Hardcore

Der russische Regiedebütant Ilya Naishuller kreiert mit HARDCORE ein brutal-amüsantes Actionspektakel, das den Zuschauer die Eskapaden seines hybriden Protagonisten durch dessen Augen erleben lässt. Doch was hat der Film abseits dieses inszenatorischen Schmankerls zu bieten? Das verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Eben noch auf der Schwelle zwischen Leben und Tod, im nächsten Moment als kybernetisch aufgemotzte Kampfmaschine auf der Suche nach der eigenen Identität und den Entführern seiner Frau Estelle (Haley Bennett): Für Henry kommt es im futuristischen Moskau hammerhart. Lediglich unterstützt durch den schrägen Jimmy (Sharlto Copley), muss er es nicht nur mit Heerscharen namenloser Söldner aufnehmen, sondern auch deren psychopathischen Boss Akan (Danila Kozlovsky) in die Schranken weisen, der eine Armee biotechnisch aufgerüsteter Soldaten produzieren will. Getreu dem Motto „Blut schlucken und schlucken lassen“ bleibt Stehaufmännchen Henry nichts anderes übrig, als bis zum finalen „Game Over“ auch den letzten der „Scheißkerle“ endgültig platt zu machen.
Kritik
Als Ende 2012 Franck Khalfouns Neuauflage des Achtzigerjahre-Splatterschockers „Maniac“ in die internationalen Lichtspielhäuser kam, hätte dieses Projekt wohl kaum für solch ein Aufsehen gesorgt, hätte das von Alexandre Ala produzierte Psychospiel nicht nur aufgrund seiner im wahrsten Sinne des Wortes manischen Gewaltdarstellung hervorgestochen, sondern auch wegen seines ganz besonderen, visuellen Erscheinungsbildes. Mit Ausnahme einer Szene spielt sich das Portrait eines sadistischen Frauenmörders vollständig aus der Perspektive der Hauptfigur ab. Eine Distanzierung vom Geschehen wird für den Zuschauer also quasi unmöglich. Stattdessen muss er sich das in Neuseeland verbotene Spektakel durch die Augen des Killers ansehen, womit sich „Alexandre Ajas Maniac“ schon kurz nach Erscheinen einen Platz in den Annalen der (Horror-)Filmgeschichte sicherte. Die normalerweise aus Ego-Shootern bekannte First-Person-Perspektive zu nutzen, um mit ihrer Hilfe einen ganzen Film zu erzählen, gab es so vorab nicht. Dabei erweist sich ein derartiger Look gerade in Actionstreifen immer wieder als hübsches Zusatzschmankerl, so gerade erst gesehen bei Sacha Baron Cohens derber Agentenpersiflage „Der Spion und sein Bruder“. Hier darf das Publikum immerhin für einige wenige Minuten durch die Augen der von Mark Strong verkörperten Hauptfigur blicken. Wem das noch zu wenig war, dem liefert Regisseur Ilya Naishuller nun die optimale Antwort auf die Frage, ob das Konzept eines First-Person-Shooters auch in Spielfilmform funktionieren kann. Die Antwort darauf lautet ja, doch abseits der ebenso phänomenal wie innovativ choreographierten Action bleibt Naishullers Debüt (!) „Hardcore“ ein inhaltlich wankelmütiges Unterfangen.
Nicht umsonst wurde „Hardcore“, der im Original übrigens den Titel „Hardcore Henry“ trägt, vom Verleih als Mischung aus „Call of Duty“, „Crank“ und „Doom“ beschrieben. Die Geschichte um einen Typen, der mithilfe futuristischer Technik nahezu unsterblich ist und es (fast) im Alleingang mit diversen brutalen Schlägern, Revolverhelden und psychokinetisch veranlagten Irren aufnehmen muss, erinnert tatsächlich an die absurden Jason-Statham-Eskapaden, die mithilfe des besonderen Looks nun eben für die „Generation Gaming“ aufbereitet wurden. Dabei ist sich Ilya Naishuller der Genreherkunft seines Films durchgehend bewusst: Eine tiefgründige Geschichte will der gebürtige Russe gar nicht erst erzählen. Erwartungsgemäß muss er das gerade im Actiongenre aber auch nicht, denn je breiter sich die Macher ihre selbst auferlegten Grenzen stecken, desto überbordender können sich die Verantwortlichen in Sachen Ideenreichtum austoben. Das geht in „Hardcore“ so weit, dass der Gewaltgrad entsprechend hoch geschraubt werden kann, ohne dass sich beim Zuschauer das Gefühl logischer Inkonsequenz einstellt – da Hardcore Henry von Beginn an als technisch optimierter Hybrid aus Mensch und Maschine eingeführt wird, stellen die vielen vermeintlich tödlichen Stunts für den Protagonisten kein Hindernis dar. Henry widersetzt sich Flammen, Schuss- und Stichverletzungen, kann aus großer Höhe Fallen und trägt doch keinerlei länger andauernden Schaden davon. Damit ist der Grundstein für ein im besten Sinne wahnsinnig unterhaltsames Schlachtfest gelegt.
Dass der Verleih ebenjenes nach Fertigstellung tatsächlich für eine FSK-Freigabe ab 16 beantragt hat, grenzt fast schon an Größenwahn. „Hardcore“ rangiert in Sachen Gewaltgrad irgendwo zwischen „Crank“ und „Crank: High Voltage“, ist zwar durch und durch als comichaft konstruiertes Unterfangen zu erkennen, doch die verschiedenen Tötungsmethoden und brutalen Auseinandersetzungen der Figuren sind nur selten jugendfrei. Schon das stylische Intro demonstriert in Großaufnahme das Eindringen von Messern und Gewehrkugeln in alle möglichen Körperteile; gen Ende ist das Abreißen von Köpfen und diversen anderen Gliedmaßen noch das geringste Problem, dem sich Henrys Gegner stellen müssen. Mit zunehmender Laufzeit werden die simplen Mann-gegen-Mann-Kämpfe in „Hardcore“ immer absurder, eh sich Henry in einem finalen Showdown erneut gegen schier außerirdische Kräfte behaupten muss. Das ist in seiner visuellen Wirkungskraft so außergewöhnlich, dass es dem Film zusätzliche Innovationsbonuspunkte verschafft; anderswo wird Ilya Naishuller dafür schon als „neuer Tarantino“ gefeiert. Ganz so weit darf man an dieser Stelle aber (noch) nicht gehen. Anders als der „The Hateful 8“-Macher ist Naishuller zwar ein visionärer Actionexzentriker, doch sobald „Hardcore“ seinem Publikum wenigstens für ein paar Minuten Zeit zum Luftholen gibt, stürzt der Actionthriller direkt in ein tiefes Loch. Kurzum: Abseits der Fähigkeit, den Adrenalinpegel des Zuschauers auf einem konstant hohen Level zu halten, muss sich Naishuller als Geschichtenerzähler erst noch beweisen. Anders als etwa „Mad Max: Fury Road“ lässt „Hardcore“ ebenjenes atmosphärische Feeling vermissen, dass in der postapokalyptischen Welt von George Miller zu einem ganzheitlichen Seherlebnis führte und die nicht vorhandene Story damit aufwiegen konnte. „Hardcore“ kann davon nicht zehren und ist in den ruhigen Momenten – mit Verlaub – einfach nur langweilig und hässlich.
Zum Glück für den Zuschauer halten sich die Momente abseits der trotz der Wackelkameraoptik (zuständig: Pasha Kapinos, Vsevolod Kaptur und Fedor Lyass) stets verfolgbaren Actionszenen in engen Grenzen. Mit ein Grund für das grundsolide Erscheinungsbild von „Hardcore“ ist obendrein Sharlto Copley („Chappie“), dessen exzentrische, stets an der Grenze zum Overacting stattfindende Performance sich hier erstmals in das vorliegende Filmkonzept fügt. Sein Jimmy ist ein wahnsinniger Visionär, dessen Existenz in einem Detail begründet ist, das an dieser Stelle nicht verraten werden soll. Nur so viel: Es ist nicht etwa ein besonders spektakulärer Stunt oder ein hervorstechend blutiger Mord, der das Highlight in „Hardcore“ darstellt, sondern eine absurde Musicaleinlage zu „I’ve Got You Under My Skin“, die Jimmy hier äußerst überraschend zum Besten gibt. Diese und weitere kleine Gags, die zum Großteil von Copleys Figur ausgehen, setzen immer wieder humoristische Akzente, die dem grau in grauen Spektakel eine Prise ironischen Pfeffer verleihen, ohne die sich der Film deutlich zu ernst nehmen würde. So weiß „Hardcore“ in erster Linie als experimenteller Actionfilm zu gefallen, dem in Zukunft sicher noch weitere dieser Art folgen werden.
Fazit: „Hardcore“ ist ein einziger, gewagter Stunt, der den Zuschauer auf eine äußerst brutale Reise mitnimmt, die er durch die Augen der Hauptfigur sieht. Wer zusätzlich noch wert auf nur den Hauch einer Story legt, der ist hier verloren.
„Hardcore“ ist ab dem 14. April in den deutschen Kinos zu sehen.
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Ein guter gewagter Film der sicher nicht jedermann gefällt! Ich als zocker liebe natürlich diesen film! Ab und zu ein wenig unübersichtlich aber schon allein der soundtrack! Von der Story hab ich nicht wirklich viel erwartet!Mein fazit!: Einfach mal ansehen!
Henry, hör auf dein herz! Insider!!!!