Moxie. Zeit, zurückzuschlagen

Nach der süffigen Feelgood-Comedy „Wine Country“ fährt Komikerin Amy Poehler in ihrem zweiten Spielfilm als Regisseurin härtere Geschütze auf. Für die Verfilmung des Bestsellers MOXIE. ZEIT, ZURÜCKZUSCHLAGEN greift sie das derzeit ohnehin allgegenwertige Thema des modernen Feminismus auf. Und trifft damit voll ins Schwarze. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Moxie (USA 2021)

Der Plot

Vivian (Hadley Robinson), eine eigentlich schüchterne 16-Jährige, läuft meist mit gesenktem Kopf herum und versucht, möglichst nicht aufzufallen. Als sie jedoch durch die Ankunft einer neuen Schülerin (Alycia Pascual-Peña) gezwungen wird, das ungezügelte Verhalten ihrer Mitschüler an der Highschool genauer zu betrachten, merkt Vivian, dass sie endgültig genug hat. Sie lässt sich von der rebellischen Vergangenheit ihrer Mutter (Amy Poehler) inspirieren und bringt anonym ein Untergrundmagazin namens „Moxie“ heraus, in dem sie das zweifelhafte Verhalten und die Verfehlungen in der Highschool anprangert. Völlig unerwartet tritt sie damit eine Bewegung los. Plötzlich steht Vivian im Mittelpunkt einer Revolution und schmiedet neue Freundschaften mit anderen jungen Frauen und Mitstreiterinnen quer über alle Cliquen und Clubs hinweg, mit denen sie gemeinsam die Höhen und Tiefen des Highschool-Alltags bewältigt.

Kritik

Jennifer Mathieus Coming-of-Age-Roman „Moxie“ hat zwar bereits über sechs Jahre auf dem Buckel; in der schnelllebigen Popkultur kann das schon mal eine kleine Ewigkeit sein. Den darin angesprochenen Themen und Problematiken jedoch war die Autorin im Jahr 2015 schon weit voraus. Es sollte zum damaligen Zeitpunkt immerhin noch zwei Jahre dauern, bis der Hashtag #MeToo im Oktober 2017 eine bis heute andauernde Frauenrechtsbewegung mit dem Fokus auf weibliche Gleichberechtigung in Gang setzen würde, in deren mehr oder minder direktem Fahrwasser unter anderem Filme wie „The Assistant“, „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ und „Promising Young Woman“ erschienen sind. Zumindest in Hollywood scheint es aktuell die Anflüge einer radikalen (kreativen) Umstrukturierung zu geben. Das merkt man nicht nur an den Stoffen, die sich vermehrt mit weiblichen Hauptfiguren und ihren Perspektiven auseinandersetzen, sondern auch an der verstärkten Wahrnehmung und Rezeption derselben. Drei von acht Filmen in der Oscar-Königskategorie „Bester Film“ stammen 2021 von Frauen, zwei von ihnen sind auch in der insgesamt fünf Slots umfassenden Kategorie „Beste Regie“ nominiert. So viel Frauenpower gab es bei den Academy Awards bislang nicht – eine gleichermaßen angenehme als auch wegweisende Tendenz.

Vivian (Hadley Robinson) und Claudia (Lauren Tsai) sind seit ihrer frühesten Kindheit beste Freundinnen.

Die Vorlage von „Moxie. Zeit, zurückzuschlagen“ mag zwar nicht direkt vom aktuellen #MeToo-Zeitgeist geprägt worden sein. Regisseurin Amy Poehler („Wine Country“) und ihre Drehbuchautor:innen Tamara Chestna („After Passion“) und Dylan Meyer („XOXO“) heben in ihrer gleichnamigen Verfilmung derweil hervor, wie zeitlos die darin verhandelten Themen sind. Ihre Coming-of-Age-Teeniedramödie ist dabei kein typischer „Problemfilm“, der die Folgen eines traumatischen Schicksalsschlags verhandelt; Im Anbetracht zahlreicher Post-#MeToo-Filme könnte man ja bisweilen den Eindruck bekommen, Kreative fänden weibliche Hauptfiguren erst dann relevant, sobald ihnen etwas Schlimmes passiert. Stattdessen gäbe „Moxie“ ein ganz hervorragendes Double Feature mit Olivia Wildes hochgelobtem Regiedebüt „Booksmart“ ab. Geht es doch auch in ihrem Film um starke, weibliche Hauptfiguren, die das Female Empowerment mit Stolz vor sich hertragen, ohne dabei belehrend pädagogisch sein zu wollen. Beide Filme eint, dass ihre Protagonistinnen klar ausformulierte Anliegen und Ideale besitzen, die sie ohne Rücksicht auf Verluste (und Genremechanismen!) durchsetzen. Beide Filme unterliegen keinerlei sichtbarer Agenda und dennoch hat man am Ende das Gefühl, die emotionalen Befindlichkeiten der Hauptfiguren bis ins letzte Detail nachempfinden zu können. Sowohl Amy und Molly in „Booksmart“ als auch Vivian und ihre Freundinnen in „Moxie“ sind damit hervorragende Identifikationsfiguren für junge Menschen.

„‚Moxie‘ ist kein typischer „Problemfilm“, der die Folgen eines traumatischen Schicksalsschlags verhandelt; Im Anbetracht zahlreicher Post-#MeToo-Filme könnte man ja bisweilen den Eindruck bekommen, Kreative fänden weibliche Hauptfiguren erst dann relevant, sobald ihnen etwas Schlimmes passiert.“

Dass sich die in „Moxie. Zeit, zurückzuschlagen“ angesprochenen Problematiken so lebensnah und eben alles andere als konstruiert anfühlen, liegt an Amy Poehlers zurückhaltender Inszenierung. Obwohl die feministische Ader des Films von Anfang an durchscheint, wozu unter anderem auch Amy Poehler in der Nebenrolle von Vivians feministischer Mutter ihren Teil beiträgt („In deinem Alter wollte ich das Patriarchat zerstören!“), widersteht die Regisseurin der Versuchung, ihre Beobachtungen zu dramatisieren. Vornehmlich aus Moxies Perspektive selbst erzählt, sind für das junge Mädchen und ihre Freundin zu Beginn des neuen Schuljahres ganz andere Dinge interessant als der später immer weiter in den Fokus rückende Feminismusgedanke. „Moxie“ ist – anders als etwa das ebenfalls auf zwischenmenschliche Missstände an US-amerikanischen Schulen aufmerksam machende Netflix-Drama „Tote Mädchen lügen nicht“ – kein mit salzigem Finger in der Wunde herumbohrender Film, der in durch und durch giftigem Umfeld spielt. Die hier ins Zentrum gerückten Figuren sind im Großen und Ganzen zufriedene, junge Leute, für die der Gedanke an eine feministische Rebellinnenbewegung zunächst vor allem mit einem spaßigen „Mal schauen, wie viel wir erreichen?“-Gedanken verknüpft ist. Doch aus dieser Neugierde heraus beginnen die Mädels mit der Zeit ein Gespür für subtile weibliche Unterdrückung und schwelenden Sexismus zu entwickeln. Und einmal dafür sensibilisiert, nimmt man viele Gepflogenheiten an Vivians Schule plötzlich ganz anders wahr.

Seth (Nico Hiraga) hat ein Auge auf Vivian geworfen…

Dass junge Mädchen mit großer Oberweite keine Spagettiträgertops tragen dürfen, während ihre männlichen Mitschüler oben ohne im Unterricht sitzen dürfen, ist da fast noch die oberflächlichste Entlarvung des bigotten US-amerikanischen Wertesystems. Wenn dann allerdings eines der Mädchen aus Angst vor den übergriffigen Schikanen eines Mitschülers zur Direktorin geht und von dieser prompt eine Abfuhr erfährt (sie solle das alles nicht so eng sehen, als Jugendlicher ist man eben manchmal ein wenig frech), liegen die Ursachen für einen strukturellen Sexismus (nicht nur) an amerikanischen Schulen klar auf der Hand. „Moxie. Zeit, zurückzuschlagen“ nimmt sich die kleinen, auf den ersten Blick unbedeutenden Gewohnheiten im Alltag vor; zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen und, noch viel stärker, zwischen den Schüler:innen untereinander. Der Elan, den Vivian und ihre stetig wachsende, betont diverse Gefolgschaft aufgebrachter Mitschülerinnen und Mitschüler (ja, in „Moxie“ schließen sich der Rebell:innenbewegung auch einige Jungs an!), ist enorm ansteckend und „Moxie“, seines ernsthaften Anliegens zum Trotz, dadurch bis zuletzt ein Feelgood-Film. Einer, der durch seine unbekümmerte Art der Problembewältigung umso stärker zu Herzen geht, wenn die Mädels und Jungs zeitweise immer mal wieder zu spüren bekommen, dass die Realität in Wirklichkeit ganz schön bitter ist und sich die Welt mit ein paar griffigen Slogans längst noch nicht verändern lässt.

„Dass junge Mädchen mit großer Oberweite keine Spagettiträgertops tragen dürfen, während ihre weiblichen Mitschüler oben ohne im Unterricht sitzen dürfen, ist da fast noch die oberflächlichste Entlarvung des bigotten US-amerikanischen Wertesystems.“

Dass das Skript von „Moxie“ auf den letzten Metern dann doch noch die ein oder andere vorhersehbare Entwicklung nimmt, lässt sich gern verschmerzen, wenn man diesem Wehrmutstropfen die smarte Figurenkonstellation gegenüberstellt. Neben der unerkannt bleibenden Moxie-Gründerin Vivian erheben zahlreiche junge Mädchen ihre Stimme gegen die Ungerechtigkeit, die für jede von ihnen individuell ausfällt. Während Alycia Pascual-Pena („Saved the Bell“) in der Rolle der Lucy stellvertretend für die Rechte afroamerikanischer Frauen und Mädchen einsteht, mimt Lauren Tsai („Legion“) Vivians beste Freundin Claudia, die durch ihre Beteiligung an der Moxie-Bewegung ungeahnte familiäre Probleme bekommt; Das Aufgreifen verschiedener Kulturkreise und ihres Umgangs mit dem Thema Weiblichkeit war den Autor:innen besonders wichtig, wenngleich durchaus darüber gestritten werden darf, inwiefern sie hier eher Klischees bestätigen als sich aktiv mit ihnen auseinanderzusetzen. Dennoch bleibt bis zuletzt der Eindruck Aufrecht erhalten, „Moxie. Zeit, zurückzuschlagen“ sei in erster Linie ein Film von Frauen für Frauen – und für alle Menschen, die Frauen lieben (oder ihnen zumindest die Gleichberechtigung nicht absprechen möchten).

Fazit: In Amy Poehlers „Moxie. Zeit, zurückzuschlagen“ trifft herzliches Female Empowerment auf eine grundsympathische Coming-of-Age-Story, die uns den High-School-Kosmos aus der weiblichen Perspektive näherbringt.

„Moxie. Zeit, zurückzuschlagen“ ist ab sofort bei Netflix streambar.

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