Baba Yaga

Einen Horrorfilm aus Russland bekommt man hierzulande auch nicht alle Tage zu sehen. BABA YAGA dagegen lief sogar in einigen Kinos, wo er allerdings gnadenlos unterging. Leider zu Recht, wie wir anlässlich des Heimkinostarts nun feststellen mussten. Warum, das verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Kurz nach ihrem Umzug an den Stadtrand stellt eine junge Familie ein Kindermädchen für ihre neugeborene Tochter ein. Während die Eltern schnell Vertrauen zu der jungen Frau fassen, glaubt Sohn Igor (Oleg Chugunov), dass mit ihr etwas nicht stimmt. Mysteriöse Vorkommnisse ereignen sich in der Wohnung und das Kindermädchen (Svetlana Ustinova) verhält sich seltsam. Bei den Eltern stößt der Junge mit seinen Bedenken allerdings auf Unverständnis. Als er eines Tages nach Hause kommt, sind seine kleine Schwester und das Kindermädchen spurlos verschwunden. Die Eltern scheint das nicht zu stören. Sie erinnern sich nicht daran, je eine Tochter gehabt zu haben. Igor macht sich selbst auf die Suche nach seiner Schwester. Eine Suche, die ihn tief in den Wald und in die Arme eines uralten Dämons führt…
Kritik
Wer im vergangenen Jahr in den zweifelhaften Genuss der missratenen Comic-Verfilmung „Hellboy – Call of Darkness“ kam, wurde dort vielleicht zum ersten Mal mit der mythologischen Figur Baba Jaga konfrontiert. Die slawische Märchengestalt entspricht ein wenig der der westeuropäischen Hexe und beschreibt eine als „Waldfrau“ charakterisierte, sehr gefährliche Zeitgenossin, die je nach Überlieferung entweder wahnsinnig geworden ist und allein in einer verlassenen Hütte haust, oder – eher im esoterischen Bereich – mit zwei Schwestern zusammen wohnt und mit ihnen die komplette Göttin aus Jungfrau, Mutter und altem Weib bildet. Im Märchen besitzt die Baba Jaga in der Regel einen Besen, einen schwarzen Kater und hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, während sie Menschen frisst und ihren Gartenzaun mit deren Schädeln dekoriert. Mit so einer Baba Jaga ist also nicht zu spaßen – sie ist regelrecht dafür prädestiniert, Hauptfigur eines Horrorfilms zu sein. Aktuell befinden sich sogar gleich mehrere Filme über sie in der Mache. Und doch schöpfen die Regisseure Svyatoslav Podgaevskiy („Der Fluch der Hexe – Queen of Spades“) und Nathalia Hencker („Blackout“) die spannende Grundlage zu keinem Zeitpunkt aus und kreieren mit „Baba Yaga“ einen absolut austauschbaren Horrorreißer, der sich nur ganz entfernt auf seine Ursprünge besinnt.
Das Beste an „Baba Yaga“ ist das Plakat. Hier kommt das schaurig-schöne und wirklich kreative Creature-Design der titelgebenden Menschenfresserin (in diesem Fall vorwiegend Babys) hervorragend zur Geltung. Was man auf dem Poster allerdings nicht sieht: Bei der in einigen wenigen Szenen von Svetlana Ustinova („Hardcore“) gespielten Baba Jaga handelt es sich die meiste Zeit über um eine CGI-Kreatur; und die wirkt mit ihren abgehackten Bewegungen gleich schon gar nicht mehr so gruselig wie die stets ein unheimlich verzerrtes Grinsen aufsetzende Babysitterin, als die Ustinova gleich viel besser funktioniert. Aber auch hierin offenbaren sich direkt weitere Schwachpunkte, denn dass sich die Hexe in Gestalt eines verführerischen Kindermädchens überhaupt Zugang zu ihren potenziellen Opfern verschaffen kann, ist in „Baba Yaga“ vor allem dem Umstand geschuldet, dass das Protagonistenpärchen, selbst an Horrorfilmnormen gemessen, unendlich dumm handelt. Irgendwann erwischt man sich gar bei dem Gedanken, dass es die Eltern der alsbald verschwundenen und kurz darauf vergessenen Tochter gar nicht anders verdient haben. Denn wenn schon der Teenager-Junge Igor kurz nach dem Einzug der Nanny eins und eins zusammenzählen sowie untrügliche Beweise für die unheimlichen Taten im Haus vorlegen kann, ihm seine Eltern allerdings keinerlei Gehör schenken (und das schon lange bevor das Kindermädchen den Vater mit ihren finsteren Kräften bezirzt hat), kann man ihm kaum vorwerfen, er hätte nicht alles versucht, um das drohende Unheil abzuwenden.
„Bei der in einigen wenigen Szenen von Svetlana Ustinova gespielten Baba Jaga handelt es sich die meiste Zeit über um eine CGI-Kreatur; und die wirkt mit ihren abgehackten Bewegungen gleich schon gar nicht mehr so gruselig.“
Dieses „drohende Unheil“ – nämlich die Entführung von Igors kleiner Schwester – kündigt sich in „Baba Yaga“ unter Zuhilfenahme der typischen Horrorfilmklischees an. Und mit Ausnahme von zwei, drei ganz hübschen Szenenarrangements, etwa wenn das Baby plötzlich von Messern umringt auf einem Tisch liegt oder wenn sich die Hexe mit Unmengen an roten Fäden ankündigt, fallen diese nicht schockierender aus als in den schwächsten Beiträge der Horrorschmiede Blumhouse Productions. Neben Genrehighlights wie „Get Out“ oder „Split“ hatten diese auch schon Filme wie „Wahrheit oder Pflicht?“, „Ma“ oder „Fantasy Island“ zu verantworten – den Inbegriff seelenlosen Mainstream-Horrors. Dabei erinnert „Baba Yaga“ vom Szenenaufbau her bisweilen sogar eher an Filme wie „Es“ oder „Conjuring“. Zum einen, weil die Szenen, in denen sich die Hexe verwandelt und rasend schnell auf ihre Opfer zubewegt, aus einem ähnlichen Winkel gefilmt wurden wie vergleichbare Momente in „Es“. Was allerdings auch bedeutet, dass es letztlich überhaupt keine Rolle spielt, ob das Monster hier eine Baba Jaga oder irgendeine andere Kreatur ist. Zum anderen, weil sich die Drehbuchautoren Natalya Dubovaya („Vdova“), Ivan Kapitonov („Rusalka: Ozero myortvykh“) und Svyatoslav Podgaevskiy („The Bride“) beim Aufbau der Geschichte an den modernen Haunted-House-Filmen zu orientieren versuchen, in denen auf den schleichenden Terror die hysterische Eskalation folgt – und zwischendrin versuchen die Hauptfiguren (in diesem Fall ein kleiner Junge mit „Stranger Things“-Gefolgschaft im Schlepptau), hinter das Geheimnis des Spuks zu kommen, indem sie die Saga der Baba Jaga entschlüsseln.
Bis „Baba Yaga“ sein Publikum endlich in ein vorhersehbares Ende entlässt, muss sich der Zuschauer durch halbgare Jumpscares (ja, auch durch jene, in denen hinter der Tür bloß der Vater steht, vor dem sich der Sohn erschrickt) und eine viel zu glatte Inszenierung kämpfen. Die Bilder, die Kameramann Anton Zenkovich („Survival Game“) hier kreiert, sind auf der einen Seite so glatt und steril wie ein Apple Store, versuchen andererseits aber auch den Charme moderner Neunzigerjahre-Retro-Serien heraufzubeschwören. Ein Mix, der weder aufgeht noch „Baba Yaga“ zu inszenatorischer Eigenständigkeit verhilft. Der Film bleibt bis zum Schluss seelenlos und mäandert auch erzählerisch irgendwo zwischen Horrorschocker und Jugendabenteuer, wenn sich Igor und seine Freunde schließlich in bester Detektivmanier an die Aufklärung wagen.
„Bis „Baba Yaga“ sein Publikum endlich in ein vorhersehbares Ende entlässt, muss sich der Zuschauer durch halbgare Jumpscares und eine viel zu glatte Inszenierung kämpfen.“
Dabei streifen sie Genrevertreter wie die Vollkatastrophe „Slender Man“ bei der Frage, was mit den ganzen Kindern passiert und sogar ein wenig „Harry Potter und der Stein der Weisen“ – wer sich an die Szene mit der Teufelsschlinge erinnert, wird wissen, was wir meinen. Und so ist es letztlich zwar durchaus interessant, sich damit auseinanderzusetzen, was in Russland so an Horrorkost produziert wird. Wenn „Baba Yaga“ allerdings stellvertretend für derartige Genreware steht, besteht vorerst kein Verlangen nach mehr.
Fazit: Der russische Horrorfilm „Baba Yaga“ basiert eigentlich auf einer gruseligen Märchensaga, hat letztlich aber nicht mehr zu bieten als der Bodensatz der Blumhouse-Produktionen.
„Baba Yaga“ ist ab dem 12. Juli auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie bei gängigen Streamingportalen abrufbar.