Pain & Gain

Was versteht Michael Bay unter einem „intimen Projekt“? Das soll uns die Krawall-Komödie PAIN & GAIN – zu Deutsch: Schmerzen und Gewinnen“ – zeigen, mit der der Regisseur, ein paar Monate vor dem vierten Teil seiner „Transformers“-Reihe eine wirklich wahre Geschichte in einen seiner typischen Blockbuster-Outfits kleidet. Ob dieser Versuch gelingt, oder ob er gnadenlos scheitert, lest Ihr in meiner heutigen Kritik.

Der Plot

Dem vorbestraften Bodybuilder Daniel Lugo (Mark Wahlberg) gelingt es mit viel Anstrengung, das heruntergekommene Fitnesscenter „Sun Gym“ wieder aufzubauen. Einen direkten Lohn erhält er dafür nicht. Tag für Tag rackert sich der durchtrainierte Fitnessfreak ab, ohne dass dabei viel Geld abspringt. Frustriert besucht er ein Seminar des Selfmade-Mans Johnny Wu (Ken Jeong), der ihn zu der Erkenntnis gelangen lässt, ab sofort als „Doer“ durchs Leben zu gehen. Zusammen mit seinen Kollegen Paul (Dwayne Johnson) und Adrian (Anthony Mackie) schmiedet Daniel einen Plan: Er will seinen reichen Kollegen Victor Kershaw entführen und aus ihm sein ganzes Erspartes herausfoltern. Der Plan scheint zu gelingen, doch ausgerechnet mit dem Versuch, Kershaw zu beseitigen, fangen die Probleme erst an. Denn Was die Jungs in den Armen haben, fehlt ihnen im Kopf…

„Seien Sie kein Schwacher, seien Sie ein Macher!“

Kritik

Bevor Michael Bay im nächsten Jahr erneut sich transformierende Auto-Ungetüme actionreich in Szene setzt, widmete sich der Spezialist im Krach-Wumm-Genre eines, für ihn, intimeren Projekts. Dabei stammt letztere Bezeichnung einzig und allein vom Regisseur selbst. Wirklich intim fiel seine mit Mark Wahlberg und Dwayne Johnson passend besetzte Bodybuilder-Farce „Pain & Gain“ nämlich nicht aus; ganz im Gegenteil. Bay bleibt sich seines gewöhnungsbedürftigen Stils treu, setzt erneut auf sich in Detailverliebtheit verlierende Aufnahmen, gepaart mit dem typischen Blockbuster-Hochglanzlook in grellen Farben und einer ordentlichen Portion Patriotismus. Dass derartige technische Spielereien eine Geschichte ummanteln, die tatsächlich und nicht nur der PR-Abteilung zufolge auf einer wahren Begebenheit beruht, sondern zudem eigentlich eines nihilistischen, fast sadistischen Tonfalls bedürft hätte, interessierte den Filmemacher nicht. Aus einer einstmals an Brutalität kaum zu übertreffenden Tour de Force macht Bay eine schillernde Actionkomödie, angesiedelt vor der sonnengetränkten Kulisse Miamis.

Die Drei von der Tankstelle

Dass er sein Projekt dennoch nicht der Lächerlichkeit preisgibt, liegt an der Konsequenz, mit der  er das Drehbuch von Christopher Markus und Stephen McFeely („Captain America“) verfilmte. Ob in den eindeutig komödiantisch ausgerichteten Momenten, oder denen, die den Verdacht aufkommen lassen, Bay liefert hier (ungewollt?) eine Sezierung des amerikanischen Traums ab: Der radikale, bissige Tonfall bleibt durchgehend bestehen und nimmt dabei zwar einerseits keine Rücksicht auf Verluste, trägt andererseits jedoch viel zur Durchschlagskraft des Streifens bei.

Ganz gleich, ob man es für mutig oder respektlos befindet: Michael Bay präsentiert uns das sadistisch veranlagte Entführer-Trio als unterbelichtete Ganovenclique und geht dabei relativ schmerzfrei vor. Dass sich die im Film ablaufenden Ereignisse tatsächlich so ereignet haben, lieferte zwar den Grundstoff für die Story und den Handlungsaufbau, dennoch lässt Bay keine Gelegenheit aus, die muskelbepackten Fitnessfreaks durch den Kakao zu ziehen und sie mit ihrer nicht vorhandenen Intelligenz ordentlich vorzuführen. Dadurch lässt er es zu, dass das Publikum nicht umher kommt, die liebenswerten Trottel an sein Herz wachsen zu lassen, wenngleich auch aus Mitleid; und das in einer ausschließlich Protagonist-artigen Weise, gleichwohl dies nicht selbstverständlich ist. Anders als Robin Hood nehmen die drei Bodybuilder das Geld von den Reichen, um es zu behalten – nicht um es den Armen zu geben. Zudem schrecken sie dabei vor Folter nicht zurück und nehmen es schlussendlich in Kauf, dass Tote ihren Weg pflastern. Böse Buben also, doch in „Pain & Gain“ nehmen sie die Gestalt waschechter Actionhelden an.