Deadly Illusions

Eine Schriftstellerin will ihre Schreibblockade beenden – doch holt sich mit ihrem neuen Kindermädchen nur noch größeren Ärger ins Haus. Ob der Netflix-Film DEADLY ILLUSIONS was aus dieser Idee macht, das verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Die Bestsellerautorin Mary (Kristin Davis) leidet unter einer Schreibblockade, obwohl ihr Verlag endlich einen neuen Roman von ihr möchte. Um mehr Zeit für’s Schreiben zu haben, stellt sie kurzerhand eine unschuldige junge Frau namens Grace (Greer Grammer) ein, die auf die Zwillingskinder von Mary und ihrem liebenden Gatten Tom (Dermot Mulroney) aufpassen soll. Als die Schriftstellerin sich ihrem neuen Bestseller hingibt, verschwimmt zügig die Grenze zwischen dem Leben, das sie schreibt, und dem, das sie lebt. So sehr, dass sich Marys beste Freundin Elaine (Shanola Hampton) große Sorgen um das Wohl des Paares macht …
Kritik
„Deadly Illusions“ ist ein stilistischer Rücksturz in die 1990er-Jahre: Der Thriller mit „Sex and the City“-Star Kristin Davis ist aus demselben Stoff gemacht wie die erotisch angehauchten Thriller „Die Hand an der Wiege“, „Basic Instinct“, „Sliver“, „Color of Night“ und Co. – er gehört also einem Subgenre an, das kurzzeitig für solide bis gute Einspielergebnisse sorgte, aber nur sehr selten die Gunst der Filmkritik für sich gewann. Der Untergang dieser kühlen, stets in irgendeinen Twist mündenden Erotikthriller dürfte mehrere Gründe haben: Der Markt wurde sehr schnell mit einer Vielzahl ähnlicher Filme übersättigt, sodass diese Filmgattung an Zugkraft verlor. Außerdem sorgte die zunehmende Verbreitung von Kabelsendern für andere Wege, um Spannungsgeschichten mit blanker Haut zu erzählen: Weshalb teuer einen Kinofilm drehen und scheu um ein NC-17-Rating tänzeln, wenn sich für dasselbe Publikum auch billige Kabelfilmchen und prestigeträchtige Kabelserien produzieren lassen – teils mit größeren Freiheiten? Und schlussendlich darf die Frage gestellt werden: Welches Argument haben Filme, die in den 1990ern noch mit „Man sieht einmal den blanken Schritt einer Schauspielerin aufblitzen!“ einen Hype generieren konnten, im Zeitalter der Internet-Pornografie noch auf ihrer Seite? Die Zuschauer:innen, die einst die 90er-Erotikthriller-Welle einzig aufgrund der blanken Körper mitritten, haben nunmehr ganz andere Quellen, um ihre Sehgelüste zu stillen. Doch gerade vor diesem Hintergrund ist ein in den 2020er-Jahren entwickelter Rücksturz in diese Genregefilde durchaus reizvoll: Was, abgesehen von reiner Nostalgie, hat man als Filmschaffende auf diesem Spielfeld zu bieten? Regisseurin und Autorin Anna Elizabeth James („Haven’s Point“) gibt mit „Deadly Illusions“ eine zunächst reizvolle Antwort, nur um im letzten Filmdrittel sämtlichen Gutwillen zu zerstören.
„Deadly Illusions“ eröffnet mit gutem Gespür dafür, was das Publikum erwartet: Das Geschehen spielt sich in einem weitläufigen, glänzend polierten Anwesen ab, das mit den vielen sich spiegelnden Flächen aus Glas, glatt schimmerndem Stein und Stahl große 90er-Erotikthriller-Vibes versprüht. James und ihr Kameramann Mike McMillin („Shared Rooms“) setzen zudem auf eine etwas flache, aber dennoch dem Cast schmeichelnde Lichtsetzung, die an „Wir sind kein Erotik-, sondern ein Lifestyle-Magazin, oh, und hier ist die Fotostrecke mit einem Star, der sich in Unterwäsche räkelnd Frühstück kocht“-Fotoshootings erinnert, wie sie für eine kurze Zeitperiode verwendet wurden, um Karrieren (neu) anzuschieben. James bereichert diese Bildsprache mit einem Gespür für Zurückhaltung: Sie inszeniert sinnliche Szenen wie ein Entspannungsbad, die Feierabenddusche, oder den verstohlen im Nebenraum eines Abendessens in Gesellschaft vollzogenen, ehelichen Sex mit einem Schwerpunkt darauf, was man nicht sieht. Manche werden es eine vom sogenannten Male Gaze befreite Antwort auf die 90er-Erotikthriller nennen, Andere eine kalkulierte Emulation des Genres für das heutige Zeitalter – wer heute einfach nur blanke Körper in Bewegung streamen möchte, ruft höchstwahrscheinlich nicht Netflix auf. Die Wahrheit ist wohl eine Kombination aus beiden Thesen, entscheidend ist aber das Ergebnis: „Deadly Illusions“ nimmt das Gewand einer Filmgattung, die oftmals nicht wusste, ob sie galant oder eben doch plump sein wollte, und streift die plumperen erotischen Passagen ab, was sogar auf inhaltlicher Ebene Sinn ergibt.
„James bereichert die Bildsprache mit einem Gespür für Zurückhaltung: Sie inszeniert sinnliche Szenen wie ein Entspannungsbad, die Feierabenddusche, oder den verstohlen im Nebenraum eines Abendessens in Gesellschaft vollzogenen, ehelichen Sex mit einem Schwerpunkt darauf, was man nicht sieht.“
Denn lange Zeit ist der treibende Motor von „Deadly Illusions“ der Umstand, dass Mary eine gute Autorin sein kann, oder eine Frau mit erfülltem Eheleben. Aber nicht beides. Um in einen Schreibfluss zu kommen, muss sie Abstand von ihrem Mann und ihren Kindern nehmen, und ihre Gedanken kreisen lassen – im Wissen, dass sie dabei maßlos übertreiben kann. Dass das Knistern in „Deadly Illusions“ unter anderem daraus besteht, wie Mary ihrem zugeknöpften Kindermädchen hinterher schaut, oder sie mit ihm während einer Schwimmrunde feurige Blicke zuwirft, James aber wegschneidet, bevor konkrete Dinge geschehen oder blanke Tatsachen zu sehen sind, passt zu Marys Charakterisierung. Und es verstärkt dieses ungewisse „Entsteht da was?“-Gefühl, auf dem die Suspense des Films fußt. James weiß nämlich – zunächst – auch erzählerisch die Erwartungen des Publikums einzuschätzen: Wer bei Netflix einen Film startet, der als „sinnlich“, „spannend“ und „Psychothriller“ beschrieben wird, wird unweigerlich von Anfang an rätseln, was denn der Plottwist am Ende sein dürfte. Mit dieser Erwartungshaltung spielt „Deadly Illusions“ keck, indem Dialoge oft vorwegnehmen, was sicher in den Köpfen des Publikums geschieht. Wenn die von Greer Grammer mit einer unwirklichen Spießigkeit und Freundlichkeit als neues Kindermädchen eintrifft, folgt bald darauf der Kommentar „Die kann nicht echt sein!“, was zwangsweise Zweifel an der Theorie „Alles nur Einbildung! Deshalb der Filmtitel!“ aufkommen lässt. Denn so tumb würde der Film doch nicht enden … oder? Und bevor man „Das mündet doch unweigerlich darin, dass die Neue im Haus zur Ehezerstörerin wird …“ denken kann, ist es Mary, die die scheue Grace um ihre straffen Brüste beneidet, und ihre Freundin Elaine um Einschätzung bittet, was davon zu halten ist, in der zweiten Lebenshälfte plötzlich gleichgeschlechtliche Fantasien zu haben.
So entsteht ein verworrenes Tauziehen, wer hier wen korrumpiert, denn Mary scheint Grace aus ihrer Komfortzone zu locken, doch Grace scheint auf Andeutungen zügiger Taten folgen zu lassen – und über all dem schwebt die schon besagte Unklarheit, wie viel davon Marys Wunschdenken ist, Marys Schreibmodus-Manie, und wie viel davon echt. Das schmälert den Spannungseffekt, wenn man eine Figur zum Mitfiebern sucht (schließlich bleibt lange offen, wen wir hier als Identifikationsfigur sehen sollen), treibt aber die Spannung für jene hoch, die sich mehr auf konzeptueller Ebene fesseln lassen („Worum geht es denn letztlich?“). Das kann, trotz einer ansehnlichen, dauernd wechselnde Machtverhältnisse zulassenden Chemie zwischen Davis und Grammer, jedoch keinen kompletten Film stemmen. Die immer plakativer und sperriger werdenden Dialoge sind schon Problem genug, doch vor allem gilt: Irgendwann muss der von Drum & Lace mit verzerrten Kindermelodien wie „Bruder Jakob“ unterlegte Thriller Antworten liefern. Und die sind in „Deadly Illusions“ denkbar dämlich. Der Film entgleist völlig, um sämtliche zuvor angerissenen thematischen und charakterlichen Ideen aufzugeben. Stattdessen übernehmen reißerische, mit maßlosem Overacting umgesetzte Thrillerklischees die Bühne, die einen Sturm an Logiklücken und haarsträubenden Entwicklungen auslösen. Und da die Auflösung nahezu gar nichts mit dem ganzen Set-up zu tun hat, brechen rückblickend auch der Anfang und die Mitte des Thrillers zusammen.
„Der Film entgleist völlig, um sämtliche zuvor angerissenen thematischen und charakterlichen Ideen aufzugeben. Stattdessen übernehmen reißerische, mit maßlosem Overacting umgesetzte Thrillerklischees die Bühne, die einen Sturm an Logiklücken und haarsträubenden Entwicklungen auslösen.“
Fazit: Ein Jammer! Kristin Davis und Greer Grammer hätten bei ihrer Chemie miteinander einen Film verdient gehabt, der daraus was macht, statt schlussendlich in pathetischen Klischees zu baden.
„Deadly Illusions“ ist ab sofort bei Netflix streambar.