Queen of Katwe

Innerhalb weniger Monate ist das biographische Drama QUEEN OF KATWE bereits der dritte Film, der sich mit dem Thema Schach auseinander setzt. Doch was hat das von Disney vertriebene Biopic, was die anderen Produktionen nicht haben? Das und mehr verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Für die zehnjährige Phiona Mutesi (Madina Nalwanga) und ihre Familie ist das Leben im verarmten Slum Katwe in Kampala, Uganda, ein ständiger Kampf. Ihre Mutter Harriet (Lupita Nyong’o) ist fest entschlossen, für ihre Familie zu sorgen. Sie arbeitet unermüdlich und verkauft Gemüse auf dem Markt, um sicherzustellen, dass ihre Kinder zu essen und ein Dach über dem Kopf haben. Als Phiona auf Robert Katende (David Oyelowo) trifft, einen als Missionar tätigen ehemaligen Fußballspieler, der die Kinder des Dorfes im Schachspielen unterrichtet, wird sie in den Bann des Spiels gezogen. Schach erfordert ein hohes Maß an Konzentration, strategisches Denken und Risikobereitschaft, allesamt Fähigkeiten, die für das tägliche Leben unerlässlich sind. Katende hofft, die Jugendlichen durch das Spiel bestärken zu können. Phiona ist beeindruckt von der Intelligenz und dem Scharfsinn, die das Spiel verlangt, und es zeigt sich sofort, dass sie ein außergewöhnliches Talent hat…
Kritik
Der Begriff „Schach“ kommt aus dem Persischen und bedeutet dort soviel wie „königliches Spiel“. Trotzdem setzen sich immer mehr Ausübende dafür ein, dass ihre Tätigkeit nicht als Spiel, sondern als Sport betrachtet wird. Sogar über die Berücksichtigung bei den Olympischen Spielen wurde bereits mehrfach debattiert, bislang jedoch immer abgewiesen. Denn wer den Gedächtnissport auf hoher Ebene ausüben möchte, braucht in erster Linie ein hohes strategisches Verständnis und weniger Muskelkraft. In Steven Knights herausragendem Biopic „Bauernopfer – Spiel der Könige“ über die ewigen Duellanten Boris Spassky und Bobby Fischer ging es daher nicht bloß darum, dass die während des Kalten Kriegs aufgeführte Schachpartie zwischen dem US-Amerikaner und dem Russen bis heute zu den bestgespielten der Welt gehört, sondern vor allem um den Preis, den Fischer dafür zahlen musste. Paranoia, das fehlende Verständnis zwischen Realität und Wahnsinn, Selbstmordgedanken – Fischer starb zwar aufgrund eines Nierenversagens, doch die letzten Lebensjahre verbrachte er in permanent schlechter, körperlicher wie geistiger Verfassung, was von Experten bis zuletzt auch auf das Schachspiel zurückgeführt wurde. Ein Einzelfall, möchte man meinen. Doch tatsächlich ist die Anzahl von Menschen mit psychotischen Erkrankungen ausgerechnet im Schachsport überdurchschnittlich hoch. Auch das neuseeländische Drama „Das Talent des Genesis Potini“ porträtierte im vergangenen Jahr ein Schachgenie, das bis zu seinem Tod im Jahr 2011 an den Folgen des exzessiven Spiels zu leiden hatte. Dagegen grenzt sich die Regisseurin Mira Nair („Monsoon Wedding“) mit ihrem Drama „Queen of Katwe“ schon mal angenehm ab. Ihr Film dreht sich in erster Linie um das Entdecken von Talent und den Willen, nicht aufzugeben. Das verläuft alles in recht routinierten Bahnen, hat das Herz jedoch am rechten Fleck.
Wenn man einmal ehrlich ist, ist einem bei einer wahren Schicksalsgeschichte aus dem Hause Walt Disney Pictures ja schon irgendwie bewusst, dass die ganz großen Überraschungen im Handlungsverlauf ausbleiben dürften. Sportlerdramen wie „Million Dollar Arm“, „City of McFarland“ oder – um ein wenig weiter in die Vergangenheit zu gehen – „Secretariat“ bilden die Paradebeispiele für gefällige Sportlerdramen mit dem Extraschuss Optimismus. Entsprechend schematisch geht auch der Plot um die Entwicklung Phionas vonstatten. Dieses Mädchen, dem keine große Zukunft bevorzustehen scheint und das weder lesen noch schreiben kann, wird zu einer der besten Schachspielerinnen der Welt – doch was soll man auch tun, wenn die „Queen of Katwe“ zugrunde liegenden Ereignisse so nun mal tatsächlich passiert sind? Dafür hat die Regisseurin Mira Nair ein anderes, inszenatorisches Ass im Ärmel: Diese verzichtet nämlich in Gänze auf Effekthascherei. Mehr noch: Ihr Tonfall ist im Laufe der mitunter etwas schleppend erzählten zwei Stunden beständig. Sie provoziert weder Tränen, noch verklärt sie die durchaus niederschmetternde Lebenssituation, in der Phiona und ihre Familie im Slum leben müssen. Stattdessen schildert der Film die Ereignisse aus der Sicht des jungen Mädchens. Und als solche war und ist Phiona eben eine Frohnatur im besten Sinne. Hier und da erinnert ihre Attitüde an die Mentalität einer klassischen Disney-Prinzessin. Etwa wenn sie mit einem Grinsen über ihr zufriedenes Leben sinniert, als sie von einem Dorfbewohner gefragt wird, wie es ihr geht. Ins Plakative drängen derartige Einschübe indes nie. Dafür sorgt der Handlungsverlauf schon ganz von alleine.
Die einzelnen Stationen innerhalb von „The Queen of Katwe“ sieht man so also auch in jedem zweiten Sportler-Biopic. Auf das Entdecken des Sports folgen erste Erfolge, es kommt zur überraschenden Niederlage, anschließend die Auferstehung und alles endet mit dem finalen Triumph. Hier ist das zwar nicht anders, doch im Gegensatz zu den diversen Genrekollegen bleibt Mira Nair in ihrer Inszenierung bemerkenswert bodenständig. Für ihre Hauptfigur ist der Erfolg im Spiel nicht sofort mit einer Verbesserung der Lebenssituation gleichzusetzen. Auch die Liebe zum Schach entsteht alles andere als plötzlich, sondern erweist sich als langer, steiniger Weg und ist für Phiona zunächst vor allem eine interessante Nebenbeschäftigung, um dem Alltagstrott und den vielen traurigen Momenten in ihrem Leben für eine Weile zu entkommen. Zwischen den Turnieren muss sich Phiona wie alle anderen auch ihrem Schicksal fügen – und zu diesem Schicksal gehören nun mal auch Themen wie AIDS, Jugendschwangerschaft, die Verarmung des Landes und die hohe Sterberate. All das spart „The Queen of Katwe“ zwar nicht aus, wenngleich Mira Nair darauf verzichtet, die von derartigen Motiven ausgehende Schwermut in den Fokus zu rücken. Ihre Geschichte konzentriert sich ganz und gar auf die faszinierende, von der Newcomerin Madina Nalwanga verkörperte Hauptfigur, für die Freude und Trauer – wie bei jedem im Leben – Hand in Hand gehen.
Von dieser Madina Naiwanga wird man in Zukunft wohl nicht nur deshalb viel hören, weil sie „Queen of Katwe“ trotz ihres noch jungen Alters (und ihrer eher zurückhaltenden Präsenz!) wie selbstverständlich auf ihren Schultern stemmt. Vor allem ist sie in der Lage, herausragenden Darstellern wie Lupita Nyong’o („12 Years a Slave“), noch David Oyelowo („A United Kingdom“) die Show zu stehlen. Die beiden einzig bekannten Darsteller in „Queen of Katwe“ spielen zwar ihre Rollen der aufopferungsvollen Mutter sowie des engagierten Schachlehrers passioniert, doch der eigentliche Star ist und bleibt nun mal Naiwanga. Dank des authentischen Skripts von William Wheeler („Ghost in the Shell“), das auf einem Artikel im ESPN-Magazin basiert und auf unglaubwürdige Handlungsschlenker oder pathetische Dialoge verzichtet, gehen Trauer und Freude schon mithilfe kleiner Gesten bei ihr Hand in Hand. Die Jungdarstellerin benötigt keine ausladenden Gefühlsausbrüche, um die geistige Verfassung ihres Charakters zu erklären. In diese minimalistische Darstellung fügt sich auch die technische Ausstattung. Kameramann Sean Bobbitt („Kill the Messanger“) zeigt einfach nur, was ist und spart sich reißerische Kamerafahrten oder besondere Spielereien. Genauso unauffällig bleibt die Musik (Alex Heffes). In „Queen of Katwe“ spricht einzig und allein die Handlung für sich und ist damit für all jene einen Blick wert, die sich endlich mal wieder durch eine Geschichte Mut machen lassen wollen, der man es auch abkauft, dass sie so tatsächlich passiert ist.
Fazit: „Queen of Katwe“ ist ein ruhiges Drama, das die gängigen Motive eines Sportler-Biopics nur vage variiert, dafür mit viel Authentizität und einer herausragenden Performance von Schauspieldebütantin Madina Nalwanga punkten kann.
„Queen of Katwe“ ist ab dem 20. April in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.