Der kleine Vampir

Basierend auf den gleichnamigen Kinderbüchern erscheint mit DER KLEINE VAMPIR nun ein Animationsfilm rund um die Abenteuer des sympathischen Blutsaugers, der allerdings den Charme der Vorlage vermissen lässt. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Alterslos sein – was für Unsereins verlockend klingt, ist für Rüdiger von Schlotterstein kein Grund zur Freude. Als Vampir wird er einfach nicht älter und feiert seinen 13. Geburtstag nun schon zum 300. Mal! Auch wenn er selbst nicht in Stimmung ist, planen seine Eltern in der heimischen Gruft in Transsilvanien ein Fest mit der gesamten Verwandtschaft. Kurz bevor die Geburtstagsfeier steigen kann, rebelliert Rüdigers älterer Bruder Lumpi mal wieder gegen die strengen elterlichen Regeln und begeht eine Dummheit, die Vampirjäger Geiermeier und dessen Assistenten Manni auf die Spur der Familie führt. Als die beiden Schurken die gesamte Gruft abriegeln, können sich nur Rüdiger, seine kleine Schwester Anna und die Eltern in Sicherheit bringen und zu Verwandten in den Schwarzwald fliehen. Hier verbringt gerade der 13-jährige Anton Bohnsack die Ferien mit seinen Eltern. Als Fan von Grusel¬geschichten freut er sich riesig, endlich mal einen waschechten Vampir kennenzulernen! Nach anfänglichen Schwierigkeiten schließen die beiden ungleichen Jungen Freundschaft und versuchen gemeinsam, Geiermeier und Manni endgültig das Handwerk zu legen und den Vampirclan aus der Gruft zu befreien.
Kritik
Die erfolgreiche Buchreihe „Der kleine Vampir“ von Angela Sommer-Bodenburg verkaufte sich weltweit über 12 Millionen Mal und erfuhr schon lange vor ihrer Fertigstellung diverse Adaptionen wie Hörspiele, Comics, Musicals und natürlich eine Handvoll Film- und Fernsehproduktionen. Sie alle arbeiteten sich bereits auf ganz unterschiedliche Art und Weise an den kreativen Vampir-Geschichten rund um den Blutsauger Rüdiger von Schlotterstein ab. In ihren zwanzig Bänden erzählt die Autorin von einer aufkeimenden Freundschaft zwischen Mensch und Vampir – der letzte Teil erschien gerade erst vor zwei Jahren unter dem Titel „Der kleine Vampir und die letzte Verwandlung“. Für eine Kinderbuchreihe endet dieser Band dann sogar überraschend radikal – eine Feststellung, die im Anbetracht der neuesten Verfilmung nicht gemacht werden kann, denn die nicht auf einem einzelnen Band basierende, sondern sich an der Thematik im Gesamten orientierende Animationsfilmvariante der Reihe ist ein ziemlich zahnloses Unterfangen. Das bezieht sich beileibe nicht bloß auf die weichgespülte Geschichte, in der die in Familienfilmen mittlerweile Usus gewordene Message um Toleranz und den Glauben an sich selbst im Eilverfahren abgehandelt wird. Auch im Hinblick auf den technischen Aufwand erweist sich „Der kleine Vampir“ als der Vorlage zu keinem Zeitpunkt würdige Hommage, sondern erscheint eher wie ein unüberlegter Schnellschuss.
Eigentlich ist Produzent, Drehbuchautor und Regisseur Richard Claus mit der Materie vertraut; trat er doch bereits als Producer der 2000er-Realverfilmung „Der kleine Vampir“ von Uli Edel in Erscheinung. Gemeinsam mit Zeichentrickexperte Karsten Kiilerich (inszenierte unter anderem diverse Episoden der Fernsehserien „Bibi Blocksberg“ und „Bibi & Tina“) setzen die Verantwortlichen hier also auf ein segmenterprobtes Duo, doch das lieblose Endergebnis spricht Bände: Eine erfolgreiche Vorlage macht eben noch lange keinen guten Film. Das beginnt bei der visuellen Gestaltung. Mit Ausnahme einiger hübscher Hintergründe entspricht „Der kleine Vampir“ allenfalls der Qualität von Zwischensequenzen von Neunzigerjahre-Computerspielen. Weder bei der Animation der starren, leblosen Figuren, noch den lediglich skizzenhaft gezeichneten Kulissen wurde sich irgendeine Mühe gegeben. Stattdessen setzt man zur Verschleierung der technischen Schwachpunkte auf hektische Actionszenen und allerlei skurrile Ideen; etwa wenn Rüdiger, um seinen Blutdurst zu stillen, einer Kuh in den Hals beißt, die wenig später als Vampir-Kuh in Erscheinung tritt und sogar eine nicht unwichtige Rolle im Kampf gegen den Endgegner spielt. Letzterer setzt sich zusammen aus einer mit homoerotischen Untertönen versehenen Vampirjägerkonstellation. Weshalb Geiermeier sich auf die Auslöschung der Blutsauger spezialisiert hat, wird bis zuletzt nicht deutlich und seinem Gehilfen Manni genügt die Sucht nach Aufmerksamkeit seines von ihm angehimmelten Chefs als Motivation, um sämtlichen Vampiren auf der Welt den Garaus zu machen. Eine interessante Schurkencharakterisierung sieht anders aus.
Doch auch die allesamt von wenig enthusiastischen Sprechern zum Leben erweckten Protagonisten haben nicht das Glück einer ausführlichen Charakterzeichnung. Der Rüdiger von Schlotterstein dieses Films entspricht dem Stereotyp eines rebellischen Teenagers, der per se erst einmal gegen alles ist und dafür noch nicht einmal Gründe braucht. Die Tragik hinter der Unsterblichkeit kommt dabei überhaupt nicht zum Tragen. Stattdessen muss es genügen, dass sich Rüdiger in der Eröffnungssequenz über die seit drei Jahrhunderten ewig gleiche Geburtstagszeremonie seiner Familie beschwert. Treffen er und der Menschenjunge Anton aufeinander, kommt aufgrund der altbewährten „Fish Out of Water“-Formel immerhin ein wenig Schwung in die Handlung (auch wenn die Macher schon sehr willkürlich damit umgehen, was Rüdiger an modernen Worten und Gerätschaften nun kennt und was nicht – Autos scheint er zu kennen, das Wort „cool“ hingegen nicht), denn gerade für die kleinsten Zuschauer ergibt sich durch das Aufeinanderprallen dieser zwei unterschiedlichen Kulturen jede Menge Slapstick und Wortwitz. Wenn Anton seinen neuen Freund in Alufolie einwickelt, damit dieser auch bei Tageslicht vor die Tür kann, lassen Antons fahrige Erklärungen für dieses kuriose Bild dann auch die Erwachsenen kurz einmal schmunzeln. Funktionierende Gags sind in „Der kleine Vampir“ allerdings Mangelware.
Diese groben Schwachpunkte, die den erwachsenen Zuschauern allerdings deutlich stärker aufstoßen dürften, als den kleinen, lassen sich auch auf der dramaturgischen Ebene kaum ausgleichen. Dafür bleiben sämtliche Figuren bis zuletzt viel zu unterbelichtet und der eigentlich so spannende Culture-Clash reduziert sich auf grob gezeichnete Klischees, während die Annäherung zwischen Mensch und Vampir wiederum in den letzten zehn Minuten im Schnellverfahren abgehakt wird. Eine familienfilmtaugliche Toleranzmessage natürlich inbegriffen. Bis es soweit ist, muss der Zuschauer allerdings noch einen lieblosen Kampf zwischen Vampir und Vampirjäger über sich ergehen lassen, die sich so penetrant in den Mittelpunkt drängt, dass die sympathische Interaktion zwischen Rüdiger und Anton – und damit ja eigentlich das Herzstück der Geschichte – dagegen kaum zur Wehr setzen kann. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe merkwürdiger Zeitgenossen, die der Autor als Sidekicks erdacht hat, um die Gagdichte von „Der kleine Vampir“ in die Höhe zu schrauben. Doch so ulkig es auch sein mag, ein altes Ehepaar im tiefsten schwäbischen Dialekt über die Blutsauger herziehen und sich über ihre Hotelgäste wundern zu lassen, so sehr erschöpft sich dieser Gag bei einem zu gewollten Einsatz. Wir hätten stattdessen viel lieber mehr über Anton und seine Familie erfahren, doch Mutter und Vater sind – genau wie die Sippschaft von Vampir Rüdiger – bis zuletzt nur Staffage.
Fazit: „Der kleine Vampir“ von 2017 ist ein weitgehend lieblos animiertes Abenteuer für die ganz Kleinen, die sich immerhin an den ausufernden Slapstick- und Actioneskapaden erfreuen können. Das Herz und die Seele der Bücher greifen die Macher nicht auf. Ihr Rüdiger von Schlotterstein ist einfach nur eine x-beliebige Figur in einem x-beliebigen Animationsfilm.
„Der kleine Vampir“ ist ab dem 26. Oktober bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in 3D!