Chroniken der Unterwelt – City of Bones

Alle Wochen wieder erhebt sich ein neues Jugend-Franchise aus den internationalen Filmstudios. In diesem Fall traf des die Romanreihe CHRONIKEN DER UNTERWELT der US-Amerikanischen Schriftstellerin Cassandra Clare, die mit der Story um Dämonen und Co. ihr Debüt ablieferte. Ob der erste Teil der Romanverfilmung geglückt ist, oder ob die bislang eher mau ausgefallenen Einspielergebnisse, die eine Fortsetzung – trotz Ankündigung – bislang noch infrage stellen, gerechtfertigt sind, lest Ihr in meiner neusten Kritk.

Der Plot

Clary Fray (Lily Collins) kommt durch Zufall einem Familiengeheimnis auf die Spur: Nachdem die 16-jährige immer wieder merkwürdige Zeichen malt, mit deren Bedeutung sie nichts anfangen kann, macht sie die Bekanntschaft mit dem geheimnisvollen Jace (Jamie Campbell Bower), der sie davon in Kenntnis setzt, dass sie einer Gruppe von Halbengel-Kriegern, den sogenannten Schattenjägern, angehört. Gemeinsam mit ihrem besten Freund Simon bringt Jace Clary nach Downworld – einer Parallelwelt zu New York, die von Dämonen, Werwölfen und anderen übersinnlichen Kreaturen. Als Clarys Mutter  von dem abgrundtief bösen Valentine entführt wird, sieht sie sich gezwungen, sich gemeinsam mit Jace und den Jägern Alec und Isabelle auf die Suche nach ihm zu machen. Der hat es auf ein geheimnisvolles Artefakt abgesehen, über dessen Verbleib nur Clary etwas wissen kann…

Kritik

Der durch „Harry Potter“ ausgelöste Jugendmystery-Hype scheint ungebrochen. Ob bereits abgeschlossene Franchises wie jene um besagten Zauberlehrling oder „Twilight“, aber auch jüngste Bestseller-Adaptionen wie die unentschlossene Gothik-Hexenstory „Beautiful Creatures“, der gelungene, deutsche Beitrag „Rubinrot“ oder die liebevolle Zombie-Romanze „Warm Bodies“ stillen nach wie vor den Durst nach schmalzig-kitschiger Teenager-Unterhaltung mit übernatürlichem Touch. Manche mehr, manche weniger erfolgreich. Mit Cassandra Clares bislang fünf Romane umfassenden Reihe „Chroniken der Unterwelt“ nimmt nun ein weiterer Anwärter Kurs auf den Teenie-Thron des Schmonzetten-Kinos.

Ganze 130 Minuten umfasst die wuchtige Verfilmung des ersten Bandes aus der „Chroniken der Unterwelt“-Reihe, der den Titel „City of Bones“ trägt. Kein Wunder, beinhaltet das Buch doch nicht weniger als rund 500 Seiten. Dass in der Leinwandvariante somit zwangsläufig Einiges an Inhalt auf der Strecke bleiben muss, ist selbstredend. Harald Zwart („Karate Kid“) löst diese Schwierigkeit, indem er sich kaum Zeit für eine lange Einführung nimmt. Stattdessen nutzt er die ersten zwanzig Minuten, um diverse Charaktere einzuführen, ohne ihren Hintergrund näher zu betrachten. Er klassifiziert grob in „Menschen“ und „Schattenjäger“ und lässt seine Protagonisten dieselbe oberflächliche Sicht auf die handelnden Personen einnehmen. Unter der einen, beziehungsweise der anderen Spezies kristallisieren sich im Laufe von weiteren dreißig Minuten langsam die Guten und Bösen heraus. Für andere charakterbildende Feinheiten war in der ersten Stunde offenbar kein Platz. So scheint es Clary kaum zu überraschen, dass sie seit ihrer Geburt kein Mensch ist und eine Welt jenseits der ihr bekannten existiert. Als ahnungslose Mundi – wie Menschenwesen im Schattenjäger-Slang genannt werden – reagiert sie ebenso selbstverständlich wie als Dämonenjägerin. Monster, Vampire und Werwölfe nimmt sie allenfalls mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Gleiches gilt für ihren besten Freund Simon, der ihr treudoof hinterherläuft und all die Informationen zur Schattenwelt ebenfalls als selbstverständlich hinnimmt. Sämtliche Schattenjäger präsentieren sich nicht nur optisch im Einheitslook, sondern bilden lediglich eine große, gothik-schwarze Darsteller-Masse. Zu mehr als „ein Teil der Schattenjäger“ kann sich – bis auf der schrecklich desinteressiert wirkende Jamie Campbell Bower alias Jace  – keiner der einzelnen Darsteller herausstellen. Dafür sind die Charakterzüge zu schwammig, die einheitliche Gesinnung zu austauschbar.

Genauso eilig wie es Zwart mit der Einführung seiner Figuren hat, hat es der Plot damit, voranzuschreiten. Nicht nur, dass kaum eine Szene ohne die Einführung einer neuen, magischen Kraft oder eines Geheimnisses auskommt; es ist vor allem das, selbst für Blockbuster untypisch, rasende Tempo der Erzählung. Dabei gelingt es dem Regisseur jedoch, die Zeitsprünge zwischen den einzelnen Szenerien übersichtlich zu gestaltet und verhindert so, dass das Publikum den Überblick verliert. Dies kann man von den einfach, aber wirkungsvoll inszenierten Action-Szenen nicht behaupten. Viel zu oft folgt „Kon Tiki“-Kameramann Geir Hartly Andreassen dem Trend zu verwackelten Close Ups, die durch eine extrem schnelle Schnittfolge noch einmal an Tempo gewinnen. Dies führt nur allzu schnell dazu, dass sich das Publikum während der Kämpfe im Getümmel verliert und schon bald nicht mehr weiß, wer gegen wen kämpft und vor allem, wer über wen dominiert. Dies lässt zu, dass sich diverse Kampf-Sequenzen unangenehm ziehen.

Wo sich die Action zieht, kommt vor allem die romantische Seite von „City of Bones“ viel von dem abnormalen Tempo zu spüren, mit welchem Jessica Postigo, die zwei Jahre damit verbrachte den ersten „Chroniken der Unterwelt“-Roman in ein Drehbuch umzuformen, die Story vorantreibt. Die Szenen, in der zwischen Clary und Jace langsam eine Liebesbeziehung aufkeimt, kann man nahezu an einer Hand abzählen. Umso unfreiwillig komischer gerät dementsprechend der Sprung von der übertrieben in Szene gesetzten „First Kiss“-Szene zur ersten Eifersucht-Dramatik: Zwischen beiden Szenerien vergehen nicht einmal fünf Minuten und schon in der zweiten wird von „ewiger Liebe“ gesprochen. Der Teil der Zuschauer, der sich dementsprechend vor allem für die Liebesgeschichten und weniger auf die übernatürlichen Thematiken interessiert, könnte davon enttäuscht werden, wie die Macher mit Cassandra Clares Romanvorlage umgegangen sind.

All jene, die es vor allem aufgrund der Mystery-Elemente in den Kinosaal zieht, kommen in „Chroniken der Unterwelt“ voll auf ihre Kosten. Die an Serien wie „Supernatural“ und „Grimm“ erinnernden Gestalten, wie sich in ekelige Ungetüme transformierende Hunde und angsteinflößende Dämonen, sind – trotz des geringen Budgets von gerade einmal 60 Millionen Dollar – qualitativ ordentlich animiert und fügen sich perfekt in die auch ansonsten ansehnlichen und elegant gefilmten Bilder. Dass man sich bei der Vermarktung hauptsächlich auf die „Twilight“-Zielgruppe konzentriert, wird jedoch gerade in den düsteren Passagen deutlich: Während der gesamten 130 Minuten fließt nicht ein Tropfen Blut. Die mehrmals eindeutig auf der Hand liegenden Schockeffekte halten sich in Grenzen. Auch der in der Antagonistenrolle des Valentine souverän agierende Jonathan Rhys Meyers schafft es nicht, seiner als Darth-Vader-Kopie angelegten „Ich-bin-dein-Vater-Figur“ etwas Bedrohliches einzuverleiben. Dennoch ist seine noch eine der stärksten Leistungen im gesamten Ensemble. Neben den eher gelangweilten Hauptdastellern Lily Collins („Spieglein, Spieglein“) und Jamie Campbell Bower („Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht, Teil 2“) überzeugt vor allem Robert Sheehan („Die Tudors“) als liebenswürdiger Freund von Clary.

Insgesamt kristallisiert sich „Chroniken der Unterwelt“ trotz diverser Schwachpunkte schließlich dennoch als ein potentieller Jugendhit heraus. Auch wenn Harald Zwart im Auftakt zur Reihe mitnichten alles gelingt, hat er es geschafft, einen Einstieg in die Schattenjäger-Welt zu kreieren, bei der sich eine Fortsetzung lohnen würde. „City of Bones“ präsentiert sich als extrem kurzweiliger Mix aus „Supernatural“ und „Twilight“, lässt viel von dem Teenie-üblichen Kitsch vermissen und wirft einige Fragen auf, deren Antworten es sich in einer Fortsetzung herauszufinden lohnt. Verlassen sich die Autoren ab dem zweiten Teil auf die Stärken der Romane und riskieren es, einige der unwichtigen Passagen, den Highlights zuliebe, wegzulassen, könnte dies der Geschichte viel von ihrer bemängelten Hektik nehmen. Geht Zwart zudem noch genauer bei der Auswahl der Musik vor und verlässt sich nicht auf einen billigen Hans-Zimmer-Verschnitt sowie allzu melaodramatische Ausflüge in die Pop-Balladen-Ecke, könnte ihm mit dem zweiten Teil ein beachtliches Stück Mystery-Jugend-Kino gelingen. Die Ansätze sind klar zu erkennen.