Die fantastische Reise des Dr. Dolittle

Nach mehrfacher Startterminverschiebung und unter düsteren Vorzeichen kommt DIE FANTASTISCHE REISE DES DR. DOLITTLE diese Woche auch in die deutschen Kinos. Ob die Befürchtungen eines zweiten „Cats“ berechtigt sind, das verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Auch sieben Jahre nach ihrem Tod hat der exzentrische Arzt Dr. Dolittle (Robert Downey Jr.) den Verlust seiner Frau nicht überwunden. Gemeinsam mit einer bunt zusammengewürfelten Truppe exotischer Tiere hat er sich aus der viktorianischen Welt Englands zurückgezogen und hinter den hohen Mauern seines Familienanwesens Dolittle Manor verschanzt. Als die junge Queen Victoria (Jessie Buckley) aber schwer erkrankt, muss Dolittle zunächst widerwillig sein Heim verlassen und sich auf der Suche nach einem Heilmittel auf die Reise zu einem sagenumwobenen Eiland begeben. Es ist eine gefährliche Mission, doch während er sich alten Feinden stellen muss und neuen wundersamen Kreaturen begegnet, erwachen Stück für Stück auch wieder sein Lebensmut und Witz. Begleitet wird Dolittle auf dieser halsbrecherischen Odyssee von seinem selbst ernannten Lehrling (Harry Collett) und natürlich von seiner lautstarken tierischen Familie,  bestehend aus einem ängstlichen Gorilla, einer begeisterten, aber nicht sonderlich weit denkenden Ente, einem zynischen Strauß, einem gut gelaunten Eisbär und einem eigensinnigen Papagei, Dolittles wichtigstem Berater in allen Lebenslagen.

Kritik

Das von Hugh Lofting verfasste Kinderbuch „Doktor Dolittle und seine Tiere“ hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Schon in den Dreißigerjahren fertigte die Buchillustratorin und Silhouetten-Animationsfilmerin Lotte Reiniger kleine Silhouettenfilme nach Vorlage des Romans an. Die Pläne für einen Langfilm scheiterten am Geldmangel der Schafferin, eh dreißig Jahre später auch Hollywood das Potenzial der Geschichte über einen mit seinen Patienten sprechenden Tierarzt erkannte und ein Filmmusical zum Stoff produzieren ließ. Obwohl dieser mit insgesamt neun Oscar-Nominierungen bedacht wurde, gehört die Filmadaption mit Eddie Murphy in der Hauptrolle bis heute wohl zu den bekanntesten – und erfolgreichsten. Der Familienfilm von 1998 zog sogar eine Fortsetzung nach sich. Seit dieser sind 18 Jahre vergangen. Nach Hollywood’scher Zeitrechnung genug, um eine weitere Neuverfilmung zu rechtfertigen. Und mit Robert Downey Jr. („Avengers: Endgame“) hat man von Seiten des Produktionsstudios Universal Pictures sogar einen echten Megastar für die Hauptrolle (und viele weitere Schauspiel-Hochkaräter für Sprechrollen) verpflichten können. Doch nicht nur der redet mittlerweile gar nicht mehr so gern über das Projekt. Auch Regisseur Stephen Gaghan („Gold“) ist nur noch bedingt an seiner Arbeit interessiert. Dessen Film ist „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ nämlich längst nicht mehr, sondern nach 21 Tagen mühevoller Nachdrehs nach hundsmiserablen Testscreenings haben Chris McKay („The LEGO Batman Movie“) als Autor und Jonathan Liebesman („Teenage Mutant Ninja Turtles“) als Regisseur dem Film ihren eigenen Stempel aufgedrückt. Ob sie nun gerettet haben, was zu retten war, den Film vor der Handschrift Gaghans bewahrt oder das Ergebnis verschlimmbessert haben, werden wir im Nachhinein wohl nie erfahren. Fest steht, dass „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ noch immer viele Schwächen hat, aber gewiss nicht der Super-GAU ist, den ihn in Übersee mit Vergleichen zur Musical-Blamage „Cats“ bereits so einige Filmjournalisten gemacht haben.

Bei der Königin angekommen, sucht Dr. Dolittle (Robert Downey Jr.) nach einem Heilmittel.

„Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ lässt sich sowohl inhaltlich als auch qualitativ in drei Abschnitte gliedern. Zu dem ersten gehört ein in wunderschön-altmodischem Zeichentrick gehaltener Prolog über die Vergangenheit des titelgebenden Veterinärs sowie das Kennenlernen des Dolittle’schen Kosmos‘, zu dem neben Dolittle selbst in dieser Geschichte, neben vielen exotischen Tieren auch sein Lehrling wider Willen Tommy gehört. Die Etablierung seines Charakters wirkt zwar auf den ersten Blick etwas unglücklich (auf der Jagd schießt der Junge auf Drängen seines strengen Vaters aus Versehen ein Eichhörnchen an, das er daraufhin zu Dr. Dolittle bringt), bietet in der Theorie aber auch hübsche Ansätze für Gags. Das von Tommy angeschossene Eichhörnchen sieht in seinem versehentlichen Fast-Mörder nämlich fortan eine Schurkenfigur und schwört Rache, was das Skript allerdings schon ziemlich bald wieder fallenlässt. Trotzdem gelingt Gaghan nach dieser Prämisse ein hübscher Einstieg in den Film. Wenngleich Downey Jr. als verlotterter, ungepflegter Doktor mit meterlangem Bart irritierend stark an Jim Carrey in „Dumm und dümmehr“ erinnert, liegt das Hauptaugenmerk von Anfang an sowieso auf den Tieren. Wie gut diese animiert sein würden, war vor Filmstart ebenfalls kaum einschätzbar. Es machte vor allem eine Nachricht vom Set die Runde, dass die Dreharbeiten zum Film ohne die Unterstützung der Effektspezialisten stattgefunden hätten, sodass Downey Jr. und Co. stets im luftleeren Raum agieren mussten, eh man später nachträglich die Tiere ins Bild einfügen würde. Vielleicht ist das der Grund, weshalb man die flauschigen Zwei- und Vierbeiner oftmals in Großaufnahme sieht, während die Schauspieler ihre Dialoge aus dem Off vortragen. Doch für eine unter derart düsteren Vorzeichen entstandene Produktion gelingt es den Machern doch überraschend gut, all diese Problemherde zu karschieren.

Während insbesondere die gefiederten Gesellen von Ente über Strauß bis Papagei verdammt realistisch aussehen (erst recht, wenn man bedenkt, dass man es hier bis zum Zeitpunkt der Nachdrehs ja auch nie mit einem mehrere hundert Millionen Dollar teuren Projekt zu tun hatte), wirken insbesondere die Großkatzen irritierend. Ein flauschiges Löwenjunges fügt sich so wenig glaubhaft in die haptische Kulisse ein, dass es nach zwei Sätzen wieder komplett von der Bildfläche verschwindet. Und wer „Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ oder die „Dschungelbuch“-Neuverfilmung gesehen hat, der fragt sich, weshalb die gestreifte Großkatze in „Dolittle“ so unecht aussieht, wenn es doch tricktechnisch eigentlich längst möglich ist, derartige Lebewesen authentisch aussehen zu lassen. Das vom Film ohnehin anvisierte Kinder-Zielpublikum wird sich davon wohl allerdings kaum irritieren lassen. Im zweiten Drittel des Films besteht vielmehr die Gefahr, dass sich die Zuschauer ziemlich langweilen. Nach einem solide gelungenen Auftakt hängt „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ in der Mitte nämlich merklich durch, obwohl ein Erzählpart auf einer Insel mitsamt abenteuerlicher Rettungsmission eines geheimnisumwitterten Buches eigentlich der auf dem Papier spannendste Part hätte sein sollen. Doch der Inszenierung mangelt es schlicht und ergreifend an Drive; auch, weil man zwar von der Hintergrundgeschichte des Doktors Einiges erfährt, seine persönliche Motivation für die Reise auf der Suche nach einer heilbringenden Frucht nur sehr oberflächlich angerissen wird. „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ bleibt bis zuletzt vor allem ein Vehikel für möglichst viele verschiedene Tiere; zumindest den Kleinen dürfte das, auch aufgrund von viel Slapstick und Wortwitz, gefallen. Kleine Anmerkung am Rande: Der inflationäre Gebrauch des Wortes „Bro“ ist allerdings mindestens genauso uncool wie die deutsche Abwandlung „Brudi“ – das fanden selbst die Kids im Pressescreening nicht (mehr) angesagt.

Gemeinsam mit seinen Tieren und seinem Lehrling (Harry Collett) begibt sich Dolittle auf eine abenteuerliche Reise.

Während das erste Drittel von „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ gefällt und die zweite durchhängt, steuert der Film im Finale leider auf eine erzählerische Vollkatastrophe hin. Dass die gesamte Geschichte nämlich lediglich die Exposition für einen überdimensionierten Furz-Gag bildet, erfordert viel Gutwillen vom Zuseher außerhalb der Zielgruppe und bildet klar den größten Schwachpunkt am Film. Da hilft es auch nichts, dass Robert Downey Jr. in seiner ersten Nicht-Iron-Man-Rolle seit 2014 (damals in „Der Richter – Recht oder Ehre“) selbst während derartiger Peinlichkeiten sein Gesicht mithilfe seines leidenschaftlichen Spiels wahren kann und auch der bei diesem Witz eine zentrale Rolle spielende Drache (!) ansehnlich animiert aussieht. Ob die Auflösung des Films ein Ergebnis des nachträglichen Umschreibprozesses ist, lässt sich natürlich kaum mehr beurteilen. Die Tatsache, dass der Film bei Testscreenings in den USA durchweg als „zu düster“ für einen Familienfilm bewertet wurde, liefert allerdings durchaus ein Indiz dafür, dass der Film eigentlich hätte deutlich weniger peinlich hätte ausgehen können. Der während des gesamten Films als irritierend abgehackt wahrgenommene Schnitt kommt jedenfalls auch im letzten Drittel nicht wirklich zur Ruhe. Immer wieder springt der Film abrupt von einem Setpiece zum nächsten, verhindert so, dass sich eine bestimmte Atmosphäre über einen längeren Zeitraum entwickeln kann. Das erweckt ein wenig den Eindruck eines szenischen Flickenteppichs, dem eine künstlerische Nachbehandlung gutgetan hätte. Schade, dass man das von „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ liegen gebliebene Potenzial so deutlich aufzählen kann. Hier hätte unter besseren Produktionsbedingungen ein richtig guter Film draus werden können.

Fazit: „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ leidet sichtbar unter den schwierigen Produktionsbedingungen, die die Abenteuerkomödie davor bewahren, ein guter Film zu sein. Aber er ist dank der guten Tieranimation und eines engagierten Robert Downey Jr. immer noch durchschnittliches Familienkino, dem insbesondere die jungen Zuschauer so einige Fehler verzeihen dürften.

„Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ ist ab dem 30. Januar in den deutschen Kinos zu sehen – auch in 3D.

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