Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga

Der US-Amerikaner Will Ferrell zelebriert den legendären europäischen Gesangswettstreit EUROVISION SONG CONTEST? Und das ausgerechnet in einer Netflix-Komödie? Ob diese skurrile Idee wirklich gut gehen kann, das verraten wir in unserer Kritik…
Der Plot
Seit ABBA beim „Eurovision Song Contest“ aufgetreten ist und ihm als deprimierten, kleinen Jungen wieder Freude ins Leben gebracht hat, träumt Lars Erickssong (Will Ferrell) nur von einer Sache: eines Tages für sein Heimatland Island beim „ESC“ antreten, ihn gewinnen und sich somit den Respekt seines Vaters (Pierce Brosnan) verschaffen, der ihn für einen unverbesserlichen, blamablen Loser hält. Doch auch Jahrzehnte später ist Lars denkbar weit von diesem Traum entfernt: Die Kombo Fire Saga, die sich aus ihm und Sigrit Ericksdottir (Rachel McAdams) zusammensetzt, ist ein schäbiges Duo, das es gerade einmal dazu gebracht hat, auf lokalen Festen geduldet zu werden. Doch als den Organisatoren des isländischen Vorentscheids eine Nummer fehlt, um alle zwölf Slots voll zu machen, ist Sigrit und Lars das Glück hold: Sie werden in einem Zufallsverfahren für den vakanten Startplatz beim Vorentscheid auserwählt. Während Sigrit sich vor allem freut, gemeinsam mit dem Mann, für den sie schwärmt, im Fernsehen auftreten zu können, hat Lars weiterhin nur den Sieg im Sinn…
Kritik
„Eurovision Song Contest“-Hardcorefans werden einige Punkte finden, um sich über „die Amerikaner“ aufzuregen, „die halt einfach keine Ahnung haben“: Das Halbfinale, das in der US-Netflix-Komödie gezeigt wird, zählt beispielsweise Spanien zu seinen Teilnehmern – obwohl in der „ESC“-Realität Spanien doch als sogenannte „Big Five“-Nation einen garantierten Finalplatz innehat und die Halbfinals überspringen kann, wie etwa auch Deutschland oder Frankreich. Darüber hinaus ist es ziemlich unrealistisch, dass der im Film gezeigte, schwedische Beitrag jemals für Schweden antreten würde – würde man den „Eurovision Song Contest“ in all seinen Eigenheiten und Macken parodieren wollen, hätte man Schweden keinen Pop-Rap in den Mund gelegt. Und dass sich Weißrussland bei einem finnischen Kultbeitrag bedient, ist auch eher unwahrscheinlich, wird in „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ aber genau so gezeigt.

Lars (Will Ferrell) und Sigrit (Rachel McAdams) träumen vom gemeinsamen Sieg beim Eurovision Song Contest.
Doch die neueste Regiearbeit von David Dobkin („Der Richter – Recht oder Ehre“) ist eben nicht das filmische Pendant zur detailverliebten und beobachtungsstarken „ESC“-Parodienummer „Love Love Peace Peace“, mit der die schwedischen Gastgeber vor wenigen Jahren für Begeisterung sorgtem. Schlussendlich ist es einfach eine weitere „Ein Loser träumt von Größerem“-Komödie, noch dazu mit Will Ferrell („Holmes & Watson“) in der Hauptrolle, als Produzent, Autor und Ideengeber. Ferrell ist in diesem Gebiet versiert, und dieses Mal ist sein schluffiger, kindgebliebener und begriffsstutziger Protagonist halt kein Fußballer, Rennfahrer oder Eiskunstläufer, sondern ein Musiker mit „ESC“-Ambitionen. Doch selbst wenn der „Eurovision Song Contest“ nur Kulisse für eine weitere Will-Ferrell-ist-ein-Versager-der-erwachsen-werden-muss-Komödie ist, und sich sowohl Detailfehler einschleichen als auch parodistisches Potential liegen gelassen wird: „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ weist dennoch Passion für das jährliche, europäische Musikevent auf. Das reicht von Seitenhieben auf ignorante Amerikaner, die nicht kapieren, wie groß und wichtig diese Show ist, über einen Subplot darüber, dass ein „ESC“-Sieg nicht nur Ehre, sondern auch wirtschaftliche Bürde sein kann, bis hin zu einer gewitzten, liebevollen Zelebrierung dessen, was diese bunte, laute, schrille, dennoch vom Herzen kommende Show ausmacht – also knallige Musik und noch knalligeres Auftreten.
„Schlussendlich ist es [der Film] einfach eine weitere „Ein Loser träumt von Größerem“-Komödie, noch dazu mit Will Ferrell in der Hauptrolle, als Produzent, Autor und Ideengeber.“
Dank eine Beteiligung der EBU (Europäische Rundfunkunion) an diesem Film konnten die Macher auf reale Logos und Grafiken zurückgreifen. Die Kostüme und Bühnenshows in „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ stehen realen „Eurovision“-Bühnenshows und -Kostümen daher in nichts nach und es gibt immer wieder kleine Bonmots, die „ESC“-Fans zu schätzen wissen dürften, sofern sie dem Film seine inakkuraten Elemente verzeihen sollten. Die Fake-Songs sind darüber hinaus kurzweilig anzuhören und gut produziert, genauso wie ein paar in den Film eingestreute Coverversionen. Dass Dobkin Party- und Musikszenen in einer farbkräftigen, glamourhaften Optik einfängt und das Sounddesign satt und gleichzeitig dynamisch ist, kommt diesem feierlichen Aspekt von „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ zusätzlich zugute.
Doch das alles wäre nur halb so unterhaltsam, wären die Hauptfiguren unausstehlich. Glücklicherweise ist „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ aber eine der angenehmeren, wenngleich nicht eine der absoluten Top-Ferrell-Komödien: Dobkin inszeniert die unvermeidlichen Momente, in denen sich Lars blamiert, nur ganz selten gehässig, sondern legt den Schwerpunkt stattdessen eher auf eine Art des empathischen Fremdschämens, die im (dadurch harmlosen) Lachen über ihn Mitleid mit ihm erzeugt. Dessen ungeachtet stellt sich Lars in manchen Szenen aber auch einfach ungeheuerlich dumm an. Und zwar so sehr, dass es im Gesamtbild seines Verhaltens irgendwann unplausibel wird, und auch die dramaturgisch abgenutzten Missverständnisse zwischen ihm und Sigrit geraten wenig überzeugend. Dafür sitzen immerhin Ferrells Oneliner. Und auch die umwerfende Rachel McAdams („Doctor Strange“) hebt mit Charme, Leichtigkeit sowie einer neben Lars deutlich gesünder wirkendem „Dabeisein ist alles, aber wir können uns ja dennoch ins Zeug legen“-Mentalität den ganzen Film um ein gutes Stück an.
„Doch das alles wäre nur halb so unterhaltsam, wären die Hauptfiguren unausstehlich. Glücklicherweise ist „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ aber eine der angenehmeren, wenngleich nicht eine der absoluten Top-Ferrell-Komödien.“
Fazit: „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ ist eine Loser-Komödie von der Stange – garniert mit „Eurovision“-Glitzer. Amüsant, ein bisschen eigen, aber alles in allem angepasster, als es sich angeboten hätte.
„Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ ist ab dem 26. Juni 2020 auf Netflix streambar.