Monatsarchive: April 2016

Videoabend: Brand: A Second Coming

Kino ist teuer, mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden und wer generell nicht gern unter Leute geht, der muss die Stoßzeiten meiden, um einen Film in Ruhe und ohne Störungen genießen zu können. Wenngleich die Videotheken nach und nach vom Online-Streaming verdrängt werden, geht doch nichts über einen gemütlichen Filmeabend auf dem heimischen Sofa. Obwohl die Auswahl riesig ist und Kinofilme immer schneller nach ihrem Start auch auf DVD und Blu-ray Disc erhältlich sind, lohnt sich sich ab und zu, einen Blick auf den Direct-to-Video-Markt zu werfen. Manchmal finden sich hier nämlich echte Perlen, ebenso sehr wie solche, die sich erst im Nachhinein als Rohrkrepierer erweisen. In meiner neuen Rubrik VIDEOABEND möchte ich Euch jede Woche einen Film vorstellen, der es hierzulande nicht oder nur sehr limitiert ins Kino geschafft hat.

Diese Woche widme ich mich der Russell-Brand-Dokumentation „Brand: A Second Coming“, die ab dem 5. März 2016 im Handel erhältlich ist.

Brand: A Second Coming

„Brand: A Second Coming“ erzählt Russell Brands spirituelle Reise vom drogenabhängigen Enfant Terrible und von der Yellow-Press verfolgten Hollywoodstar auf der Überholspur hin zum Revolutionär und politischen Aktivisten unserer Zeit. Wie kam er zu dieser unerwarteten Rolle? Wie wurde er zum Helden der Schwachen und Benachteiligten und rühmt sich selbst: „Ich bin ein Narzisst, ja. Aber ich bin Euer Narzisst!“ Auf der einen Seite kritisiert für seinen selbstsüchtigen Egoismus, steckt Russel Brand die Welt auf der anderen Seite mit seinem Wahnsinn an und ruft zur Revolution gegen die ständig wachsende Konsumgesellschaft auf. Kann er sich tatsächlich gegen das System erheben, das ihn geschaffen hat? Besitzt er die Stärke und Hingabe, um seinen revolutionären Kampf durchzustehen? Und wird er das Glück finden, nach dem er sich seit seiner Kindheit sehnt?

edel motion Film bewirbt ihn so: 

Bereits jetzt ist BRAND: A SECOND COMING ein großer Festival-Liebling bei den Filmfestivals in USA, Australien, UK und Kanada. Der Ex-Mann von Katy Perry gibt Einblicke in sein Innerstes – in sein Leben, seinen Werdegang, seine Süchte, seine Kunst, seinen Glauben. Und überrascht mit einer unerwarteten Offenheit.

Kritik

Eines kann man dem heute 40-jährigen Schauspieler, Comedian und Buchautor Russell Brand wahrlich nicht vorwerfen:  Seine Person geht wohl kaum Jemandem am Allerwertesten vorbei. Entweder man liebt ihn für seine schrillen Auftritte, oder verabscheut ihn aufgrund solcher Fehltritte wie der Preisverleihung zum Man of the Year, bei dem er noch nachträglich von der Aftershow-Party ausgeladen wurde, als er bei seiner Dankesrede auf die Nähe der Hugo-Boss-Designer zum Nationalsozialismus hindeutete. Brand polarisiert, eckt an und trotzdem wirkt gerade sein Wandel vom Skandal-Promi zum politischen Aktivisten viel zu inszeniert, um glaubwürdig zu wirken. Umso schwieriger war es da für die Dokumentarfilmerin Ondi Timoner, sich dem Menschen Russell Brand so zu nähern, dass man sich als Zuschauer seiner Faszination erschließen kann, ohne das Gefühl zu bekommen, hier einen 100 Minuten langen Wahlwerbespot für den selbsternannten Guru und Prediger zu sehen. Und es gelingt ihr tatsächlich: „Brand: A Second Coming“ ist alles andere als ein PR-Produkt. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sich zu keinem Zeitpunkt bewusst darüber scheint, dass er und sein Ego überhaupt nicht in diese Welt passen wollen. Der Film über ihn ist ein zwischen Euphorie und Melancholie schwankendes Biopic, das den Zuschauer auf der Zielgeraden zu dem Schluss kommen lässt: Ja, dieser Mann ist wirklich so!

Ondi Timoner hatte bei ihren Dreharbeiten das große Glück, Material für ihren Film verwenden zu dürfen, das uns Russell Brands Werdegang auch von seinen unrühmlichsten Seiten präsentiert. Drogen, Alkohol, Sex: Dem Zuschauer, der sich für den Schauspieler interessiert, bleibt in „Brand: A Second Coming“ nichts erspart. Den sentimentalen Gegenpol dazu liefern Angehörige, Promikollegen und Brand selbst, der in einem ausgiebigen Interview Rede und Antwort steht, während er Freunde und Bekannte wie David Lynch, Noel Gallagher und Stephen Merchant dazu animierte, mit ihm gemeinsam vor die Kamera zu treten. Mit Lobhudelei auf den Kollegen haben die Kommentare der VIPs nichts zu tun. Der Austausch mit und über Brand komplettiert den unverfälschten Eindruck der Dokumentation; der Lebensstil des ehemaligen Katy-Perry-Husbands wird mehrmals Grund ausgiebigen Kopfschüttelns. Doch Niemand hält mit der Faszination für diese Person hinterm Berg. Wenn Brand im Rahmen eines PR-Projekts nach Afrika fliegt und dort mit einer kilometerlangen Müllhalde und den davon und darauf lebenden Menschen konfrontiert wird, zeigt sich Brand von einer Seite, die auch beweist: ihn zu mögen, grenzt nicht unbedingt an ein Ding der Unmöglichkeit. Als sich das letzte Drittel schließlich mit seinem Wandel zum modernen Messias befasst, müssen die von ihm vertretenen Thesen nicht jedem Gefallen. Doch Teil eines kalkulierten Imagewandels, das sind sie dann wohl doch eher nicht.

BRAND: A SECOND DOMING stammt von Ondi Timoner. Bei dem Film handelt es sich um eine britisch-amerikanische Dokumentation aus dem Jahr 2015. Der Film ist hierzulande ungekürzt auf DVD und Blu-ray Disc erhältlich und ab 12 Jahren freigegeben. Die Länge beträgt 100 Minuten.

Fazit

„Brand: A Second Coming“ ist eine ungemein spannende Dokumentation, die uns mit einer in der Öffentlichkeit stehenden Person vertraut macht, über die wir angesichts ihrer vielen Drogen- und Sexeskapaden eigentlich gar nicht mehr so viel wissen wollen. Doch Regisseurin Ondi Timoner gelingt es mithilfe unzähliger Prominente, ausgewähltem TV- und Internetmaterial sowie ausführlichen Gesprächen mit Russell Brand selbst, ein komplexes Bild des Schauspielers zu zeichnen, das im Nachhinein tatsächlich dazu animiert, noch mehr über diese exzentrische Person erfahren zu wollen. Ganz gleich, ob all das in diesem Film nun echt, oder doch wieder nur eine ausgeklügelte Show Brands ist.

Mein Tipp: Kaufen!