Awake

Ganze vier Jahre nach dem Netflix-Film „Kodachrome“ bringt Mark Raso seine nächste Regiearbeit heraus: In AWAKE kann plötzlich (nahezu) niemand mehr schlafen. Ob der Netflix-Thriller einen wirklich wachrüttelt, verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
An einem zunächst völlig normal ablaufenden Tag bringt ein urplötzliches, verheerendes Ereignis die Weltordnung durcheinander: Schlagartig gibt sämtliche Elektronik ihren Geist auf. Das allein wäre schon dramatisch genug. Doch in den nachfolgenden Stunden dämmert der Erdbevölkerung eine noch viel schlimmere Erkenntnis: Kein Mensch auf dem Erdenrund kann schlafen. Durch den nicht enden wollenden Schlafentzug werden die Menschen immer wahnsinniger und gewalttätiger, so dass selbst der Untergang der Zivilisation nur noch eine Frage der Zeit scheint. Inmitten dieses Chaos kämpft eine zweifache Mutter ums Überleben: Soldatin Jill (Gina Rodriguez) würde über Leichen gehen, um ihren Sohn Noah (Lucius Hoyos) und ihre Tochter Matilda (Ariana Greenblatt) zu beschützen. Und genau das muss Jill womöglich bald unter Beweis stellen. Denn als sich andeutet, dass Matilda nicht vom mysteriösen Schlafentzug betroffen ist, ruft das wohlmeinende sowie feindlich gesonnene Mitmenschen auf den Plan …
Kritik
Die Filmografien der Filmemacher hinter „Awake“ sind durchaus kurios. Die Story hinter dem Katastrophenthriller („Niemand kann mehr schlafen!“ sehen wir mal als globale Katastrophe) stammt von Gregory Poirier, der unter anderem am Historiendrama „Rosewood Burning“ über einen rassistischen Lynchmob, dem Zeitreiseabenteuer „A Sound of Thunder“ mit Armin Rohde, sowie an „Der König der Löwen 2: Simbas Königreich“ mitwirkte, zudem ist er mit „The Expendables 4“ beauftragt. Das Drehbuch wiederum stammt von Joseph Raso (eine Hälfte des Autorenduos Joseph Raso und David Light, das die Disney-Musicaltrilogie „Z-O-M-B-I-E-S“ verantwortet), der hierfür ausnahmsweise mit seinem Bruder Mark zusammenarbeitete. Der übernahm sogleich auch den Regieposten, auf den er nach seinem 2017 veröffentlichten Netflix-Film „Kodachrome“ (mit Ed Harris, Jason Sudeikis und Elizabeth Olsen) zurückkehrt. Na, war das nicht spannend? Egal, was nun eure Antwort ist, ich habe schlechte Nachrichten für euch, denn in allen möglichen Fällen lautet unsere Rückantwort: „Tja, dieser Blick hinter die Kulissen war schon das Spannendste an ‚Awake’“. Den Superlativen einiger der vielen, vielen Totalverrisse zum neuesten Netflix-Thriller würden wir uns nicht anschließen – als Mittel gegen Schlaflosigkeit erachten wir ihn nun wirklich nicht. Doch die Mischung aus ideenlos aneinandergereihten Klischees, haarsträubender Logik und unfreiwilliger Komik sorgt dennoch wahrlich nicht für Nervenkitzel. Sondern für eine Mischung aus Gleichgültigkeit und fremdschämigem Lachen.
So ist „Awake“ erschreckend wenig an seiner eigenen Prämisse interessiert: Kaum gerät der Plot so richtig ins Rollen, mutiert der Film zu einem Fließbandthriller über den Beginn einer Apokalypse. Gute, Böse und moralisch Undurchsichtige haben es auf Matilda abgesehen, sei es aus Neid, Misstrauen, guten Absichten oder unerklärlichen Motivationen. So beginnt für unsere Heldentruppe eine Reise von A nach B, bei der es gilt, Militär, Gangs und gefährlichen Einzelgängern aus dem Weg zu gehen. Dass dies in einer Welt spielt, in der niemand mehr schlafen kann, ist völlig nebensächlich – es könnte auch der nächste Coronapanik-Film im Stil von „Songbird“ sein, ein Film über eine Zombieapokalypse, in der ein Mädchen als wandelndes Antigen ins Visier Anderer gerät, oder ein filmischer Reboot der gefloppten Jon-Favreau-Serie „Revolution“ über eine Welt, in der schlagartig die Elektrizität verschwand. Abgesehen davon ticken in „Awake“ die Menschen unplausibel schnell durch, weil sie nicht schlafen können, und sämtliche „Wie versuchen sie, doch noch Ruhe zu finden?“-Fragen werden an den Rand gedrängt, um stattdessen mehr Laufzeit für pathetisch inszenierte Szenen zu finden, in denen Figuren urplötzlich von „übermüdet“ zu „wahnwitzige Killer wie auf einem Drogentrip“ switchen. Vom albern-kitschigen Ende, das Raso für volles Pathos melkt, und das wir hier aus Spoilergründen nicht konkreter nacherzählen wollen, ganz zu schweigen…
„Kaum gerät der Plot so richtig ins Rollen, mutiert der Film zu einem Fließbandthriller über den Beginn einer Apokalypse.“
Darüber hinaus ist „Awake“ einer dieser Filme, denen man andauernd anmerkt, dass sie mit einem größeren Budget im Kopf entworfen und inszeniert wurden: Statt das Maximum aus einem begrenzten Budget rauszuholen (was dem vergleichbaren „Bird Box“ beispielsweise durchaus gelang), sieht „Awake“ aus, als hätten alle Beteiligten gedacht, sie würden einen Big-Budget-Endzeitthriller drehen, nur um dann an sämtlichen Ecken und Kanten sparen zu müssen. Man sieht die Leere, man spürt die klaffende Divergenz zwischen filmemacherischer Vision und realem Budget. Inmitten dessen schultern zwei Personen den von platten Dialogen geplagten Film mit all ihrer Macht. Da wäre die erwachsene Hauptdarstellerin Gina Rodriguez („Deepwater Horizon“), die mit voller Überzeugung jeden noch so dämlichen Ratschlag, jede noch so seltsame Warnung und jeden egal-wie-rührseligen Moment der Verletzlichkeit ihrer Rolle auslebt und so eine kernige, tief in ihrem Inneren aber verletzliche, liebende Mutter abgibt. Und noch besser sticht die Jung-Hauptdarstellerin hervor, Ariana Greenblatt („Love and Monsters“). Szenen, in denen sie der unbestrittene Mittelpunkt ist, lassen dank Greenblatts emotionaler Authentizität durchschimmern, was aus „Awake“ hätte werden können. Hoffentlich bekommt sie demnächst bessere Rollen.
Fazit: „Awake“ ist ein zwischen unfreiwilliger Komik und träger Inspirationslosigkeit schwankender Endzeitfilm, der sein Konzept einer Welt ohne Schlaf denkbar austauschbar umsetzt.
„Awake“ ist ab sofort bei Netflix streambar.
Den hab ich in der Watchlist – demnächst mal testen…