Arthur & Claire

Josef Hader und Hannah Hoekstra treffen sich als ARTHUR & CLAIRE zufällig in Amsterdam und starten die Reise in eine letzte, aufregende Nacht ihres Lebens. Das Ergebnis ist eine melancholische Nicht-Liebesgeschichte. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Ein Mann, eine Frau und eine Nacht, in der es um alles oder nichts geht. In einem Hotel in Amsterdam begegnen sich zwei Menschen, von denen jeder für sich bereits mit dem Leben abgeschlossen hatte. Doch dann vereitelt Arthur (Josef Hader), der nur ein letztes stilvolles und vor allem einsames Dinner im Sinn hatte, durch Zufall den Plan der jungen Claire (Hannah Hoekstra). Aus den beiden Lebensmüden wird eine unerwartete Schicksalsgemeinschaft, die gemeinsam in die Amsterdamer Nacht aufbricht und zwischen Grachten, Coffee Shops, bestem Whiskey und vorsichtiger neuer Freundschaft beginnt, die Pläne des Anderen gehörig zu durchkreuzen. In klugen, witzigen Dialogen kreisen Arthur und Claire um die Dinge, die das Leben wirklich ausmachen und beschließen, sich diesem Leben zu stellen und es bis zum letzten Augenblick auszukosten.
Kritik
Der österreichische Schauspieler Josef Hader war vor seiner Schauspielkarriere als Kabarettist tätig. Dieser Einfluss ist auch in seinen Rollen als Akteur heutzutage häufig wiederzuerkennen; nicht selten spielt er Charaktere mit trockenem, lakonischen Humor in einem eigentlich ziemlich tragischen Umfeld – sogar sein Regiedebüt „Wilde Maus“ erzählte exakt von so einem Zeitgenossen, den Hader passenderweise direkt selbst verkörperte. In „Arthur & Claire“ schlägt er nach seiner bodenständig-melancholischen Rolle im preisgekrönten Drama „Vor der Morgenröte“, in dem er den österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig verkörperte, nun erneut sehr ernste Töne an. Allerdings nicht ohne sie immer wieder mit bitterem Humor zu durchbrechen. Protagonist Arthur ist nämlich todkrank und sehnt sich im entfernten Amsterdam nach (dort legaler) Erlösung. An seinem letzten Abend trifft er auf eine Leidensgenossin, die ihr selbstbestimmtes Ableben nicht so akribisch vorbereitet hat, wie er. Aus dieser recht vorhersehbaren Konstellation, die in weniger fähigen Regiehänden denn jenen von Miguel Alexandre („Gran Paradiso“) zur gefälligen Beliebigkeit verdammt wäre, entspinnt sich ein ehrlich zu Herzen gehendes Charakterporträt über zwei einsame Seelen, die so offen über das Menschsein und Vergänglichkeit sinnieren, wie es zwei Personen in ihrer Lage wohl wirklich tun würden.
„Arthur & Claire“, den die beiden titelgebenden Protagonisten die meiste Zeit über alleine bestreiten, beginnt wie ein „klassischer Hader“. Wenige Szenen genügen, um zu verdeutlichen: Dieser Zeitgenosse vereint zu selben Anteilen die Attribute charismatisch und abstoßend. Die Hoffnungslosigkeit ob seines baldigen Ablebens lässt sich der geschiedene Vater nicht anmerken, doch unterschwellige zynische Kommentare gegenüber seines Umfeldes machen ihn nicht unbedingt zu einer Person, mit der man sich gern mehrere Stunden abgeben möchte. Er gibt fiese Spitzen von sich, offenbart im weiteren Verlauf die für unsereins absolut nachvollziehbaren Probleme mit seiner Familie und doch findet er gerade durch diese absolut gleichgültige Attitüde einen Punkt, an dem er mit der zurückhaltenden Claire anknüpfen kann. Diese ist nicht etwa das komplette Gegenstück zu ihrer Zufallsbekanntschaft – unter diesen Voraussetzungen würde die Geschichte nur über sehr oberflächliche Reize funktionieren. Beide stehen an einem ähnlichen Punkt im Leben, besitzen gemeinsame Beweggründe für ihr Handeln und denken dasselbe über ihre Situation. Und doch gehen beide absolut unterschiedlich mit ihrem gefällten Urteil um, dem Leben ein Ende zu setzen. Der strukturierte Arthur in einer Sterbeeinrichtung, die impulsive Claire mit einer Überdosis Medikamenten. Beide begegnen sich auf Augenhöhe, Niemand möchte den Anderen von etwas Bestimmtem überzeugen. Stattdessen werden wir in „Arthur & Claire“ Zeuge eines unaufgeregten Austauschs, ganz nach der Prämisse, dass zwei potenziell Sterbende einen letzten Abend gemeinsam miteinander verbringen.
Durch diese Ausgangslage besitzt „Arthur & Claire“ eine fast schon intuitive Atmosphäre. Regisseur Miguel Alexandre, der gemeinsam mit Josef Hader auch das Drehbuch schrieb, setzt nicht auf perfekt choreographierte Dialoge. Stattdessen reißt er gleichzeitig ganz verschiedene Gedankengänge an, lässt seine Charaktere zwischendurch immer wieder abbrechen, macht an anderer Stelle neue Themen auf und lässt es mitunter auch zu, dass einzelne Erzählstränge einfach mittendrin abbrechen. Was anderswo wie mangelnde Struktur anmuten würde, hat hier System: So, wie Arthur und Claire über das Für und Wider des Lebens sinnieren, können es nur zwei Personen tun, die in genau dieser Situation sind – in einer, in der sie mit dem Leben eigentlich längst abgeschlossen haben. Durch die ständigen Wechsel von Setting zu Setting – in „Arthur & Claire“ gehen die beiden Hauptfiguren eine Nacht durch das belebte Amsterdam – gesellen sich außerdem allerhand flüchtige Bekanntschaften, die das Geschehen allerdings nicht um allzu tiefgreifende, neue Erkenntnisse bereichern. Besonders schlimm ist das aber nicht: Wie es auch der Filmtitel verrät, stehen in der melancholischen Tragik(!)-Komödie vor allem die beiden Hauptfiguren im Fokus der Geschichte.
Und die wären nur halb so glaubwürdig, würden Josef Hader und Niederländerin Hannah Hoekstra („App“) diese nicht mit solch einer Inbrunst verkörpern, dass man auch die zeitweise auftretenden Längen innerhalb ihrer Interaktion gern in Kauf nimmt. Trotz des kleinen dramaturgischen Faux Pas, das Schicksal der mit einem charmanten – Zitat – Rudi-Carell-Akzent sprechenden jungen Frau einen Tick zu früh (und zu ausführlich) zu offenbaren und ihr so ein wenig ihrer Faszination zu berauben, umgibt sie eine ungeheuer charismatische und gleichermaßen unnahbare Aura, die sich vor dem einnehmenden Spiel des hier zu seiner Rolle passend eher zurückhaltend aufspielenden Josef Hader nicht zu verstecken braucht. Die beiden werfen sich über eineinhalb Stunden lang höchst interessante Dialogbälle zu und gelangen – angetrieben vom jeweils anderen – zu Erkenntnissen, die über ihren jeweils eigenen Horizont hinaus gehen. „Arthur & Claire“ ist damit keine klassische Geschichte über zwei grundverschiedene Menschen, die von der Andersartigkeit des jeweils anderen profitieren. Stattdessen ist es eher das Entdecken von subtilen Gemeinsamkeiten, die letztlich dazu führen, dass sich zwei einsame Menschen für einen Abend plötzlich nicht mehr ganz so einsam fühlen. Über das sehr optimistische Ende darf anschließend gern gestritten werden.
Fazit: Woody Allen made in Austria: In „Arthur & Claire“ sinnieren sich Josef Hader und Hannah Hoekstra an ihrem letzten Abend unter Lebenden gemeinsam durch das pulsierende Nachtleben Amsterdams und kommen zu einigen lustigen, vielen traurigen, vor allem aber wahren Erkenntnissen.
„Arthur & Claire“ ist ab dem 8. März in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
Hannah Hoekstra spielt in der Blade Runner Fortsetzung mit? Welche Rolle?
Hat sie nicht! Im Zuge geistiger Umnachtung habe ich sie mit Sylvia Hoeks verwechselt. Ist mittlerweile korrigiert!