauberter Rabe die stärkste Leistung innerhalb des Ensembles abgibt. Auch die Animation besagten Vogels erweist sich selbst bei näherem Hinsehen als sehr gelungen – ist seine Mimik im Detail doch wesentlich stärker ausgeprägt als die einiger menschlicher Kollegen. In den Rollen der Feen Flittle, Knotgrass und Thistlewitt (in der deutschen Fassung auch als Flora, Fauna und Sonnenschein bekannt) funktionieren Lesley Manville („Fleming“), Imelda Staunton („Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 1“) und Juno Temple („The Dark Knight Rises“) auf eine Art und Weise, die dem Film nicht gut tut. Die drei Fabelwesen und späteren Beschützer von Dornröschen werden in „Maleficent“ zu oberflächlichen Comedy-Sidekicks, die weder charakterliche Tiefe besitzen, noch nachvollziehbar und vor allem glaubhaft handeln. Wenn die Damen nicht zu wissen scheinen, dass ein weinendes Baby kaum mit rohem Gemüse zufriedengestellt ist und die drei immer wieder in alberne Kabbeleien ausbrechen, wird dies der eigentlichen Figurenausrichtung nicht gerecht und entpuppt sich als ein weiterer, ärgerlicher Fehltritt.

Für Angelina Jolie bedeutete die Rolle in „Maleficent“ die Rückkehr ins Mainstreamkino.

Als ein einziger solcher lässt sich auch der Kernpunkt von „Maleficent“ bezeichnen: Die Story. Nach einem Prolog über die Gesinnung der dunklen Fee und die dramatischen Hintergründe der Verrohung Maleficents, die mit nicht weniger als einem gemeinen Verrat und einem daraus resultierenden, gebrochenen Herzen einhergeht, ändert das Skript von Linda Woolverton („Alice im Wunderland“) und John Lee Hancock („Snow White and the Huntsman“) seinen Erzählton abrupt und ohne eine notwendige, den Plot langsam einleitende Erzählstruktur. Aus der bösen Fee wird ohne Umschweife ein Wesen, das mit sich und der Umwelt hadert und für die einst von ihr verfluchte Prinzessin gar so etwas wie mütterliche Gefühle entwickelt. Dieser eigentlich so interessante Kniff geschieht auf solch brachiale Weise, dass die sich langsam aufbauende Charakterzeichnung Maleficents auf einen Schlag in sich zusammenfällt, der Streifen vollkommen konzeptlos daherkommt und als keiner der angestrebten Genre-Beiträge funktioniert. Die weiterhin sehr düstere Ausrichtung mit eingeworfenen, viel zu lieblich geratenen Fantasy-Elementen und der fehlgeschlagene Dramaentwurf vermengen sich in dem Disney-Märchen zu einer substanzlosen Masse. Selbst erst kürzlich erschienenen Variationen anderer Grimm-Märchen – man denke nur an „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ oder „Spieglein, Spieglein“ – folgten einem strikten Konzept. „Maleficent“ lässt dies vermissen und hangelt sich von Idee zu Idee, ohne dabei einen steten Plan zu verfolgen. Selbiges gilt für die Figurenzeichnung von König Stefan; Bis zum Schluss bleibt uns der Film die Erklärung schuldig, weshalb sich dieser von jetzt auf gleich in einen waschechten Tyrann verwandelt.

Auch die technische Gestaltung abseits des überbordenden CGI ist maximal für einige, unfreiwillige Lacher gut. Der bemüht epische und den Film mehr als einmal überladende Orchesterscore von James Newton Howard („The Sixth Sense“) untermalt vor allem die um viel Drama bemühten Szenen akribisch, verfehlt dabei jedoch das Ziel um Längen und erscheint dadurch allenfalls aufgesetzt, nie aber dem Thema entsprechend oder gar Gänsehaut fordernd. „2012“-Kameramann Dean Semler ergötzt sich derweil liebend gern an dem makellosen Antlitz Angelina Jolies. Andauernd lässt er das blasse Profil der Schauspielerin aus dem Schatten ins Licht schreiten. Die Umrisse von Maleficent erweisen sich anfangs zwar noch als Augenweide, verlieren aufgrund ihrer permanenten Fokussierung jedoch schnell ihren Reiz. Dabei sieht Jolie ihrem Zeichentrickvorbild tatsächlich erstaunlich ähnlich.

Schlaf, Dornröschen, schlaf! Das kennen wir doch bereits…

Fazit: Mit „Maleficent – Die dunkle Fee“ hat Disney einen inszenatorischen Super-GAU abgeliefert. Wo zunächst nur die FSK-6-bedingte Kürzung um rund 40 Sekunden das Seherlebnis zu schmälern vermochte, erweist sich schließlich das gesamte Projekt als einzige, große Farce. Angesichts des 2015 in den Kinos erscheinenden Realfilms zu „Cinderella“ sei zu hoffen, dass es sich bei „Maleficent“ lediglich um einen Ausrutscher handelt – wenn auch um einen sehr ärgerlichen.

„Maleficent – Die dunkle Fee“ ist ab dem 29. Mai 2014 in den deutschen Kinos zu sehen – auch in 3D!