Songbird

Der Katastrophenthriller SONGBIRD ist nicht der erste Film, der die Corona-Pandemie zu Werbezwecken nutzt. Aber es ist der erste, in denen das Covid-Virus selbst Erwähnung findet. Ob das geschmacklos oder von der Kunstfreiheit gedeckt ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Doch ganz unabhängig davon, ist das hier zwar ein faszinierender aber kein guter Film. Warum, das verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Im Jahr 2024 ist das COVID-19-Virus zum noch wesentlich gefährlicheren COVID-23-Virus mutiert. Die Welt befindet sich bereits in ihrem vierten Jahr des rigorosen Lockdowns. Infizierte Amerikaner:innen werden aus ihren Häusern gerissen und in Quarantänelager, sogenannte Q-Zones, gebracht, aus denen es kein Entkommen gibt. Doch einige mutige Seelen wehren sich gegen diese Unterdrückung. Inmitten dieser dystopischen Landschaft findet der furchtlose, gegen das Virus immune Kurier Nico (KJ Apa) Hoffnung in der Liebe zu Sara (Sofia Carson), obwohl der Lockdown ihnen den physischen Kontakt verbietet. Als Sara sich mit dem Virus angesteckt haben soll, rast Nico verzweifelt durch die kargen Straßen von Los Angeles, um einen Weg zu finden, sie vor der Inhaftierung zu retten…
Kritik
Seit über einem Jahr hält die Corona-Pandemie die Welt in Atem. Das geht natürlich auch an den Filmstudios nicht spurlos vorbei, die mit der Situation unterschiedlich umgehen: Während Warner Bros. 2021 eine Veröffentlichungsstrategie testet, für die der Konzern Filme zeitgleich in die Lichtspielhäuser und als VOD-Titel auf dem hauseigenen Streamingdienst HBO Max zur Verfügung stellt, hat Universal Pictures das Zeitfenster zwischen Kino-Release und Heimkinoveröffentlichung drastisch gekürzt und den ersten Part im Falle einiger Produktionen sogar ganz weggelassen. Doch Corona zwingt nicht nur die Wirtschaftssparte der Produktions- und Verleihfirmen zur Reaktion, die Verbreitung des COVID-Virus‘ dient einigen Filmschaffenden auch als kreativer Nährstoff für neue Projekte. Der von Michael Bays Produktionsfirma Platinum Dunes mitfinanzierte Katastrophenthriller „Songbird“ wurde damit beworben, der erste Spielfilm zu sein, der die Corona-Krise behandelt – und weiterspinnt. Wir möchten an dieser Stelle nicht darüber urteilen, inwiefern ein derart zügiges Vereinnahmen einer noch immer omnipräsenten Krise die Grenzen der Kunstfreiheit bloß auslotet oder gar sprengt. Man kann die filmische Aufbereitung einer wahren Tragödie auch dann in den Sand setzen, wenn man aus Anstandsgründen ein paar Jahre mit der Verfilmung wartet (uns käme da zum Beispiel „Utøya 22. Juli“ in den Sinn). Doch Regisseur und Co-Autor Adam Mason („Blood River“) ist auf jeden Fall längst nicht der Erste, der diese Idee hatte.
Neben „Songbird“ listet die Internet Movie Databas (IMDb) aktuell noch über zehn weitere Spielfilme, die sich mit dem Thema Corona befassen. Allein sieben von ihnen hören auf den von Gabriel García Márquez‘ Roman „Liebe in Zeiten der Cholera“ inspirierten Titel „Liebe in Zeiten von Corona“. Mostafa Keshvaris „Corona“ feierte seine Weltpremiere schon im August 2020 auf dem Rhode Island Film Festival. Und Ende Oktober wurde der erste britische Corona-Film „“ShoPaapaa“ einem breiten Publikum vorgestellt. „Songbird“ geht bei einem Budget von – je nach Quelle – zwischen 700.000 und 2,5 Millionen US-Dollar noch nicht einmal als „erste große Corona-Produktion“ durch – aber es ist zugegebenermaßen die erste mit einem aus den dafür verpflichteten Schauspieler:innen und den Namen hinter den Kulissen resultierenden Renommee. Mit Demi Moore („Die Akte Jane“), Bradley Whitford („Get Out“), Paul Walter Hauser („Der Fall Richard Jewell“), Peter Stormare („John Wick: Kapitel 2“), Craig Robinson („Table 19“), Alexandra Daddario („Baywatch“), Disney-Star Sofia Carson („Descendants – Die Nachkommen“) und K.J. Apa („I Still Believe“) ist der Film ein mit Hollywoodstars der ersten und zweiten Reihe gespicktes Vehikel, das im Anbetracht der von der echten Pandemie beeinflussten, schwierigen Produktionsumständen erst recht beeindruckend ist, dem Inhalt und der Inszenierung von „Songbird“ allerdings so gar nicht gerecht wird.
„Neben ‚Songbird‘ listet die Internet Movie Databas (IMDb) aktuell noch über zehn weitere Spielfilme, die sich mit dem Thema Corona befassen. Allein sieben von ihnen hören auf den von Titel ‚Liebe in Zeiten von Corona‘.“
Schon beim Versuch, all diese großen Namen (und noch viele weitere Darsteller:innen mehr) in einen eineinhalbstündigen Plot zu zwängen und jedem/jeder von ihnen einen immerhin halbwegs interessanten Hintergrund zu verpassen, gerät Adam Mason schwer ins Straucheln. Es hätte völlig ausgereicht, die durch die Pandemie zu Abstand gezwungenen Neu-Verliebten Nico und Sara zu den alleinigen Held:innen des Films zu machen und dabei zuzuschauen, wie es dem sportlichen Kurierfahrer gelingt, seine Liebste vor der Zwangseinweisung in ein Quarantänelager zu bewahren. Doch „Songbird“ erstreckt sich über mehrere, mitunter auf hanebüchene Weise konstruierte und zusammengeführte Subplots, die allesamt verschiedene Facetten der COVID-23-Pandemie veranschaulichen sollen. Sämtliche Figuren in „Songbird“ haben gemein, dass sie durch die allgemeine Ausgangssperre an ihr Haus gefesselt sind – doch während die einen als Händler mit gefälschten Immunitätsarmbändern (ohne diese darf man sich auf den Straßen der USA nicht frei bewegen) von der Krise profitieren – und mitunter merkwürdig-exzentrische Weltherrschaftsfantasien entwickeln – leben die anderen in Angst vor einem positiven Corona-Test, der sie ihrer Familie entreißen und über die Quarantänecamps in den sicheren Tod führen würde. Zwar sind all diese Subplots durchaus in der Lage, Angst vor einer tatsächlichen Eskalation der aktuellen Pandemie-Situation zu schüren, doch keinem einzigen von ihnen gelingt es, eine emotionale Verbundenheit zu den Figuren aufzubauen. Daran ändert weder eine durchgehend gelangweilt dreinblickende Demi Moore etwas, noch ein über alle Maßen überzeichnet aufspielender Bradley Whitford, dessen Handlungsstrang ihn als übergriffigen Liebhaber der deutlich jüngeren, von Alexandra Daddario verkörperten May zeigt, deren Beziehung auf ganz und gar unangenehme Weise (und natürlich irgendwie auch wegen Corona) aus den Fugen gerät.
Doch nicht nur die verschiedenen Figurenschicksale, von denen lediglich die sympathische Online-Freundschaft zwischen May und dem von Paul Walter Hauser gespielten Dozer ein klein wenig Gefühl ins Spiel bringt, haben abseits ihrer bemüht reißerischen Inszenierung nicht viel zu bieten. Auch die Weltenbildung in „Songbird“ konzentriert sich darauf, die ohnehin schlimmen Pandemie-Umstände aktueller Zeit ins Dystopische weiterzuspinnen. Kameraschwenks über leere Straßen, verrottete Freizeitparks, die aussehen, als stünden sie in der Todeszone Chernobyls und sensationsgierige Nachrichtenfetzen lassen das Szenario wie eine x-beliebige Katastrophe eines Hollywoodfilms aussehen, haben mit einer ernsthaften Verarbeitung der Corona-Krise jedoch nichts zu tun. Natürlich muss die Frage gestellt werden, ob das von den Macher:innen überhaupt intendiert war. Doch falls dem ohnehin nicht so war, hätte es für „Songbird“ keine Besinnung auf die Corona-Ursprünge bedurft. Stattdessen hätte ein fiktives Virus dasselbe filmische Chaos anrichten können. Nur wäre dann natürlich der Werbeeffekt als „erster Corona-Film“ – der, wie eingangs erwähnt, ohnehin bloße Behauptung ist – längst nicht so sehr gezogen.
„Die Weltenbildung in ‚Songbird‘ konzentriert sich darauf, die ohnehin schlimmen Pandemie-Umstände aktueller Zeit ins Dystopische weiterzuspinnen.“
Auch inszenatorisch ist „Songbird“ ein eher anstrengendes Unterfangen. Von den für Michael Bay typischen Hochglanzbildern ist hier nichts zu finden, stattdessen versucht sich Kameramann Jacques Jouffret („Mile 22“) an Nähe beabsichtigenden Handkameraaufnahmen, die für einen Found-Footage-Effekt zu hochwertig aussehen, so wie hier dargestellt allerdings wie unprofessionelles Herumgewackel wirken. Zwischendurch zeigen schwelgerische Panoramen das Ausmaß der Katastrophe. Es sind wenige Momente, in denen auch ganz unforciert ein Gefühl der Bedrohung entsteht. Einfach, weil die echte Pandemie noch überall präsent ist.
Fazit: Corona hin, Corona her – ganz gleich, wie man dazu stehen mag, dass Regisseur Adam Mason sich an einer noch längst nicht abgeklungenen Katastrophe bedient, um hieraus einen reißerischen Thriller zu machen, so ist „Songbird“ auch fernab dieser Diskussion kein guter Film. Ein lückenhaftes Skript, wahlweise uninteressante oder unsympathische Figuren sowie eine lieblose Inszenierung machen den Film zu seiner eigenen Katastrophe.
„Songbird“ ist auf US-amerikanischen Streamingplattformen als VOD erhältlich.