Videoabend: App

Kino ist teuer, mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden und wer generell nicht gern unter Leute geht, der muss die Stoßzeiten meiden, um einen Film in Ruhe und ohne Störungen genießen zu können. Wenngleich die Videotheken nach und nach vom Online-Streaming verdrängt werden, geht doch nichts über einen gemütlichen Filmeabend auf dem heimischen Sofa. Obwohl die Auswahl riesig ist und Kinofilme immer schneller nach ihrem Start auch auf DVD und Blu-ray Disc erhältlich sind, lohnt sich sich ab und zu, einen Blick auf den Direct-to-Video-Markt zu werfen. Manchmal finden sich hier nämlich echte Perlen, ebenso sehr wie solche, die sich erst im Nachhinein als Rohrkrepierer erweisen. In meiner neuen Rubrik VIDEOABEND möchte ich Euch jede Woche einen Film vorstellen, der es hierzulande nicht oder nur sehr limitiert ins Kino geschafft hat.
Diese Woche widme ich mich dem ersten Second-Screen-Film „App“, der seit dem 16. Mai 2014 im Handel erhältlich ist.
Die Psychologie-Studentinnen Anna (Hannah Hoekstra) und Sophie (Isis Cabolet) sind beste Freunde. Gemeinsam teilen sie nicht nur ihre Liebe zum Tauchen, sondern auch eine Wohnung. Im Zuge einer rauschenden Partynacht wacht Anna eines Morgens mit einem heftigen Kater auf und macht die Bekanntschaft mit IRIS, einer App, die sich seit letzter Nacht auf ihrem Smartphone befindet. IRIS ist klug, scheint so ziemlich jede Antwort auf jede erdenkliche Frage zu wissen und erweist sich schon bald als erschreckend neugierig. Es dauert nicht lange und IRIS übernimmt nicht nur die Kontrolle über Annas Handy, sondern auch über ihr Leben. Doch nicht nur sie scheint von der Software verfolgt zu werden; IRIS verbreitet sich in Windeseile und schnell gibt es den ersten Toten…
Studio Hamburg Enterprises sagt:
Werdet durch die Begleit-App zum Film selbst Teil der Handlung und erlebt den Thrill hautnah mit!
Kritik
Das Prinzip des “Second Screen” steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. TV-Sender versuchen regelmäßig, das Publikum mit eigenen Apps zum aktiven Mitmachfernsehen zu animieren. Doch einen wirklichen Mehrwert bieten solche Angebote (derzeit) noch nicht. Mehr noch: Zuschauer, die derartige Angebote nicht nutzen, fühlen sich während einer Sendung sogar gestört, wenn die Hälfte des TV-Bildes User-Kommentaren von App-Nutzern weichen muss. Der in Deutschland noch weitgehend unbekannte, niederländische Filmemacher Bobby Boermans („Claustrofobia“) ging mit seinem Filmexperiment „App“ im vergangenen Jahr noch einen Schritt weiter und brachte die Second-Screen-Methode gar in die niederländischen Kinosäle. Mithilfe von App IRIS wird das Publikum zum wesentlichen Bestandteil einer ordentlich inszenierten Mystery-Horrorgeschichte. So ist es gut möglich, dass „App“ sich als Wegweiser für eine Technik entpuppt, die dem modernen Filmerlebnis neue Akzente hinzufügt; Hoffentlich trauen sich in Zukunft noch so einige Regisseure mehr, der „Generation Facebook“ mit derlei Spielereien neuen, filmischen Input zu liefern.
Die modernen Medien zum Dreh- und Angelpunkt eines Horrorfilms zu machen, ist spätestens seit dem Video-Grusel „Ring“ nicht mehr neu. Bereits im mäßig erfolgreichen „Pulse“ entpuppte das Internet als tödliche Falle und zuletzt ließen Filme wie der unterschätzte „Zimmer 205“, der innovativ gefilmte „Unknown User“ oder auch die deutsche Genreproduktion „Unfriend“ eine Tote über über Online-Plattformen mit der Welt kommunizieren. Im Subgenre Multimedia-Horror eigene Impulse zu setzen, bedarf somit einer enormen Kreativität. Filmemacher Bobby Boerman gelingt dies allein durch die Integration besagter App, die im gleichnamigen Film einen wesentlich höheren Mehrwert besitzt, als man ihr zunächst zutrauen möchte. Nachdem IRIS parallel zum Filmbeginn gestartet wird, orientiert sich die App, die lediglich auf die Mikrophon-Funktion des Smartphones zugreift, an der Soundkulisse, um sich an den passenden Stellen durch eine stumme Vibration bemerkbar zu machen und Zusatzinfos zu liefern. Kurze Videoclips zeigen die Handlung aus unterschiedlichen Blickwinkeln, der Zuschauer erhält Einsichten in wichtige SMS-Austausche zwischen den Figuren und aus der Ego-Perspektive geschossene Aufnahmen vermitteln den Eindruck, sich direkt am Set zu befinden. Bei der Sichtung durch die Kritikerin funktionierte die App (installiert auf einem iPhone 6S) tadellos, wenn auch zunächst um zwei bis drei Sekunden zeitverzögert. Das tut dem Spaß jedoch keinen Abbruch. Ein Neustart der App behebt dieses kleine Problem rasch.
APP stammt von Bobby Boermans. Drehbuchautor ist Robert A. Jansen. Unter den Darstellern finden sich Hannah Hoekstra, Isis Cabolet, Robert de Hoog, Mark van Euwen und Matthijs van die Sande Bakhuyzen. Bei dem Film handelt es sich um eine niederländische Horrorproduktion aus dem Jahr 2013. Der Film ist hierzulande ungekürzt auf DVD und Blu-ray erhältlich und ab 16 freigegeben. Die Länge beträgt 75 Minuten.
Fazit
Per se funktioniert die eigentliche Handlung aus den üblichen Versatzstücken eines Horrorfilms, ohne dabei jedoch auf allzu viel Effekthascherei, geschweige denn Jump-Scares zu setzen. Dadurch ist „App“ nicht derart angsteinflößend wie „Ring“ und schon gar nicht so comichaft wie „Pulse“; Die Bodenständigkeit in der Inszenierung führt stattdessen dazu, dass sich der Zuschauer schneller als erwartet mit den Geschehnissen auf dem Bildschirm identifiziert. Die nuanciert aufspielenden und dadurch jederzeit glaubhaften Darsteller, allen voran die ebenso süße wie toughe Hannah Hoekstra („Hemel“), unterstreichen diesen Eindruck.