Generation Beziehungsunfähig

Fünf Jahre nach dem Erscheinen des eine ganze Generation widerspiegelnden Sachbuchs GENERATION BEZIEHUNGSUNFÄHIG verfilmt die hochtalentierte Nachwuchsregisseurin Helena Hufnagel den Bestseller durch und durch auf der Höhe der Zeit. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Generation Beziehungsunfähig (DE 2021)

Der Plot

Tim (Frederick Lau) hat wie die meisten Singles seiner Generation ein „Problem“: Er ist angeblich beziehungsunfähig. Doch diesen Status benutzt er nur zur Rechtfertigung seines Lebensstils. Nach Dates meldet er sich nicht mehr und swipt lieber zur nächsten Frau, die hoffentlich auch so wie auf ihrem Profilfoto aussieht. Doch als er sich in sein weibliches Spiegelbild Ghost (Luise Heyer) verliebt, befindet er sich auf einmal auf der anderen Seite der Dating-Hölle. Und während Tim noch glaubt, er stelle sich mit seinen Annäherungsversuchen extrem smart an, ist er schon längst von ihr geghostet worden. Denn Ghost hat leider so gar keine Lust auf einen romantischen Tim.

Kritik

Man möchte meinen, im Jahr 2021 ist über die bisweilen schwierige Beziehung zwischen Mann und Frau alles gesagt. Spätestens seit Leander Haußmanns „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ – damals erreichte die Komödie über 1,2 Millionen Kinobesucher:innen in Deutschland – erweist sich die Sezierung des gemischtgeschlechtlichen Zusammenlebens allerdings auch als äußerst rentabel. Manch ein deutscher Comedian hat gar seine komplette Karriere allein auf diesem Thema aufgebaut. Was also sollte Filmemacher:innen von heute daran hindern, weiterhin in dieser Wunde zu bohren? Zumal es ja durchaus die Möglichkeit gibt, sich dem Thema auf unterschiedliche Arten zu nähern. Allein die Regiewahl für die Verfilmung des Ratgeberbestsellers „Generation Beziehungsunfähig“, in dem Autor Michael Nast 2016 auf gleichermaßen amüsante, aber auch scharf beobachtete Weise das Dating- und Beziehungsleben einer ganzen Generation analysierte, machte von Anfang an Hoffnung darauf, dass sich hier zwei gut zusammenpassende Faktoren gefunden haben. Denn Regie-Newcomerin Helena Hufnagel bewies erst vor vier Jahren in ihrem Langfilmdebüt „Einmal bitte alles“, wie herausragend es ihr gelingt, das Lebensgefühl der Altersspanne „Midtwenties“ einzufangen, die scheinbar alle Möglichkeiten haben, ihr Leben sinnvoll und erfüllend zu gestalten, aber an einem „Zuviel“ oftmals scheitern. Wenn es also einer filmschaffenden Person gelingen kann, „Generation Beziehungsunfähig“ auch noch fünf Jahren nach Erscheinungsdatum frisch und zeitgemäß auf die Leinwand zu bringen, dann der gebürtigen Gießenerin. Und was sollen wir sagen? Wenngleich sich ihr intimer Erzählstil und die offensichtlichen Bestrebungen des Studios (produziert wurde unter anderem von Matthias Schweighöfers Firma Pantaleon), eine Hochglanz-Maistreamproduktion auf die Leinwand zu bringen, hin und wieder beißt, so bleibt sich Hufnagel am Ende doch treu. Und das ist das Beste, was diesem Stoff passieren kann.

Ghost (Helena Hufnagel) heißt im Film einfach nur Ghost – nach ihrem Geisterkostüm, in dem Tim sie kennenlernt.

Schon anhand der Besetzung lässt sich ablesen, wie in „Generation Beziehungsunfähig“ mitunter die kreativen Einflüsse aufeinanderprallen. In die männliche Hauptrolle des bindungsscheuen Tim schlüpft mit Frederick Lau der deutsche Schauspieler aktueller Stunde; Allein in den vergangenen fünf Jahren kamen auf seiner Vita 22 (!) Filme hinzu – darunter deutsche Kassenschlager wie „Nightlife“ und „Das perfekte Geheimnis“. Sein weibliches Gegenüber alias Ghost verkörpert Luise Heyer, die in breit erfolgreichen Filmen wie etwa „Der Junge muss an die frische Luft“ bislang leider nur in Nebenrollen zu sehen war, aber vor allem durch fantastische Darbietungen in Indieproduktionen à la „Das perfekte Paar“ oder eben auch „Einmal bitte alles“ aufgefallen ist. Der amtierende Deutschkino-Megastar und der Geheimtipp – nicht nur aus den interessanten Charakterzeichnungen der von ihnen verkörperten Figuren ergeben sich in „Generation Beziehungsunfähig“ wunderbare Reibungspunkte, sondern auch aus der Art, wie unterschiedlich die beiden Schauspieler:innen mit ihren Rollen umgehen. Während Lau eher den großgestikulierend aufspielenden, kodderschnauzigen Frauen(Nicht)Versteher gibt, setzt die ihre Ghost nicht minder schlagfertig anlegende Luise Heyer eher darauf, die rhetorische und emotionale Überlegenheit ihrer Figur über kleine Nuancen zu veranschaulichen. Man könnte auch sagen: Frederick Lau zeigt sich hier deutlich selbstbewusster – doch genau diese Herangehensweise an die Rollen macht den Charme des Zusammenspiels aus. Schon das aller erste Aufeinandertreffen der zwei Hauptfiguren ist ein Paradebeispiel dafür, in der sich die beiden um ein Eis streiten, das letztlich Ghost bekommt, weil sie statt laut und bemüht überzeugend vor allem eines ist: schlagfertig.

„Der amtierende Deutschkino-Megastar und der Geheimtipp – nicht nur aus den interessanten Charakterzeichnungen der von ihnen verkörperten Figuren ergeben sich in ‚Generation Beziehungsunfähig‘ wunderbare Reibungspunkte, sondern auch aus der Art, wie unterschiedlich die beiden Schauspieler:innen mit ihren Rollen umgehen.“

Während sich auf der einen Seite Reibungspunkte und Gegensätze herauskristallisieren, spielt „Generation Beziehungsunfähig“ auf der anderen Seite damit, wie ähnlich sich die beiden Figuren in ihrer Lebens- und Liebeseinstellung sind. Das nicht nur von Helena Hufnagel, sondern auch von der „Honig im Kopf“-Autorin Hilly Martinek verfasste Skript zeichnet beide als nicht gewillt, eine feste Beziehung einzugehen, doch gegen spontanen Sex auf Abruf (oder besser: Ab-SMS) haben sie nichts einzuwenden. Als im Kern den dramaturgischen Mustern einer RomCom folgender Film lässt sich zwar von Anfang an abzählen, wie „Generation Beziehungsunfähig“ wohl ausgehen mag (und wir hätten es ehrlich begrüßt, wenn das absehbare Ende eben nicht eingetreten, sondern ein anderes, vielleicht sogar realistischeres Happy End eingeläutet hätte, zumal es die Prämisse und der Verlauf bis zum Schluss hergegeben hätten). Doch immer wieder setzt Helena Hufnagel kleine, realistische Akzente, die ihren Film weniger im Bereich des Großstadtmärchens verorten und stattdessen als scharfsinnige Analyse des Zwischenmenschlichen etablieren. Das betrifft die Darstellung des Sex genauso, wie die Art, wie die beiden miteinander sprechen und auch, wie die zwei schließlich auseinandergehen. Der Miteinbezug möglichst vieler verschiedener Datingwege – Apps, Singlebörsen, spontanes Anbaggern – wirkt dagegen wesentlich gewollter, um wirklich einmal die volle Bandbreite dessen abzudecken, wie man sich im Jahr 2021 kennenlernen und vielleicht auch verlieben kann. Hier kommen die Sachbuchursprünge der Vorlage durch und manche Plotpoints in „Generation Beziehungsunfähig“ wirken wie bloßes Abhaken einzelner Buchkapitel. Macht aber insofern nichts, als dass all diese Dinge die eigentliche Handlung nicht ausbremsen, sondern eben einfach ein bloßes Stichwort bleiben.

Tim (Frederick Lau) heult sich bei seinem Mitbewohner (Tedros „Teddy“ Teclebrhan) aus.

Inszenatorisch gibt sich Helena Hufnagel sichtlich Mühe, ihren Film so lange wie möglich von der gängigen RomCom-Inszenierung fernzuhalten. Die penetrante Musikuntermalung durch diverse gefällige Popsongs macht ihr da auf akustischer Ebene einen Strich durch die Rechnung. Visuell dagegen könnte „Generation Beziehungsunfähig“ nicht weiter von der allzu bekannten Schweigerhöfer-Feelgood-Formel entfernt sein (und das – wohlgemerkt – trotz der Beteilung von Pantaleon!). Das beginnt schon dabei, dass die Figuren in „Generation Beziehungsunfähig“ normale Jobs haben und in altersentsprechend ausgestatteten, ganz und gar nicht hochklassigen Wohnungen wohnen und endet bei der gar nicht prüden Darstellung des menschlichen Beischlafs. Zudem sprechen und vögeln die Menschen in „Generation Beziehungsunfähig“ nicht nur wie im wahren Leben, sie haben neben dem Dating auch noch so etwas wie einen Alltag, aus denen sich mitunter deutlich schwerwiegendere Probleme und Konflikte herauskristallisieren als die Frage, wann sich wohl XY nach einem Date wieder bei einem meldet. Dazwischen bleibt genügend Raum für das Ensemble, auch den Com-Part in der RomCom zu erfüllen. Nur funktioniert das Drehbuch hier weniger über gezielt gesetzte Pointen als über beiläufige Beobachtungen und Situationskomik. Vieles wirkt improvisiert, was „Generation Beziehungsunfähig“ eine ungemeine Leichtigkeit verleiht. Die auf der Zielgeraden stattfindende Eskalation – insbesondere in Tims Leben – wäre gar nicht nötig gewesen, mutet allerdings auch wie ein Zugeständnis an jene Teile des Publikums an, die einen deutlich brachialeren Humor gewohnt sind, wenn es im Film mal wieder um das Themengebiet Mann-Frau geht.

„Vieles wirkt improvisiert, was ‚Generation Beziehungsunfähig‘ eine ungemeine Leichtigkeit verleiht. Die auf der Zielgeraden stattfindende Eskalation – insbesondere in Tims Leben – wäre gar nicht nötig gewesen.“

Während die fehlende Perfektion, der Clash verschiedener, so gar nicht zusammenpassender Einflüsse und Herangehensweisen ein Stückweit auch den Reiz von „Generation Beziehungsunfähig“ ausmachen, so schade ist doch insbesondere ein Detail. Und das ist das verschenkte Potenzial von Tedros „Teddy“ Teclebrhan („Systemsprenger“) in der Rolle von Tims Mitbewohner. Wo einer der aktuell lustigsten Männer Deutschlands locker der Nachfolger solcher Komödiensidekicks wie Frederick Lau oder Nora Tschirner in „SMS für dich“ hätte werden können, mimt er hier eine Nebenfigur, die außer ab und an kluge Ratschläge sonst nur wenig kreativen Input geben darf. Mehr noch: „Generation Beziehungsunfähig“ kommt sogar mit noch einer weiteren Nebenfigur daher, die zudem einen ähnlichen Zweck erfüllt, aber genauso wenig zur Story beizutragen hat. Hier wäre es deutlich stimmiger gewesen, aus beiden Figuren eine einzige zu machen und auszunutzen, dass Teclebrhan nicht nur ein hervorragender Schauspieler, sondern eben einfach auch verdammt komisch ist.

Fazit: Auf den ersten Blick passt vieles in „Generation Beziehungsunfähig“ nicht zusammen, doch interessanterweise ist das einer der großen Reizpunkte dieses ambitionierten Filmprojekts. Wenn Helena Hufnagels fantastische Beobachtungsgabe und intime Erzählweise auf großgedachtes, deutsches Mainstreamkino prallen, muss eine Seite zwangsläufig Abstriche machen. Gott sei Dank hat sich Hufnagel klar durchgesetzt und profitiert obendrein von zwei hervorragenden Hauptdarsteller:innen.

„Generation Beziehungsunfähig“ ist ab dem 29. Juli 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.

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