Zack Snyder’s Justice League

Im Herbst 2017 kam JUSTICE LEAGUE in einer Form ins Kino, die kaum der Vision des ursprünglich für das DC-Crossover angeheuerten Regisseurs Zack Snyder glich. Nun veröffentlicht Warner den SNYDER CUT. Wie sehr er die Kinofassung übertrumpft, verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Nach dem Tod von Superman (Henry Cavill) ist die Welt zu einem trostlosen Ort verkommen. Das wäre schon bedauerlich genug, doch nun bahnt sich zu allem Übel an, dass der Erde eine Invasion durch eine außerirdische Macht bevorsteht: Der ebenso mächtige wie gewissenlose Darkseid (Ray Porter) sowie sein schrecklicher Handlanger Steppenwolf (Ciarán Hinds) sehen nun ihre Chance gekommen, die Mutterboxen zurückzuerobern: Drei Artefakte, die vor vielen Tausend Jahren auf der Erde zurückgelassen wurden – und mit denen diese Schurken um ein Vielfaches gefährlicher werden würden. Gemeinsam mit Wonder Woman (Gal Gadot) versucht Batman (Ben Affleck), eine Truppe von Helden zusammenzutrommeln, um den Angreifern entgegenzutreten. Doch selbst gemeinsam mit dem Einzelgänger Aquaman (Jason Momoa), der die Meere beherrscht, dem blitzschnellen Außenseiter The Flash (Ezra Miller) und einem Ex-Sportler namens Cyborg (Ray Fisher), der seit einem schweren Unfall und der anschließenden, experimentellen OP hauptsächlich aus fortschrittlichen Technologien besteht, scheint die Justice League der außerirdischen Armee nicht gewachsen zu sein. Gäbe es bloß einen Weg, Superman zurückzuholen…
Kritik
Als im Herbst 2017 „Justice League“ in den Kinos anlief, war das, was auf der großen Leinwand zu sehen war, das Produkt vieler sich widersprechender Einflüsse: Regisseur Zack Snyder betreute weder die letzten Drehwochen, noch war er für die Postproduktion verantwortlich. An seiner Stelle übernahm Joss Whedon („Marvel’s The Avengers“) die Zügel, wobei auch zahlreiche Köpfe des verantwortlichen Studios Warner Bros. mitbestimmten, in welche Richtung das Projekt steuern sollte. Die ursprüngliche Narrative, Snyder habe „Justice League“ allein aufgrund eines tragischen Todesfalls in der Familie verlassen, und Whedon sei sozusagen als filmischer Handwerker dazugestoßen, der den Film über die Zielline bringen sollte, wurde wiederholt widerrufen. Mittlerweile besagt der Konsens in der Branchenberichterstattung, dass es zwischen dem Studio und Snyder schon früher zu Unstimmigkeiten kam, und die Zeichen auch ohne den Trauerfall in der Snyder-Familie auf Trennung standen.
Nach dem Führungswechsel in der „Justice League“-Crew wurde nicht einfach der bereits beschrittene kreative Pfad bis zum Ende beschritten – es kam auch zu einigen Richtungswechseln, mal kleiner („Weniger Andeutungen auf mögliche Fortsetzungen!“), mal größer. Vor allem Cyborg-Darsteller Ray Fisher machte seinem Unmut in den vergangenen Monaten zunehmend lauter Luft, dass er zur Zielscheibe von Rassismus wurde, was sich nicht nur dadurch geäußert habe, wie mit ihm am Set umgesprungen wurde – sondern auch durch die massiv reduzierte Relevanz seiner Rolle in der „Justice League“-Kinofassung. Ob Fishers Vorwürfe, Whdeon und Studiomanager Walter Hamada hätten ihn am Set aus rassistischen Motiven schlecht behandelt, zutreffen oder nicht, können wir nicht belegen. Was sich allerdings nicht abstreiten lässt: Es war tatsächlich Fisher, der in der 2017er-Fassung von „Justice League“ das größte Downgrade gegenüber Zack Snyders Plänen erlitt. Denn während Fisher in der Kinoversion kaum von Belang ist, ist er die emotionale Stütze der nun als Streamingtitel (mit optionaler Kinoauswertung, wo es möglich ist) veröffentlichten, neuen „Justice League“-Fassung. Unmissverständlich „Zack Snyder’s Justice League“ betitelt, besteht diese aus dem Material, das Snyder gedreht hat, bevor Whedon ihn ersetzt hat – plus vier bis fünf Minuten an neu gedrehtem Material, zahlreichen finalisierten Tricksequenzen und einem neuen Score von Komponist Thomas „Junkie XL“ Holkenborg („Mad Max: Fury Road“), der die Klangmotive der Helden behände einsetzt.
„Der Snyder Cut“ besteht aus dem Material, das Snyder gedreht hat, bevor Whedon ihn ersetzt hat – plus vier bis fünf Minuten an neu gedrehtem Material, zahlreichen finalisierten Tricksequenzen und einem neuen Score von Komponist Thomas „Junkie XL“ Holkenborg, der die Klangmotive der Helden behände einsetzt.“
Cyborg wird in „Zack Snyder’s Justice League“ als einst populärer Jugendlicher gezeichnet, der Spitzensportler und stets willens war, für ausgleichende Gerechtigkeit die Regeln zu dehnen oder zu brechen. Einen schweren Schicksalsschlag später ist er mächtiger, doch auch demotivierter und grantiger denn je – und im Laufe seines Abenteuers mit der Justice League kämpft er sich aus diesem emotionalen Tief heraus. Diese Charakterentwicklung ist gut geschrieben und wird von Fisher griffig sowie überzeugend gespielt. Neben Cyborg kommt auch Flash in Snyders Fassung deutlich besser davon. Was manche von Snyders meinungsstärksten Fans überraschen wird: Ezra Millers Flash ist nicht nennenswert anders charakterisiert als in der Kinofassung. Viele seiner frechen Sprüche und neurotischen Macken, die im Fahrwasser der „Justice League“-Kinoveröffentlichung als Whedon-Erfindungen spekuliert wurden, werden hier als Snyder-Material bestätigt (generell unterstreicht „Zack Snyder’s Justice League“ den in hitzigen Internetdebatten oftmals vergessenen Umstand, dass der „300“-Regisseur sehr wohl Humor beherrscht). Aber in der neuen Fassung fehlen mehrere haarsträubende Momente ungelenker Flash-Situationskomik, während neue Szenen (und verlängerte Passagen bereits bekannter Sequenzen) hinzukommen, die gewitzt und gut choreografiert aufzeigen, wie fähig und gewieft diese Flash-Interpretation ist.
Das betrifft auch den finalen Endkampf, aus dem Flash in der 2017er-Fassung halbseiden raus geschrieben wurde: Snyder fädelt den Action-Klimax seines Films dagegen so ein, dass alle Justice-League-Mitglieder eine Daseinsberechtigung und ihren eigenen, kooperativen Heldenmoment erhalten, womit der Teamwork-Gedanke dieses Crossovers effektiver herausgearbeitet wird als in der Kinoversion. Gleichwohl bleiben einige der Probleme aus der früheren Fassung bestehen: Sowohl das große Finale, als auch eine die Mythologie hinter den Mutterboxen erläuternde Rückblende, und mehrere Attacken Steppenwolfs auf Beschützer:innen dieser Artefakte, leiden unter einer unfokussierten Bildführung. CG-Gestalten, -Blitze und -Wolken schleudern in ausgedehnten Passagen ohne innere Dramaturgie wuselig umher, zumeist so, dass die Digitaltricks keinerlei Gefühl für die Schwere der Ereignisse (in jeglichem Wortsinne) zulassen. Es ist schlicht viel, unkontrolliertes Trickgewitter um Nichts. Doch selbst wenn die Schlachtsequenzen in beiden „Justice League“-Fassungen ein eklatanter Schwachpunkt bleiben, sieht Snyders Fassung insgesamt deutlich besser aus: In scharf fokussierten Stahlgrau-Bildern gehalten, gerät die Kameraarbeit von Fabian Wagner („Game of Thrones“) deutlich übersichtlicher, atmosphärischer und ansprechender als in der durch konfusen Farbfiltergebrauch matschig gearteten Kinofassung – selbst wenn das Bildformat eine sonderbare Entscheidung darstellt, die vermuten lässt, dass Snyder die Seherfahrung in IMAX-Kinos falsch eingeschätzt hat.
„Doch selbst wenn die Schlachtsequenzen in beiden „Justice League“-Fassungen ein eklatanter Schwachpunkt bleiben, sieht Snyders Fassung insgesamt deutlich besser aus.“
Ähnlich diffizil verhält es sich mit dem Erzähltempo und der überwältigenden Laufzeit: „Zack Snyder’s Justice League“ hat einen besseren Erzählfluss als die Kinofassung, doch das liegt nicht etwa daran, dass diese Geschichte und diese Figuren mit Inbrunst nach über 240 Minuten schreien. Bedenkt man, wie viel Snyder-Material in der Kinofassung übrig geblieben ist, wird schlichtweg deutlich, wie radikal das Filmmaterial für die Kinofassung zerhackstückelt wurde. Das ergibt einen holpernden und polternden Erzählfluss, der noch drastischer wirkt, weil das Whedon-Reshoot-Material gelegentlich Storyfäden eröffnet, die nirgendwo hinführen (etwa: „Durch Supermans Tod werden die Menschen böser“), und der Cast in ihm öfters demoralisiert wirkt, insbesondere Ben Affleck. All das fehlt in Snyders Fassung, die nun das von ihm gedrehte Material in einer Ruhe und mit dem kühlen Pathos präsentiert, das beim Dreh auch als Erzählhaltung des Films verinnerlicht wurde.
Dessen ungeachtet: Wo die Kinofassung mit ihren 120 Filmminuten zu hastig ist, überkorrigiert Snyders Fassung. Denn selbst, wenn sie relevante, neue Szenen mit Cyborg und Flash beinhaltet (sowie einen Epilog, der mit fast schon trollender Ausführlichkeit potentielle Sequels anteasert, die wir eventuell nie zu sehen bekommen): Hauptsächlich generiert sich diese epochale Laufzeit eben doch nicht daraus, dass Snyder die titelgebende Truppe detaillierter skizziert sowie dramatischen Passagen mehr Zeit gestattet, um sich atmosphärisch-wirksam zu entfalten. Aquaman sowie Wonder Woman bleiben flach gezeichnet, interne Teamdifferenzen sind stets rasch vergessen, und die Schurken sind nur unwesentlich besser motiviert als in der Kinofassung. Dafür überfrachtet Snyder seine „Justice League“-Version mit einem Übermaß an schwelgerischen Establishing Shots: Kaum eine Szenerie wird nicht erst durch eine ausgedehnte Kamerafahrt etabliert, viele Schauplätze werden sogar wiederholt in Form längerer Kameraschwenks reetabliert.
Es ist ein exzessiver Übergebrauch eines Stilmittels – und da darüber hinaus manche Erklärungen der Filmmythologie wiederholt erfolgen sowie nahezu alle Actionsequenzen sogleich mehrere „Halt, es ist nicht vorbei, da rafft sich jemand noch einmal auf!“-Twists aufweisen, drängt sich ein Begriff auf: Assembly Cut. So bezeichnet man eine nicht für die Veröffentlichung gedachte Rohfassung eines Films, die alle gedrehten, potentiell brauchbaren Passagen beinhaltet. Damit ist nicht gemeint, dass alles, was gefilmt wurde, aneinandergereiht wird – es sind also nicht etwa sämtliche Takes einer einzelnen Szene drin. Aber bei Dialogen, die mit dem Gedanken gefilmt wurden „Im Schnitt finden wir raus, welche Sätze wir überhaupt brauchen“, enthält der Assembly Cut etwa das gesamte Gespräch. Und er zeigt mitunter alle erstellten Landschaftsaufnahmen, weil man erst im Schnitt erkennt, welche benötigt werden.
„Kaum eine Szenerie wird nicht erst durch eine ausgedehnte Kamerafahrt etabliert, viele Schauplätze werden sogar wiederholt in Form längerer Kameraschwenks reetabliert.“
Es ist eine Schnittfassung, die dazu da ist, dass die Filmschaffenden sehen, was sie überhaupt zur Hand haben – es ist sozusagen der Marmorblock, aus dem durch ständiges Wegmeißeln letztlich eine Statue wird. Auch wenn Snyder bereits in den sozialen Netzwerken erklärte, dass sein Assembly Cut von „Justice League“ rund fünf Stunden lang ging: „Zack Snyder’s Justice League“ fühlt sich noch immer wie ein Assembly Cut an. Nicht wie ein konsequent beendeter Film. Nahezu unentwegt ließe sich noch etwas kürzen – und das nicht, um ein ungeduldiges Publikum abzuholen, sondern um die Essenz des Films herauszuarbeiten. Hier eine Kamerafahrt weniger, da zwei, drei Tritte raus, dort einen Dialog straffen, statt mehrere Figuren nacheinander ungefähr dasselbe aussagen zu lassen – dann hätte man weiterhin dieselbe Grundstimmung, dieselbe Tonalität, dieselbe Aussage. Es wäre weiterhin Snyders Vision, nur ohne die vielen, vielen kleinen Alternativoptionen, die nun drin behalten wurden.
Fazit: Für Zack-Snyder-Fans, für Verehrer:innen einer göttlich-epochal-unsubtilen Interpretation des DC-Pantheons, und für Filmbegeisterte, die Freude am Produktionsprozess und dem Vergleich unterschiedlicher Schnittfassungen haben, ist „Zack Snyder’s Justice League“ zweifelsohne einen Blick wert. Wem aber die Begeisterung für Snyder, die „Gottheiten unter Menschen“-Facette von DC oder konkurrierende Versionen desselben Films abgeht: Seid vor Ermattung gewarnt!
„Zack Snyder’s Justice League“ ist ab sofort exklusiv bei Sky abrufbar.