Unbroken

Nach ihrer fragwürdigen Performance im gescheiterten Disney-Realmärchen „Maleficent“ gibt sich Angelina Jolie in UNBROKEN einmal mehr die Ehre als Regisseurin. Dabei scheitert der Hollywoodstar mit ihrem billigen Rührstück an den einfachsten Aufgaben und macht ihr geschichtsträchtiges Werk zu einem unangenehm aufdringlichen Film. Mehr dazu in meiner Kritik.

Unbroken

Der Plot

Als Jugendlicher in der kalifornischen Stadt Torrance ist Louis „Louie“ Zamperini, jüngster Sohn italienischer Einwanderer, ein unverbesserlicher Missetäter. Einbrüche, Ladendiebstahl und Streit mit jedem, der diesen unzähmbaren Jungen reizt, bis der Italiener in Teenagerjahren und ermutigt von seinem älteren Bruder Pete sein Leben umkrempelt.  Fortan steckt er seine ganze Energie in den Laufsport. Er bricht Rekord um Rekord und qualifiziert sich als 19-Jähriger für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Dort überrascht der mittlerweile als „Torrance Tornado“ bekannte Athlet jeden – seinen berühmten Teamkollegen Jesse Owens ebenso wie den Mann, der die Menschheit fast in den globalen Untergang führte: Adolf Hitler. Später studiert Louie an der University of California und hat als Sprinter inzwischen fast die Four-Minute-Mile (einen der berühmtesten Schwellenwerte im Sport) geknackt. Doch wie viele junge Menschen seiner Generation legt auch Louie seine Träume auf Eis und meldet sich freiwillig zum Dienst, als der Zweite Weltkrieg ausbricht. Er wird Bombenschütze des Army Air Corps und fliegt als Second Lieutenant zahlreiche Einsätze über dem Pazifik. Doch  während einer Rettungsmission im Südpazifik erleidet Louies Flugzeug einen Motorschaden und stürzt in den Ozean. Louie und zwei andere Überlebende – Russell Allen „Phil“ Phillips, der Kapitän der Maschine, und Sergeant Francis „Mac“ McNamara, der Heckschütze – treiben wochenlang auf einem Schlauchboot im offenen Meer, bis sie nach 47 Tagen von der japanischen Marine aufgegriffen und in ein Kriegsgefangenenlager gesperrt werden…

Kritik

Angelina Jolie durchläuft seit über 30 Jahren so etwas wie eine Vorzeigekarriere. Als Schauspielerin in mal mehr („Der fremde Sohn“) , mal weniger („The Tourist“) anspruchsvollen Produktionen festigte sich nach und nach ihr Stand als Hollywoodstar. Ihre weitestgehend skandalfreie Beziehung zu Kollege Brad Pitt, den sie am Set zur Actionkomödie „Mr. und Mrs. Smith“ kennenlernte und im vergangenen Jahr ehelichte, einhergehend mit der Gründung einer mittlerweile achtköpfigen Großfamilie, erwecken den Anschein ihres Daseins als Powerfrau, die mühelos Arbeit und Privatleben unter einen Hut bekommt; Und mit ihrer Ernennung zur UNO-Sonderbotschafterin schaffte es auch Jolies humanitäres Engagement in die Schlagzeilen, sodass all diese Umstände zeitweise in den Schatten stellten, dass insbesondere solche Verpflichtungen wie für die „Tomb Raider“-Reihe nicht unbedingt zu den schauspielerischen Hochphasen der Aktrice gehören. Mit ihrer ersten Regiearbeit, dem Kriegsdrama „In the Land of Blood in Honey“ hagelte es darüber hinaus harsche Kritik weltweiter Brancheninsider, doch ermutigt von ihrem ungebrochenen Willen, ganz besondere Schicksale auf die Leinwand zu bannen, legt Jolie mit „Unbroken“, der wahren Geschichte über den italienischen Olympioniken Louis Zamperini, nun nach.

Unbroken

Bereits lange vor ersten Sichtungen war sich in den USA so ziemlich jeder Oscar-Berichterstatter darin sicher, das dramatische Biopic würde die Oscar-Saison 2014/2015 so richtig aufmischen, nahezu die cineastische Welt verändern. Doch Pustekuchen! Schon die Golden-Globe-Jury hat sich von der oberflächlichen Betrachtungsweise dieses aufdringlichen Rührstücks nicht beirren lassen und „Unbroken“ in keiner Kategorie berücksichtigt. Angelina Jolie wird dieser Umstand herzlich egal sein. Trotz einer dilettantischen Inszenierung kann man ihr nicht absprechen, dass es ihr wohl ausschließlich darum ging, eine sie selbst berührende Geschichte mithilfe des Mediums Kino so vielen Menschen wie möglich näher zu bringen. Doch so lobenswert dieser Ansatz auch sein mag: Die mangelhafte Umsetzung ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich eine ehrliche Betrachtungsweise der Geschichte erhoffen, denn Angelina Jolie macht ihren Helden nicht bloß zur Lichtgestalt, sondern kommt nicht umher, diesen auch noch dummdreist zu einer Form des modernen Jesus Christus zu erheben. Zwar ist es ohnehin fraglich, ob das Schicksal, das abertausende von Menschen ereilte, anhand eines einzigen Mannes erzählt werden sollte, bloß weil dieser einst schneller laufen konnte, als seine Mitstreiter, doch abgesehen von dieser Grundsatzfrage hat „Unbroken“ nicht bloß ein oberflächliches Drehbuch zu bieten, sondern ist auch handwerklich kein Film für die große Leinwand respektive die große Preisverleihung. Sogar die Wahl der Akteure erweist sich – mit einer Ausnahme – als Fehlentscheidung, da die Produktion mit weitestgehend unbekannten Gesichtern zwar ihre Authentizität wahren könnte, jedoch von keinerlei schauspielerischem Know-How profitieren kann. „Unbroken“ sieht über seine 120 Minuten nicht nur durchgehend nach Film aus, deren Kulissen beim kleinsten Fingerschnipp umkippen könnten. Auch die Darstellerleistungen beschränken sich auf oberflächliche Gefühlsduselei, was aber zum Großteil ebenfalls dem schwachen Skript geschuldet ist.

Mit dem Autorenduo Joel und Ethan Coen („Inside Llewyn Davis“) lässt sich gut werben, sodass Angelina Jolie die preisgekrönten Schriftsteller vorab anheuerte, ihr Biopic-Projekt auf inszenatorischer Ebene zu beaufsichtigen. Dabei stammt das Drehbuch selbst eigentlich von zwei ganz anderen Schreibern. Richard LaGravanese („Beautiful Creatures“) und William Nicholson („Mandela – Der lange Weg zur Freiheit“) passten die von Laura Hillenbrand („Seabisquit – Mit dem Willen zum Erfolg“) verfassten Memoiren Louis Zamperinis den Leinwandverhältnissen an; die Coens hingegen durften dem Skript den letzten Schliff verpassen. So wundert es kaum mehr, dass „Unbroken“ nicht ansatzweise etwas mit den kultig-intelligenten Werken der Urheber von „Fargo“, „No Country For Old Men“ und Co. zu tun hat, denn Jolies Streifen schaut sich vielmehr wie die Satire auf einen Spielberg-Epos. Ärgerlich nur, dass die Regisseurin und Maleficent-Darstellerin ihr Leinwandgeschehen entsetzlich ernst nimmt. Doch bevor ihr Werk im obligatorischen Patriotismus-Gewäsch ersäuft und Jolie im visuellen Rausch dazu übergeht, Szenenbilder zu kreieren, die aus Louie Zamperini so etwas machen wie einen Halbgott, wenn nicht gar einen direkten Nachfahren Jesu, kämpft sich das Publikum durch billige Szenenbilder und eine Geschichte ohne Nähe, sodass Emotionen gar nicht erst entstehen können. Dass die Macher dieses Defizit dann eben mit purem Kitsch auszubessern versuchen, soll an dieser Stelle als erwartungsgemäße Randerwähnung ausreichen.

Unbroken

Louis und seine überlebenden Mitstreiter müssen 48 Tage auf hoher See auf Hilfe hoffen, eh sie von der japanischen Marine aufgegriffen werden.

Der im Hollywoodgeschäft noch weitgehend unerfahrene Jack O’Connell („Hautnah – Die Methode Hill“) mimt den Protagonisten Louis Zamperini, der abgesehen von seinem ungebrochenen Überlebenswillen in Gänze ohne Profil auskommen muss. So peitscht Angelina Jolie bereits in den ersten zehn Minuten quer durch das Vorzeigeleben eines später geläuterten Problemkindes, doch für mehr als eine oberflächliche Betrachtung der Figur reicht es nicht. Kein Wunder: Die Skriptautoren lassen zwar allerhand pseudointensive Dialoge auf den Zuschauer los, doch über Westentaschenpsychologie und den inhaltlichen Mehrwert von gängigen Motivationspostern gehen derlei Ausrufe der Marke „Ein Moment der Qual für ein Leben voller Ruhm!“ nicht hinaus. O’Connell hat entsprechend kaum Möglichkeiten, aus seinem Können zu schöpfen. Doch selbst eine solch grob gezeichnete Figur scheint dem gebürtigen Briten mehr abzuverlangen, als zu geben er in der Lage ist. Der Schauspieler bleibt blass, unauffällig und in manchen Momenten schier überfordert. Intuitives Agieren sieht man nicht. Stattdessen erhält man jederzeit den Eindruck, O’Connell rufe sich ständig seinen auswendig gelernten Text ins Gedächtnis zurück. Ebenso verhält es sich mit sämtlichen Figuren, die nie ansatzweise über ein Stereotypendasein hinauskommen. Einzig der aus „Alles eine Frage der Zeit“ bekannte Domhnall Gleeson versprüht so etwas wie Lebensechtheit, ist als Nebencharakter in den wirklich entscheidenden Momenten des Geschehens jedoch ohnehin nicht zu sehen.

Unbroken

Angelina Jolie erzählt ihren Film in mehreren Etappen. Von der ersten Phase, die Zamperini als Jugendlichen und Athlet zeigt, über die wohl interessanteste Passage auf hoher See, die trotz ihrer inszenatorischen Ideenlosigkeit noch am intensivsten daherkommt, bis hin zur Zeit der Haft im japanischen Gefangenenlager müht sich die Regisseurin sichtlich ab, jedes dieser Drittel in einem anderen Ton zu gestalten. Ob Coming-Of-Age-Film, Abenteuer oder Kriegsdrama: Jeder Moment von „Unbroken“ ist von solch kalkulierter Berechenbarkeit, dass man trotz Jolies persönlicher Faszination für die Geschichte kaum mehr glauben mag, dass die Regisseurin hier in Gänze ohne den Plan vorgegangen ist, nicht vielleicht doch für diverse Awards nominiert zu werden. Das dramatische Biopic versucht mit plump in Szene gesetztem Patriotismus und Zamperinis religiös motiviertem Verhalten aufzurütteln, wo es schon so viele versuchten und ist darauf aus, bloß Niemandem auf den Schlips zu treten. So werden, ganz nach dem Geschmack des konservativen Publikums, ebenjene Feindbilder geschürt, wie sie seit Jahrzehnten durch ähnliche Filme geistern – und es wird somit zwangsläufig nichts Neues erzählt. Selbst auf der technischen Ebene greift die Macherin mit Alexandre Desplat („The Imitation Game“) und Roger Deakins („Prisoners“) so berechnend auf ebenjene Künstler zurück, die geschichtsträchtigen Stoff aus dem Effeff beherrschen, dass der fade Beigeschmack ob der provokant-drappierten Inszenierung noch verstärkt wird.

Fazit: Angelina Jolies zweite Regiearbeit „Unbroken“ ist keine ehrliche Hommage an einen mutigen Mann, sondern der Versuch, eine eigentlich interessante Geschichte mit billigsten Mitteln zu einer modernen Bibelparabel zu erheben. Geholfen ist damit niemandem und auch ein Louis Zamperini hätte angesichts solch einer weichgespülten Lobpreisung kaum Gefallen an dem Projekt gefunden. Und mit dem dummdreisten Appell daran, dass nur, wer vergibt zu einem zufriedenen Menschen wird, schlägt Jolies Werk dem Fass in der buchstäblich letzten Szene  endgültig den Boden aus.

„Unbroken“ ist ab dem 15. Januar bundesweit in den Kinos zu sehen.

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