Ballerina

Die französisch-kanadische Animationsproduktion BALLERINA erzählt eine altbekannte „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Geschichte vor der Kulisse Frankreichs im 19. Jahrhundert. Dabei holt das Regieduo exakt so viele Besonderheiten aus seinem Setting heraus, wie es Chancen auf Wiedererkennungswert verspielt. Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Félicies Füße wollen einfach nicht still stehen: Das 12-jährige Mädchen träumt von nichts anderem als Tänzerin zu werden. Doch in dem Waisenhaus, in dem sie aufwächst, hält man ihren tollpatschigen Bewegungsdrang für Unfug. Einzig der gleichaltrige Victor (Max von der Groeben), dessen Traum ein berühmter Erfinder zu werden ebenfalls belächelt wird, glaubt an die zukünftige Ballerina. Natürlich hat Victor auch schon einen genialen Fluchtplan entwickelt, der die beiden auf turbulente Weise direkt in die Stadt katapultiert, in der ihren Träumen nichts mehr im Weg stehen soll: Paris – die Stadt der Lichter und Entstehungsort einer futuristischen Stahlkonstruktion namens Eiffelturm. In der quirligen Metropole werden die beiden schon bald getrennt und Félicie (Maria Ehrich), allein auf sich gestellt, macht sich auf die Suche nach dem Pariser Opernhaus. Was sie dort sieht, verschlägt ihr glatt den Atem und bestärkt sie in ihrem Entschluss: Sie will auf dieser Bühne tanzen! Doch einen Platz in der elitären Ausbildungsstätte zu ergattern ist für ein Waisenmädchen vom Lande eine schier unüberwindbare Hürde. Félicie ist auf Hilfe angewiesen – und auf ein paar kleine Tricks…
Kritik
Als das kleine Waisenmädchen Félicie eines Abends von der strengen Waisenhaus-Aufseherin zur Ordnung gerufen wird, ergießt sich über sie und den Zuschauer ein Monolog, wie er niederschmetternder kaum sein könnte. Träume sind Schäume, sollten gar nicht erst in die Tat umgesetzt werden und wer sein Leben lebt, ohne dabei auf eine möglichst positive Zukunft zu schielen, der ist alles in allem doch wesentlich zufriedener, weil er sich über vertane Chancen keinen Kopf zu machen braucht. Dass sich die von einer großen Ballettkarriere träumende Félicie davon nicht einschüchtern lässt, ist sonnenklar. Schließlich folgt auch die französische-kanadische CGI-Produktion „Ballerina“ dem Vorbild diverser jüngerer und älterer Kinder- und Familienfilme, in denen es um Selbstbestimmung und den Glauben an sich selbst geht. Schließlich wussten schon Judy Hopps („Zoomania“) und Dorie („Findet Dorie“), dass man alles erreichen kann, wenn man seine Ziele fest im Blick hat. Doch so subtil und zurückhaltend die Botschaft in ebenjenen genannten Beispielen an das Publikum herangetragen wurde, so brachial und bisweilen ein wenig stumpfsinnig gerät diese Message in „Ballerina“. Die hier präsentierte „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Abwandlung richtet sich bevorzugt an jene Zuschauer, für die eine solch lebensbejahende Botschaft noch völlig neu ist und die sich gerade durch diesen leicht überreizten Optimismus der Hauptfigur anstecken lassen. Dafür trägt „Ballerina“ nicht bloß das Herz am rechten Fleck, sondern verzichtet sogar in Gänze auf modernen Schnickschnack wie Popkulturanspielungen und aufgesetzten Jugendsprech.
Die „Ballerina“-Regisseure Eric Summer („Profiling Paris“) und Éric Warin (wirkte am Charakter-Design von „Das große Rennen von Belleville“ mit) können mit einer inszenatorischen Entscheidung wahrlich punkten: Mit der Positionierung der Geschichte im Paris des späten 19. Jahrhunderts besitzt ihr Film ein großes Alleinstellungsmerkmal. Wenngleich die alteingesessenen Animationsstudios sicher wesentlich mehr aus diesem exotischen Setting herausgeholt hätten (die mitunter äußerst detailreichen Hintergründe beißen sich mit den skizzenhaft anmutenden Bewegungen diverser zwei- und vierbeiniger Figuren), lädt die Szenerie an sich schon dazu ein, das Flair der damaligen Zeit aufzusaugen. Für geschichtliche Einschübe bleibt indes keine Zeit; Summer und Warin erlauben es sich lediglich, Félicies Freund Victor zum Gehilfen von Frédéric-Auguste Bartholdi zu machen; jenem Bildhauer, der einst die Freiheitsstatue – die in „Ballerina“ übrigens noch nicht ganz fertig ist – designte. Davon abgesehen könnte die Story auch in jeder anderen Dekade spielen. Zu damaliger Zeit festgefahrene Denkmuster wie die Betonung der Grenzen zwischen der Ober- und der Unterschicht lassen sich heute schließlich immer noch erkennen. Vollkommen unpassend wirkt hingegen die Dauerberieselung durch diverse Pop-Songs, die das Geschehen bei jeder halbwegs passenden Gelegenheit auch nochmal akustisch kommentieren. Zwar zieht sich ein halbwegs roter Faden durch die Musikauswahl – immerhin werden ausschließlich Songs einer bestimmten Künstlerin verwendet, doch mit der Zeit beschleicht einen durchaus der Verdacht, dass hier Werbung für ein neues Album gemacht werden soll.
Abseits des Settings bleibt „Ballerina“ dann allerdings doch eine seichte, weitestgehend überraschungsarme Selbstfindungsgeschichte. Trotzdem dürfte gerade die junge Zielgruppe Spaß an dieser haben, denn mit ihrer dynamischen, flotten Erzählung und den liebenswerten Figuren mitsamt ihrer nachvollziehbaren Probleme lädt die Geschichte an vielen Stellen dazu ein, sich mit den Gedanken und Taten der kleinen Heldin zu identifizieren. Das Gesamtkonzept von „Ballerina“ ist simpel und selbsterklärend (bei den vielen Bildmontagen, die Félicie beim Training für die Ballettakademie zeigen, würde ein Rocky neidisch werden!) genug, um die Allerkleinsten nicht zu überfordern und geht gerade in Richtung Schlussakt ordentlich in die Vollen, wenn sich der Kampf zwischen Gut und Böse zwar arg klischeehaft aber irgendwie auch recht effektiv auflöst. Trotzdem passen die gen Ende immer häufiger eingestreuten Actioneinlagen nicht recht zum vorab so glaubhaft etablierten Grundszenario, wenn das Wort „Dance-Battle“ hier eine völlig neue Bedeutung erhält. Immerhin: Hier passt es dann endlich mal wieder, dass die Radiopopmusik bis zum Anschlag aufgedreht wird.

Gen Ende hin wird „Ballerina“ leider – im wahrsten Sinne des Wortes – immer abgehobener, was ihm nicht gut tut…
Von elementarer Wichtigkeit für einen Animationsfilm ist immer auch die Wahl der Synchronsprecher. Und da „Ballerina“ weder bei der Optik, noch inhaltlich über alle Maße punkten kann, ist es der ausgewählten Riege an Schauspielern und Stimmgebern zu verdanken, dass der Film in letzter Instanz dann doch immer ein durchgehend angenehmes Kinoerlebnis bleibt. Die beiden Hauptfiguren Félicie und Victor werden jeweils von Maria Ehrich („Edelstein-Trilogie“) sowie Max von der Groeben („Fack ju Göhte“) synchronisiert und schaffen es gekonnt, die fehlende Raffinesse im optischen Design mit ihrer Sprache aufzuwiegen. Ehrich gelingt es hervorragend, die zerbrechliche Seite Félicies ebenso herauszuarbeiten, wie die toughe und selbstbewusste, während Max von der Groeben als Victor kaum als er selbst zu erkennen ist und sich ganz in den Dienst seiner gutmütigen, offenherzigen Rolle stellt. Als Debütant überrascht darüber hinaus der sicherlich auch dank seiner Position als „Let’s Dance“-Juror ausgewählte Joachim Llambi, der hier den gestrengen Ballettlehrer mimt und dabei eine Fairness mit einer Konsequenz verbindet, wie wir sie auch bereits aus seinen Engagements bei der RTL-Tanzshow kennen. In Nebenrollen verzichtete man indes auf weitere bekannte Namen, sondern setzt ganz unspektakulär (aber passend) auf alteingesessene Routiniers der Synchronbranche.
Fazit: Optisch wie erzählerisch kann der 3D-Animationsfilm „Ballerina“ längst nicht mit den Produktionen der großen Frontrunner-Studios mithalten. Doch obwohl die Geschichte über ein Waisenmädchen, das gern eine Ballerina wäre, in weitestgehend schematischen Bahnen verläuft, verhelfen ihr die soliden Sprecherleistungen, die schnörkellose Botschaft und der poppige Soundtrack zu einer immer noch durchschnittlichen Wertung.
„Ballerina“ ist ab dem 12. Januar in den deutschen Kinos zu sehen – auch in 3D!