Madame Mallory und der Duft von Curry

Der Roman „Madame Mallory und der kleine indische Küchenchef“ von Richard Morais ist wie geschaffen für den schwedischen Filmemacher Lasse Hallström, dessen Filme nicht selten pures Wohlfühlkino sind. Dass stilsichere Regieführung jedoch nicht alles ist, macht MADAME MALLORY UND DER DUFT VON CURRY nur allzu deutlich. Denn auch, wenn der Film ein Erlebnis für die Sinne ist, hat er im Storytelling unübersehbare Schwächen. Mehr zum Film in meiner Kritik. 

Der Plot

Hassan Kadam (Manish Dayal) ist ein junger, talentierter Koch mit dem Äquivalent zum „absoluten Gehör“ – dem „absoluten Geschmack“. Angeführt von Familienoberhaupt „Papa“ (Om Puri) verlässt die Familie Kadam ihre Heimat Indien und landet dabei über Umwege in dem idyllischen Dörfchen Saint-Antonin-Noble-Val im Süden Frankreichs – genau dem richtigen Ort, um ein indisches Restaurant zu eröffnen. Das wiederum gefällt Madame Mallory (Helen Mirren) gar nicht: Die unterkühlte Französin ist Chefin des „Le Saule Pleureur“, einem mit dem Michelin Stern ausgezeichneten Restaurant, nur wenige Schritte entfernt von dem neuen, lebhaften indischen Lokal der Familie Kadam. Und so findet Hassan sich plötzlich in einer handfesten Restaurantfehde zwischen seiner indischen Großfamilie und ihrem „Maison Mumbai“ auf der einen Seite und der alteingesessenen Madame Mallory auf der anderen Seite wieder. Bis sich Hassans Leidenschaft sowohl für französische Haute Cuisine als auch für Madame Mallorys bezaubernde Sous-Chefin Marquerite (Charlotte Le Bon) vereint mit seiner wunderbaren Gabe, die Köstlichkeiten beider Kulturen zu verbinden und Saint-Antonin-Noble-Val mit unwiderstehlichen Aromen zu durchdringen, die selbst Madame Mallory nicht ignorieren kann.

Kritik

Es gibt Regisseure, deren Namen so etwas wie einem Genre-Versprechen gleich kommen. Wer auf einen Film von Alexandre Aja zurückgreift, wird kaum sich verliebenden Teenagern zuschauen mögen und all jene, die sich bei Michael Bay über zu viele Explosionen beschweren, haben vorab wohl nicht genau über ihre Auswahl nachgedacht. Bei dem schwedischen Filmemacher und Drehbuchautor Lasse Hallström verhält es sich ähnlich. Dies hängt nicht unbedingt damit zusammen, dass der 58-jährige ABBA-Fan schon zweimal mit dem Kitschbuchautor Nicolas Sparks zusammengearbeitet hat, sondern vor allem damit, dass Hallström, Inszenator von Filmen wie „Chocolat“, „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ sowie „Lachsfischen im Jemen“ ohnehin eher ein Freund der leisen Töne ist. Seine Projekte eint zumeist die genaue Beobachtungsgabe von Alltagsszenarien. Richard Morais‘ „Madame Mallory und der kleine indische Küchenchef“, die Grundlage für Hallströms neuste Romanverfilmung, scheint da wie geschaffen für den elegant-peniblen und doch federleichten Inszenierungsstil des Skandinaviers. Sich dessen bewusst gehören zu den Produzenten niemand Geringeres als Hollywood-Mogul Steven Spielberg („Lincoln“) sowie die Talk-Legende Oprah Winfrey („Precious – Das Leben ist kostbar“), die dabei halfen, die Culture-Clash-Dramödie zum Leben zu erwecken. Unter dem abgewandelten Titel „Madame Mallory und der Duft von Curry“ erscheint mit Hallströms einundzwanzigster Langfilm-Arbeit zwar nicht sein bestes Werk, aber immerhin eines, das einmal mehr zu Urlaubsschwelgereien einlädt – und sich somit bestens als sommerliches Feel-Good-Movie eignet.

Lasse Hallström widmet sich in „Madame Mallory und der Duft von Curry“ nicht zum ersten Mal der modernen Völkerverständigung. In „Lachsfischen im Jemen“ trafen ein steifer Brite und ein angelnder Scheich aufeinander und in „Chocolat“ mimte Juliette Binoche eine temperamentvolle Mexikanerin, die mit ihren schokoladigen Delikatessen ein verschlafenes Dörfchen in der französischen Provinz aufmischt. Auch die vom Schicksal gebeutelten Durchschnittstypen haben es dem Schweden angetan: In „Gilbert Grape“ steht der geistig behinderte Arnie im Mittelpunkt, dessen größte Herausforderung es ist, den Alltag zu meistern, „Save Haven“ erzählt von der hübschen Katie, die nach einem Schicksalsschlag Schutz in einem verschlafenen Küstenstädtchen sucht und in „Ein ungezähmtes Leben“ wird Morgan Freeman das Opfer eines Bärenangriffs. Drehbuchautor Steven Knight („No Turning Back“) vereint in „Madame Mallory und der Duft von Curry“ direkt beide Faktoren. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die indische Großfamilie Kadam auf der einen und die französische Restaurantchefin Madame Mallory auf der anderen Seite. Nach einem folgenschweren Zwischenfall in der Heimat sieht sich die Familie Kadam gezwungen, nach Europa zu reisen und sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Dass der Weg dorthin mit allerlei Schwierigkeiten gepflastert ist, versteht sich angesichts der gängigen Hollywood-Dramaturgie von selbst; auch das Formen einer brachialen Gegenseite – in diesem Fall die der steifen Feinschmeckerin – ist nicht neu. Doch stilsicher, wie Lasse Hallström auf seinem Gebiet nun einmal ist, gelingt es dem Filmemacher, aus der vorhersehbaren Story das Optimum an Raffinesse herauszuholen und macht „Madame Mallory und der Duft von Curry“ somit immerhin zu einem Erlebnis für die Sinne.

Ihm zur Seite steht ein Cast, dessen Charme in den meisten Fällen darüber hinwegtrösten kann, dass sämtliche Charaktere äußerst formelhaft geraten sind und die Story bevorzugt auf gängige Genre-Klischees zurückgreift. Überraschungen sollte man von der Produktion dementsprechend nicht erwarten, doch vor allem Helen Mirren verleiht „Madame Mallory und der Duft von Curry“ Herzlichkeit und rauen Charme. Neben einer süffisanten Spitze in Richtung ihrer Oscar-prämierten Queen-Performance spielt die britisch-russische Aktrice gewitzt mit den Sympathien und Antipathien des Publikums. Dabei werden ihrer flotten Zunge auch ebenjene Dialoge zuteil, die es mit der Political Correctness nicht ganz so genau nehmen, aber derart augenzwinkernd, wie die Dialoge in Steven Knights Skript hier angelegt sind, kann man Madame Mallory geschweige denn Helen Mirren ihre verbalen Rundumschläge kaum übelnehmen. Der vornehmlich in indischen Produktionen auftretende Schauspieler Om Puri („Gandhi“) weiß sich mit breiter Brust gegen die Sticheleien der Französin zur Wehr zu setzen und ist selten um Gegenschläge verlegen. Dadurch besticht „Madame Mallory und der Duft von Curry“ durch die Augenhöhe, auf der sich die beiden Kontrahenten begegnen und hat ebenso kreative wie dynamische Dialoge zusätzlich auf seiner Seite.