Da 5 Bloods

Der legendäre Regisseur Spike Lee inszeniert mit DA 5 BLOODS ein im Vietnamkrieg und in der Gegenwart spielendes Drama über Brüderlichkeit und Zerrissenheit. Wie sehr der Netflix-Film überzeugt, verraten wir in unserer Kritik.

OT: Da 5 Bloods (USA 2020)

Der Plot

Vietnam im Jahr 2020: Die vier afroamerikanischen Veteranen Paul (Delroy Lindo), Otis (Clarke Peters), Eddie (Norm Lewis) und Melvin (Isiah Whitlock, Jr.) sind von ihrer Zeit im Vietnamkrieg traumatisiert. Und doch kehren sie zurück. Um gemeinsam zu feiern. Um sich wieder stärker zu verbrüdern. Und um einem Schatz nachzustellen, den sie und ihr gefallener Anführer ‚Stormin‘ Norman‘ (Chadwick Boseman) gefunden und verloren haben, als sie im Dienst waren. Doch dabei haben die Rechnung ohne Pauls besorgtem Sohn (Jonathan Majors) gemacht. Und auch nicht mit den gefährlichen Überresten, die der Vietnamkrieg hinterlassen hat – in der Natur Vietnams, in den Seelen der Bevölkerung und in ihnen selbst…

Kritik

Die Wahrnehmung Spike Lees in der breiten Öffentlichkeit und auch im Filmdiskurs durchläuft Höhen und Tiefen: Ende der 1980er und in den frühen 1990er-Jahren galt er als eine der wichtigsten und womöglich einflussreichsten Stimmen des US-Kinos, dann verlor ihn der Mainstream aus dem Blick, nur um ihn Ende der 1990er kurzzeitig wiederzuentdecken. 2006 legte er mit „Inside Man“ seinen wohl kommerziellsten Film vor – nur um nach diesem Kassenschlager wieder in die Obskurität zu verfallen. Filme wie „Da Sweet Blood of Jesus“ und „Chi-Raq“ gingen in den USA vollkommen unter, geschweige denn in Deutschland. Mit dem mehrfach preisgekrönten „BlacKkKlansman“ feierte Spike Lee 2018 ein furioses Comeback in der öffentlichen Wahrnehmung – einerseits gewiss, weil die satirische, dramatische und spannende Geschichte eines Juden und eines Afro-Amerikaners, die den Ku-Klux-Klan unterwandern, zu den stärkeren, aufwühlenderen Filmen Lees zählt. Doch die gesteigerte Aufmerksamkeit, die Spike Lee derzeit wieder zukommt, hat gewiss auch damit zu tun, dass sich immer mehr filminteressierten Menschen erschließt, dass Lees oft erzürnte, stets passioniert argumentierende Stimme seit jeher enorm wichtig ist und nie genügend Gehör erhalten hat.

Melvin (Isiah Whitlock Jr.), Eddie (Norm Lewis), Paul (Delroy Lindo), Otis (Clarke Peters) und David (Jonathan Majors).

Kaum ein namhafter Filmschaffender behandelt den tief in der US-Gesellschaft verwurzelten Rassismus gegen Schwarze auch nur ansatzweise so packend, unmissverständlich und wortgewandt wie er. Angesichts dessen, dass seit der Ermordung des US-Amerikaners George Floyd durch rassistische Cops der Aufruf „Black Lives Matter“ in den vergangenen Wochen global so viel Resonanz erhält wie nie zuvor, ist es also nur konsequent, dass „Da 5 Bloods“ nun eine größere Rolle im deutschen Filmdiskurs spielt als frühere Streamingpremieren Lees. Es ist, da müssen wir alle uns selber an die Nase fassen, beschämend, dass es so weit kommen musste, damit ein neuer Spike-Lee-Film hierzulande direkt zum Starttag so viele, ausführliche Besprechungen erhält wie „Da 5 Bloods“. Aber wenigstens erhält das Netflix-Vietnamdrama „Da 5 Bloods“ Aufmerksamkeit, statt wie etwa Spike Lees Weltkriegsfilm „Buffalo Soldiers ’44 – Das Wunder von St. Anna“ mit einem kollektiven „Hm?!“ begrüßt zu werden. „Da 5 Bloods“ fühlt sich zuweilen wie ein direkter, geistiger Nachfolger von „BlacKkKlansman“ an. Das beginnt bei der Mischung aus einer dramatischen Story, die aber Unterhaltung versprechende Lockmittel einsetzt, um das Publikum in Sicherheit zu wiegen. Bei „BlacKkKlansman“ war es die wie ein Witz klingende Prämisse, hier ist es das Schatzsucher-Element sowie die anfängliche „Vier Veteranen kehren an einen Kriegsschauplatz zurück, nur dass sie dieses Mal Spaß haben wollen“-Grundstimmung.

„Kaum ein Filmschaffender behandelt den tief in der US-Gesellschaft verwurzelten Rassismus gegen Schwarze auch nur ansatzweise so packend, unmissverständlich und wortgewandt wie Spike Lee.“

Wie bei „BlacKkKlansman“ wird aus Spaß jedoch sehr schnell Ernst – auf charakterlicher und politisch-thematischer Ebene. Wie in „BlacKkKlansman“ lässt Lee seine Figuren ab und zu in flammend geschriebene Monologe über US-Politik und Popkultur abschweifen, in denen er tarantinoesk seine Standpunkte für die Filmewigkeit festhält. Es geht weiter mit Terence Blanchards mahnend-melancholischem Score, der in einigen Szenen wie eine direkte Weiterführung des ebenfalls von ihm komponierten Hauptmotives aus „BlacKkKlansman“ anmutet. Und es endet darin, dass sich „Da 5 Bloods“ mehrmals so anfühlt, als sei der Film innerhalb weniger Tage entstanden, als dass Lee immer wieder Gesprächspunkte einbindet, die zwar schon zu Drehbeginn dringlich waren (in diesem Fall: März 2019), nun aber ganz oben an der politischen Tagesordnung stehen.

Die Veteranen gemeinsam in einem Club.

Anders als bei „BlacKkKlansman“ verzettelt sich Lee hier jedoch gelegentlich – die Laufzeit von über zweieinhalb Stunden wird nicht nur mit fesselnden Monologen in bester Spike-Lee-Manier gefüllt, es gibt auch ein paar Ansprachen, denen der Feinschliff fehlt. Und sowohl die (in kleinerem Bildformat und grobkörnig eingefangenen) Kriegs-Action-Flashbacks als auch die Rückkehr der Schatzsucher-Storyline, sobald die wahre Identität des Films zu Tage kommt, sind etwas stockend geraten, was dem ihm eine Spur seiner großen Dringlichkeit raubt. Doch die aufkeimenden Animositäten zwischen den Hauptfiguren, die sich eigentlich brüderlich den Rücken stärken wollen und letztlich trotzdem aufgrund äußerer Einflüsse und unterschiedlicher politischer Auffassungen gegenseitig hindern, sind so fesselnd geschrieben, dass sich das weitestgehend verzeihen lässt. Das liegt auch an Delroy Lindo („Point Break“), der in der zentralen Rolle als Paul eine komplexe, aufreibende Performance gibt: Sein ständiges Ringen dazwischen, der schwarzen Community gerecht zu werden, für sich selbst zu sorgen und sich stolz-patriotisch zu geben (und wenn das bedeutet, Trump-Anhänger zu sein), ist eine Tour de Force.

„Anders als bei „BlacKkKlansman“ verzettelt sich Lee hier gelegentlich – die Laufzeit von über zweieinhalb Stunden wird nicht nur mit fesselnden Monologen in bester Spike-Lee-Manier gefüllt, es gibt auch ein paar Ansprachen, denen der Feinschliff fehlt.“

Doch auch der Rest des Casts gibt engagierte Darbietungen ab, dank denen die schmerzlich gemeinten Momente auch wirklich schmerzen und Lees bissig-süffisante Satire (so feiern Vietnam-Veteranen ausgelassen, während das Poster zum viel zu oft viel zu leichtgängig zitierten Antikriegs-Klassikers „Apocalypse Now“ den Saal erfüllt) immer wieder starke Treffer landet.

Fazit: Wie schon andere Regie-Meister hat sich auch Spike Lee bei seinem Netflix-Opus dazu hinreißen lassen, einige Szenen zu überdehnen. Etwas kürzer hätte „Da 5 Bloods“ durchaus sein dürfen. Dennoch ist es ein fesselnder, dringlicher Film, der wie die Faust auf das Auge der Tagesaktualität passt.

„Da 5 Bloods“ ist ab sofort bei Netflix streambar.

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