The Boss Baby

Im 3D-Animationsfilm THE BOSS BABY stellt ein Dreikäsehoch in Anzug und Krawatte das Leben seiner neuen Familie ganz schön auf den Kopf. Die Prämisse klingt absurd und gerade deshalb wie gemacht für einen spaßigen Kinoabend. Doch hält der Film, was die Idee verspricht? Das und mehr verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Er trägt einen Anzug, spricht mit der Stimme und dem Esprit eines knallharten Geschäftsmannes und hat seine Umgebung fest im Griff: der schnullersaugende Neuzugang in der Familie des siebenjährigen Tim. Der Haken an der Sache: Bei diesem Baby (deutsche Stimme: Klaus-Dieter Klebsch) handelt es sich um kein normales Baby, sondern um den Spion einer geheimen Organisation. Es soll mithilfe von ein paar anderen Windelträgern ein geheimes Komplott aufdecken. Eine Firma für Hundewelpen hat es auf die weltweite Niedlichkeit abgesehen. Mit einer neu entwickelten Spezies wären Menschenbabys bald nicht mehr nötig, um Groß und Klein in Verzückung zu versetzen. Boss Baby muss diesen Coup verhindern. Wenn es ihm gelingt, winkt ihm der Chefposten in seiner Firma. Doch Tim ist nicht bloß der Einzige, dem das merkwürdige Verhalten seines neuen Brüderchens aufzufallen scheint, er will die Aufmerksamkeit seiner Eltern schon gar nicht mit so einem Kotzbrocken teilen. Also schließen er und das Baby einen Pakt, für den jedoch beide am selben Strang ziehen müssen.
Kritik
Dreamworks Animation hat mit der „Madagascar“-Reihe, dem Spin-Off „Die Pinguine aus Madagascar“ oder den „Kung Fu Panda“-Filmen viel zum modernen CGI-Movie-Trend beigetragen. Wo Disney und Pixar in der Regel Herz und Hirn ansprechen, ist das Studio mit dem Mondsichellogo vornehmlich für das Komikzentrum zuständig. Insofern kann man sich die Verfilmung des schon auf dem Papier so absurd anmutenden Bilderbuches „The Boss Baby“ gar nicht so recht bei der Konkurrenz vorstellen; ein um keinen coolen Spruch verlegenes Baby in Anzug und Krawatte, unterwegs auf geheimer Mission im Auftrag aller Babys dieser Welt: Das lässt sich wohl kaum auch nur ansatzweise ernst zu nehmend inszenieren. Tatsächlich ist die neueste Regiearbeit des bei Dreamworks Animation bereits gut bekannten Filmemachers Tom McGrath („Madagascar 3“) dann auch eher ein netter Abenteuerspaß für zwischendurch geworden; die Halbwertszeit anderer, weitaus tiefsinniger erzählter Animationsfilme jüngerer Vergangenheit besitzt „The Boss Baby“ nicht. Dafür hat der Film neben einigen visuellen Schmankerln und pfiffigen 3D-Effekten immerhin eine nette Meta-Ebene zu bieten, die sich in erster Linie an Erwachsene richtet, die selbst mit dem Gedanken spielen, bald ein Kind in diese Welt zu setzen.
Keine Sorge: „The Boss Baby“ verzichtet auf einen belehrenden Zeigefinger oder andere Ideen, um werdenden Eltern ihren Nachwuchs madig zu machen. Stattdessen treiben Tom McGrath und sein Drehbuchautor Michael McCullers („Die Abenteuer von Mister Peabody und Sherman“) einfach nur den Grundsatz auf die Spitze, dass ein neuer Erdenbewohner das Leben seiner Eltern vom Tag seiner Geburt ganz schön auf den Kopf stellt. Vor allem aber geht es um Tim, den laut Beschreibung siebenjährigen, im Film jedoch einige Jährchen älter wirkenden, großen Bruder vom Boss Baby, das von den Plänen eines Geschwisterchens so gar nichts wissen will. Die Angst, die Aufmerksamkeit von Mama und Papa fortan mit Bruder oder Schwester teilen zu müssen, manifestiert sich in ebenjenem Boss Baby, das nicht bloß die übliche Beachtung eines Säuglings einfordert und mit Spielsachen und Kindermöbeln das ganze Haus in Beschlag nimmt, sondern vor allem Tim noch auf ganz andere Art und Weise auf Trab hält: Das Baby mutiert nämlich tatsächlich zum Boss und nutzt die Situation, von Tim versehentlich enttarnt worden zu sein, aus, um ihn fortan für sich arbeiten zu lassen. Das klingt ziemlich kurios und tatsächlich strotzt „The Boss Baby“ nur so vor absurder Ideen, wodurch der Eindruck eines runden Ganzen jedoch nie so ganz entstehen will. Stattdessen präsentiert sich der mit seinen 90 Minuten immerhin recht kurzweilig geratene Film als Aneinanderreihung komischer Situationen, die auch in einer animierten Sketch-Comedy gut aufgehoben wären.
Slapstick, Tempo und bunte Farben für die Kleinen, Popkulturanspielungen für die Großen und der kleinste gemeinsame Nenner findet sich meist in der mit einer universellen, altersübergreifenden Message versehenen Handlung: Dieses inszenatorische Konzept haben sich gerade die Filme der Dreamworks-Animationsschmiede im Laufe der letzten Jahre sehr gut zueigen gemacht und ein Blick auf die Box-Office-Zahlen zeigt, dass es funktioniert. „The Boss Baby“ tritt da zwar durchaus in die Fußstapfen seiner Vorgänger, geht inhaltlich jedoch mitunter mutiger vor. Vor allem die Szenen aus dem Inneren der ausschließlich von Babys geführten Firma sind nicht bloß thematisch überraschend komplex, sondern stecken voller Querverweise in Richtung unseres modernen, schon in jungen Jahren von Erfolgsstreben getriebenen Lebens. Hier gehen viele Gags an den ganz jungen Zuschauer vorbei, für die „The Boss Baby“ hier und da zur Geduldsprobe werden kann. Als erwachsene (Begleit-)Person hat man hier dagegen umso mehr Spaß, wenngleich die Macher diesen schwarzhumorigen Ansatz nicht konsequent verfolgen. Nach einem unrhythmischen Auftakt und einem sehr guten Mittelteil steuert „The Boss Baby“ im letzten Drittel auf einen nur allzu banalen Showdown hin, der sich auch mit „Stirb langsam“-, und „Indiana Jones“-Zitaten nicht aufwerten lässt.
Je hektischer es in „The Boss Baby“ zugeht und je mehr sich die Macher auf Spektakel verlassen, desto austauschbarer wird auch die Handlung. Das in ein klassisches Verfolgungsjagdszenario mündende Finale macht viel der zuvor aufgebauten Einzigartigkeit kaputt und auch den metaphorischen Überbau scheint mit Einsetzen des rührigen Nachklapps kaum mehr einer im Hinterkopf zu haben. Überhaupt steckt „The Boss Baby“ voller kleiner und großer, innerfilmischer Logiklöcher, die selbst für eine Produktion dieses Segments überraschend oft ins Gewicht fallen. Für die visuelle Aufmachung gilt das ebenso, wenngleich diese sich absolut positiv auf den Film auswirkt. Die Macher von „The Boss Baby“ verlassen sich nämlich nicht ausschließlich auf den klassischen 3D-Animationsfilmlook, sondern reichern ausgewählte Szenen immer wieder mit zweidimensionalen Zeichnungen an, um die riesige Fantasie von Hauptfigur Tim der vorherrschenden Realität gegenüber zu stellen. In solchen Momenten entwickelt „The Boss Baby“ eine echte Magie, die im Umkehrschluss mit der Ausgangslage versöhnlich stimmt. Sowohl Tim, als auch der Zuschauer sind sich am Ende absolut sicher, dass so ein Baby zwar ganz schön anstrengend sein kann, das eigene Leben aber auch um unzählige Dinge bereichert. Und wo wir schon gerade bei „Bereichern“ sind: Manchmal ist es ausgerechnet die Abwesenheit – in diesem Fall die semi-prominenter Synchronsprecher – die „The Boss Baby“ auf akustischer Ebene zu einem echten Genuss macht.
Fazit: Der technisch astreine 3D-Film „The Boss Baby“ beginnt unkoordiniert, wird im Mittelteil durch überraschend bösen Humor und amüsante Seitenhiebe in Richtung Erwachsenenwelt zu einem wirklich unterhaltsamen Animationsfilm-Happening und endet schließlich in ein ziemlich routiniert-austauschbares Abenteuer-Finale, das dem zuvor aufgebauten Charme nicht gerecht wird.
„The Boss Baby“ ist ab dem 30. März bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in starkem 3D!