Die schönste Zeit unseres Lebens

Regisseur Nicolas Bedos romantische Dramedy DIE SCHÖNSTE ZEIT UNSERES LEBENS quillt über vor originellen Ideen, bietet exzellente visuelle Schauwerte sowie eine ganze Reihe brillanter Schauspieler, angeführt von Daniel Auteuil. Ob das für ein außergewöhnliches Kinoerlebnis ausreicht, verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Victor (Daniel Auteuil) ist Karikaturist im Ruhestand und ein zynischer Miesepeter. Mit penetrantem Negativismus geht er allen in seinem Umfeld mächtig auf die Nerven; speziell seiner Ehefrau Marianne (Fanny Ardant). Deshalb hat sie längst einen Liebhaber und wirft ihren Gatten schließlich aus der gemeinsamen Wohnung. Was für den keine große Überraschung ist. Er sehnt sich ohnehin nur noch in die 1970er zurück. Eine Ära, in der er jung, erfolgreich und verliebt war. Da kommt ein Gutschein des „Zeitreise“-Veranstalters Antoine (Guillaume Canet), den er von Sohn Maxime (Michaël Cohen) zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, gerade recht. Antoines Firma arrangiert mit aufwändigen Kulissen, Schauspielern und einem detaillierten Skript real wirkende Illusionen für ihre wohlhabenden Kunden – egal, ob diese Sehnsucht nach dem alten Rom, den Zeiten Ludwigs des XIV. oder ihrer privaten Vergangenheit haben. Victor wählt den Moment, als er Marianne kennenlernte, die in der Inszenierung von Antoines Freundin Margot (Doria Tillier) verkörpert wird. Die Darstellung des 16. Mai 1974 gefällt Victor so gut, dass er sie immer wieder erleben will, bis Erinnerung und Inszenierung, Fiktion und Realität sich in seinem Kopf untrennbar zu vermischen beginnen. Gibt es für ihn einen Weg zurück ins wahre Dasein?
Kritik
Wer schon etwas länger Filme schaut, wird sich bei dem, was Antoines Firma ihren Kunden bietet, zumindest ansatzweise, an „The Game – Das Geschenk seines Lebens“ erinnert fühlen. Doch während Regisseur David Fincher seinen 1997er-Thriller mit Michael Douglas und Sean Penn schnell in eine sehr düstere Richtung lenkte, steuert Kollege Nicolas Bedos („Die Poesie der Liebe“) hier deutlich leichtere und wunderbar melancholische Gefilde an. Mit Hilfe pointierter Dialoge, amüsanter Gags sowie politischer und pop-kultureller Anspielungen gelingt dem Franzosen in Form seiner erst zweiten Regiearbeit ein Meisterstück inklusive ausgefallener, aber durchgehend glaubwürdiger Szenarien für die bis in die kleineren Nebenparts erstaunlich effizient und vielschichtig charakterisierten Figuren.
Daniel Auteuil („Caché“, „Die brillante Mademoiselle Neïla“) hat offensichtlich eine Menge Spaß an seinem Auftritt – sowohl zu Beginn als grantelndes Ekelpaket als auch später mit Seventies-Schnäuzer beim Reminiszieren bezüglich seiner liebsten Momente im Café „La Belle Époque“ (so lautet übrigens auch der französische Originaltitel des Streifens). Der gallische Edelmime läuft zur Hochform auf, wenn er seine eben noch so unausstehliche Figur, in der Gesellschaft der wunderschönen, von Doria Tillier („Le Jeu – Nichts zu verbergen“) mit einer großzügigen Dosis Selbstvertrauen interpretierten Margot, ihren längst vergessen geglaubten Charme, Humor und Sex-Appeal wiederfinden lässt. Auteuil stellt absolut authentisch dar, wie sich ein Mensch, der so sehr nach der Vergangenheit, der „schönsten Zeit seines Lebens“ schmachtet, in einer solchen Illusion verlieren kann. Auteuils Performance wurde von Publikum und Presse bei den Filmfestspielen von Cannes zu Recht euphorisch gefeiert. Eingerahmt wird sie neben Tillier unter anderem von den ihm ebenso großartig zuspielenden, dabei niemals zur bloßen Staffage verkommenden Fanny Ardant („Die Frau nebenan“) und Guillaume Canet („Zwischen den Zeilen“).
Dazu changiert das von Bedos verfasste Drehbuch gekonnt zwischen den durch einige unerwartete Wendungen angereicherten Handlungsebenen – der Illusion, in der Victor sich mehr und mehr verliert, sowie den hektisch-geschäftigen Behind-The-Scenes-Momenten mit Canets Charakter als Regisseur des Spektakels. Hier könnten dem Zuschauer immer wieder Erinnerungen an Ed Harris und dessen Figur in der grandiosen „Die Truman Show“ ins Gedächtnis kommen. Wobei dieser damals ja ohne das Wissen des von Jim Carrey verkörperten Titelhelden als Meister der Improvisation hinterm virtuellen Vorhang die Strippen zog.
Elementar für das so prächtige Gelingen des wegen seiner Komplexität durchaus gewagten Story-Konzepts ist natürlich ebenfalls der visuelle Aspekt. Der wird von Bedos mit Hilfe von Kameramann Nicolas Bolduc („The Hummingbird Project“) und dessen Team genauso virtuos gemeistert wie das Jonglieren der erzählerischen und darstellerischen Faktoren. Die gedämpfte, aber warme Beleuchtung, die erdigen Farben und eine exzellente Ausstattung (Kulissen, Requisiten, Kostüme) versetzen den Zuschauer augenblicklich mit in die 1970er – eine Zeit, in der es völlig okay war, im Restaurant zu rauchen oder ohne Helm Moped zu fahren und in der auch die Liebe und das Leben an sich noch irgendwie einfacher zu sein schienen.. Das Ergebnis ist ein brillanter Nostalgietrip, in den jüngere Kinofans ebenso problemlos einsteigen können wie ihre Eltern und Großeltern. Alle (Erwachsenen-)Generationen dürften sich (und einander) problemlos in manchen Momenten und der einen oder anderen Figur wiedererkennen.
Fazit: Daniel Auteuil begeistert in einem ebenso pfiffig wie klug geschriebenen und ins Bild gesetzten, romantischen Nostalgie-Trip mit aktuellem Appeal.
„Die schönste Zeit unseres Lebens“ ist ab dem 28. November in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.