Yes Day

Regisseur Miguel Arteta greift für seine Netflix-Komödie YES DAY auf außergewöhnliche Erziehungsmethoden zurück, indem er einem Elternpaar für 24 Stunden das Wort „Nein“ aus dem Wortschatz streicht. Auf den Spuren der ebenfalls von ihm inszenierten Comedy „Die Coopers“ entspinnt sich daraufhin kurzweiliges Chaos. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Allison (Jennifer Garner) und Carlos Torres (Edgar Ramírez) haben schon seit längerer Zeit das Gefühl, zu ihren Kindern und Kollegen immer nur „Nein“ zu sagen. Als sie daraufhin feststellen, zu ihren drei Sprösslingen kaum noch durchzudringen, beschließen sie, ihnen einen „Yes Day“ zu schenken. Eine neumodische Erziehungsmethode, von der sie durch Zufall erfahren und die angeblich ein deutlich entspannteres Zusammensein zur Folge hat. Laut den Regeln eines „Yes Days“ dürfen die Kinder 24 Stunden lang über den Alltag bestimmen. Ihr Eltern müssen auf einmal zu (fast) allem „ja“ sagen, das „Nein“ verschwindet vorerst aus dem Wortschatz. Die beiden ahnen nicht, dass dies zu einem unglaublichen Abenteuer rund um Los Angeles führen wird, das die Familie enger denn je zusammenschweißt.
Kritik
Wer dieser Tage nach der seit Mitte März auf der Streamingplattform Netflix zu findenden Familienkomödie „Yes Day“ googelt, der findet nicht nur jede Menge Informationen zu der Produktion selbst, sondern auch zunehmend Elternanfragen in Foren und auf Erziehungsplattformen, ob es einen solchen Yes Day tatsächlich gibt – respektive ob die im Film angedeutete, pädagogische Wirksamkeit bloß der Fantasie des Drehbuchautors Justin Malen („Dirty Office Party“) entstammt, oder ob an der Idee von den 24 Stunden, in denen die Eltern zu sämtlichen Wünschen ihrer Kinder „Ja“ sagen müssen, tatsächlich etwas dran ist. Die Antwort auf die Frage liegt in der Mitte. Tatsächlich basiert das Skript zu „Yes Day“ auf dem gleichnamigen Bilderbuch von Amy Krouse Rosenthal, die 2009 eine 40 Seiten starke Geschichte über die Idee eines Yes Days verfasste. Mittlerweile hat das Buch insbesondere in den USA zahlreiche Familien dazu inspiriert, einen solchen Yes Day einmal im Jahr zu zelebrieren. Inwiefern ein solcher Tag allerdings einen pädagogischen Mehrwert besitzt, darüber gibt es bislang (noch) keine Studien. Die Popularität des Yes Days dürfte sich in den kommenden Jahren dank der gleichnamigen Netflix-Verfilmung allerdings zunehmend verbreiten. Und wer weiß – vielleicht wachsen die nachwachsenden Generationen ja wirklich mit der Tradition auf, dass ihre Eltern einmal im Jahr zu (fast) allen Anliegen ihrer Kids „Ja und Amen“ sagen müssen!?

Allison (Jennifer Garner) und Carlos Torres (Edgar Ramírez) beim Elternsprechtag ihres Ältesten Nando.
Die Art und Weise wie die Idee für einen „Yes Day“ im Film aus der puren (wenngleich stark übertriebenen) Elternverzweiflung heraus geboren wird, erinnert an die Prämisse der 2011 erschienen Farrelly-Comedy „Alles erlaubt – Eine Woche ohne Regeln“. Darin erhalten Owen Wilson und Jason Sudeikis in ihren Rollen als Rick und Fred von ihren Ehefrauen einen einwöchigen Freibrief und dürfen in diesen sieben Tagen all das machen, was sie wollen – in der Hoffnung, dass alle vier anschließend von dieser Freistellung des Ehe- und Alltagstrotts profitieren. In „Yes Day“ geht es zwar nicht ganz so drastisch zur Sache, aber auch hier dominiert das Ziel, dass diese 24-Stunden-Auszeit der Eltern als permanente Nein-Sager und Spaßbremsen frischen Wind in den Familienalltag der Torres-Familie bringen soll – und dass jeder von anschließend ihnen umso mehr versteht, was er oder sie jeweils am anderen hat. Die Kinder an den Eltern, genauso wie andersherum. Diese zweifelsohne charmante Idee, die gleichsam jede Menge Potenzial für anarchischen Humor beinhaltet, wird von Regisseur Miguel Arteta („Lady Business“) allerdings nicht vollends ausgeschöpft. Das beginnt schon bei der Zeichnung seiner Protagonist:innen. Die Probleme der im Kern eigentlich äußerst harmonischen Familie beschränken sich hier auf Oberflächlichkeiten (dass die pubertierende Tochter nicht mit ihrer besten Freundin auf ein Musikfestival gehen darf, ist da schon der Gipfel des innerfamiliären Zwists). Dass hinter „Yes Day“ also weniger der pädagogische Anspruch als vielmehr der Spaß an der (im Großen und Ganzen kontrollierten) Eskalation steckt, versteht sich von selbst.
„Die Probleme der im Kern eigentlich äußerst harmonischen Familie beschränkt sich hier auf Oberflächlichkeiten . Dass hinter „Yes Day“ also weniger der pädagogische Anspruch als vielmehr der Spaß an der (im Großen und Ganzen kontrollierten) Eskalation steckt, versteht sich von selbst.“
Das ist im Anbetracht der hier angesprochenen Zielgruppe auch gar kein Problem – Miguel Arteta hat sich mit „Die Coopers – Schlimmer geht immer“ auch bereits in harmlos-familientauglichen Komödiengefilden bewiesen. Doch mit der Zeit rückt der titelgebende Yes Day immer weiter in den Hintergrund. Zu Beginn eröffnet die plötzliche Laissez-Faire-Haltung der Eltern den Kids noch ungeahnte Möglichkeiten; Eis zum Frühstück? Das gab es bei den Torres‘ bisher nicht. Bei solch kleinen, harmlosen Einforderungen der Kinder – so etwa auch, als die Jüngste ihre Mutter kunterbunt schminken möchte – steht klar der Spaß am Austesten ihrer Grenzen im Vordergrund. Die eher friedliebende Grundhaltung der Kids und ihre gute Kinderstube sorgen schon dafür, dass die Folgen dessen nicht allzu extrem ausfallen. Es zeigt den Eltern aber auch auf sanfte Weise auf, dass ihr fast schon dogmatisches „Nein“ hier und da vielleicht wirklich eine Spur zu streng ist, man die Kinder dann und wann ganz und gar Kind sein lassen sollte. Darüber hinaus spielen die vorab festgelegten Regeln des Yes Days klar den Eltern in die Hände: die Zukunft betreffende Entscheidungen etwa bleiben vom Yes Day unberührt. Und so dürfen die Kinder weder einen Hund als neues Haustier einfordern, noch darf die Älteste endlich ohne ihre Mutter aufs Musikfestival. Diese der ultimativen Eskalation von Anfang an gesetzten Grenzen hemmen „Yes Day“ spürbar. Denn auch wenn der Film letztlich immer noch ein harmloser Familienspaß bleiben soll: Mit dem Wissen, dass der Super-GAU – wie auch immer dieser aussehen mag – sowieso nicht passieren kann, macht es nur halb so viel Spaß, den Eskapaden der Torres-Familie zuzusehen.
Derweil geben die hochengagierte Jennifer Garner („Peppermint – Angel of Vengeance“) und ihr Film-Ehemann Edgar Ramírez („The Last Days of American Crime“) alles, um mit ihrer ansteckenden Spielfreude den dringend notwendigen Pepp in die Geschichte zu bringen. Und man mag sich gar nicht vorstellen, was für eine heillose Freude es allen Beteiligten gemacht hätte, noch deutlich mehr über die Strenge schlagen zu dürfen, als sie es in „Yes Day“ tun. Die von Anfang an heraufbeschworene (und letztlich nie ganz eingelöste) Eskalation resultiert – wenn überhaupt – aus den mitunter ziemlich konstruierten Abläufen. Es hat etwas von „Abhaken“, wenn das Skript die Familie Torres von einem aus dem Ruder geratenen Ereignis ins nächste manövriert. Mal geht es mit geöffneten Fenstern durch die Autowaschanlage, dann geben sich Eltern und Kids einer Mischung aus „Capture the Flag“, Paintball und einer Limonadenschlacht hin und ganz zum Schluss geht es für die gesamte Family in einen Freizeitpark. Die Bezüge auf den Yes Day fallen mit der Zeit immer rudimentärer aus. Und wenn es genretypisch gen Ende nochmal betont sentimental wird, weil plötzlich jedes Familienmitglied den Wert der eigenen Familie erkennt, ist die Luft aus „Yes Day“ sogar zeitweise komplett raus. Der eine sehr ähnliche „Alles geht schief, was nur schief gehen kann“-Mentalität aufweisende „Die Coopers – Schlimmer geht immer“ war da im Anbetracht der nochmal deutlich geringeren Laufzeit und der ausbleibenden Sentimentalitäten wesentlich kurzweiliger.
„Es hat etwas von „Abhaken“, wenn das Skript die Familie Torres von einem aus dem Ruder geratenen ins nächste manövriert. Mal geht es mit geöffneten Fenstern durch die Autowaschanlage, dann geben sich Eltern und Kids einer Mischung aus „Capture the Flag“, Paintball und einer Limonadenschlacht hin und ganz zum Schluss geht es für die gesamte Family in einen Freizeitpark.“
Dass sich „Yes Day“ trotzdem immer wieder auf sympathische Weise aus der Belanglosigkeit herausmanövriert, liegt an den Grundzutaten des Films. Wenngleich auf recht schematische Weise gelingt es Miguel Arteta doch, den innerfamiliären Zusammenhalt der Torres‘ sowie die Leidenschaft für das Elterndasein authentisch herauszuarbeiten. Dass in „Yes Day“ am Ende alles ein bisschen zu glatt läuft, die Probleme ein wenig zu simpel aus der Welt geschafft werden und sich im Finale alle wieder glücklich in den Armen liegen, ist da zwar wenig überraschend, wirkt im Anbetracht dessen, wie grundharmonisch die Torres-Family von Anfang an gezeichnet wird, jedoch wenigstens nicht aufgesetzt. Auch wenn es natürlich sehr fraglich ist, wie viele derartige Bilderbuchfamilien es in Wirklichkeit gibt…
Fazit: „Yes Day“ ist eine sympathische aber nur bedingt aufregende Komödie für sämtliche Altersklassen, die aus der Idee, den Kindern für 24 Stunden die Verantwortung über den Alltag des Familienlebens zu übertragen, jedoch nur wenig herausholt.
„Yes Day“ ist ab sofort bei Netflix streambar.