Jason Bourne

Neun Jahre nachdem Matt Damon zuletzt in die Rolle des Superspions geschlüpft ist, meldet er sich im gleichnamigen Thriller JASON BOURNE nun endlich wieder zurück. Damon hätte gut daran getan, gleich seiner Figur in der Versenkung verschwunden zu bleiben. Der neueste Film von Paul Greengrass ist erzählerisch wie visuell eine absolute Nullnummer. Warum, das erfahrt Ihr in meiner Kritik.Jason Bourne

Der Plot

Jason Bourne (Matt Damon) lebt verborgen im Untergrund. Als seine alte Verbündete Nicky Parsons (Julia Stiles) ins Visier der CIA gerät, taucht Bourne wieder auf, um ihr zu helfen. Mit neuen Informationen zu seiner Vergangenheit konfrontiert, wird dem ehemaligen Top-Spion der CIA bald klar, dass er sich in akuter Lebensgefahr befindet. Denn die CIA hat nicht nur ihre beste Cyber-Spezialistin Heather Lee (Alicia Vikander) auf ihn angesetzt, sondern auch einen Spezialagenten (Vincent Cassel), der vor nichts zurückzuschrecken scheint. Die halsbrecherische Flucht vor seinen Gegnern und die Suche nach Vergeltung verschlagen ihn durch ganz Europa und die halbe Welt. Meist mit nicht mehr als seinen bloßen Händen bewaffnet, sieht er einer globalen Verschwörung entgegen. Wem kann Bourne trauen – außer sich selbst?

Kritik

2016 ist das Jahr der späten Fortsetzungen. Bringt Disney sein „Findet Nemo“-Sequel „Findet Dorie“ 13 Jahre nach dem ersten Teil in die Kinos, ließ sich Roland Emmerich satte zwanzig Jahre Zeit, um die Aliens für einen zweiten „Independence Day“ wiederkehren zu lassen. Zwischen „Ghostbusters II“ und der heiß diskutierten Neuauflage „Ghostbusters“ liegen sogar noch einmal sieben Jahre mehr, auch wenn es sich hier zugegebenermaßen nicht um eine Fortsetzung, sondern um ein Remake handelt. Gleichwohl greift auch Sony Pictures damit nach langer Zeit auf eine altbewährte Marke zurück, um sie für das gegenwärtige Publikum neu aufzubereiten. Sogar bei den weniger massentauglichen Franchises wie etwa „Barbershop“ ist dieser Trend zu beobachten. Aktuell läuft mit „Barbershop – The Next Cut“ der dritte Teil der Reihe in den deutschen Kinos, der somit zwölf Jahre nach dem letzten inszeniert wurde. Dagegen wirkt die Zeitspanne zwischen „Das Bourne Ultimatum“ und „Jason Bourne“ fast schon läppisch; die Macher ließen lediglich neun Jahre vergehen, um Matt Damon („Der Marsianer“) in seiner Paraderolle als Top-Spion mit Amnesie auf die Leinwand zurückzuholen. Als dieser nach dem dritten Teil der „Bourne“-Reihe verkündet hatte, kein weiteres Mal in die Haut von Jason Bourne schlüpfen zu wollen, ließ man Jeremy „Hawkeye“ Renner 2012 für ein Spin-Off einspringen. „Das Bourne Vermächtnis“ rief gespaltene Reaktionen hervor; Damon besitzt also die beste Ausgangslage, um sich mit einem Knall zurückzumelden.

Matt Damon

Knallen tut es in „Jason Bourne“ dann auch tatsächlich an allen Ecken und Enden. Unter dem fast vollständigen Verzicht auf Computereffekte beweist sich auch die fünfte „Bourne“-Produktion als handgemachter Genrefilm, doch leider kann der ganze Krawall aus Stunts, Massencrashs und Explosionen noch so vielversprechend sein: Wenn das Publikum diese nicht als solche erkennt, löst sich dieser filmische Vorzug rasch in Luft auf. Wenngleich sich Paul Greengrass‘ („Captain Phillips“) mit seinem 123 Minuten langen Spy-Action-Spektakel stilistisch an den Vorgängerfilmen orientiert, ist das noch zusätzlich von dem stroboskopartigen Schnitt vollkommen zerschossene Kameragewackel von Barry Ackroyd („The Big Short“) hier kaum noch zu ertragen. Das mag mitunter der Tatsache geschuldet sein, dass sich jene Art der Bildkomposition bereits in den vorausgegangenen Franchise-Filmen als markantes Stilelement bewiesen hat. Darüber hinaus haben Experimente wie das First-Person-Geballer „Hardcore“ und der inzwischen wieder abgeklungene Trend zum Found Footage bewiesen, dass das Publikum nicht mehr die volle Übersicht über das Geschehen zu brauchen, sondern stattdessen den „ganz nah dran am Geschehen“-Faktor als zusätzliches Schmankerl zu genießen scheint. Im Falle von „Jason Bourne“ wirkt die Arbeit von Barry Ackroyd jedoch nicht bloß vielerorts willkürlich, auch der Kontext gibt den rauen Amateurlook nicht immer her. Eine Szene im von Gewalt und Demonstrationen durchgeschüttelten Athen ist für ein solches, stilistisches Schmankerl tatsächlich einladend, um die fehlende Übersicht und das vorherrschende, anarchische Feeling zu unterstreichen. Wenn Ackroyd dem Protagonisten beim Blättern in Aufzeichnungen über die Schulter schaut, ist es indes vollkommen sinnlos, die Kamera nicht für einen Moment still zu halten. So kommt, was kommen muss: Je hektischer und anspruchsvoller die Action wird, desto anstrengender werden die dazugehörigen Bilder. Schließlich sind bei einer Verfolgungsjagd durch die Zockermetropole Las Vegas minutenlang nur noch Bildfetzen der Szenerie zu erkennen.

Da sich „Jason Bourne“ in seinem Genre als Actionfilm klar über die Actionszenen definiert, wird ein Großteil des Films nahezu unbrauchbar. So ist es umso wichtiger, dass der andere Part diesen Faux Pas wenigstens im Ansatz auszugleichen vermag. Doch das Skript von Christopher Rousse und Paul Greengrass, die gemeinsam auch schon an diversen anderen Werken des Regisseurs arbeiteten, ist voller logischer Fallstricke, Inkonsequenzen und lapidarer Nebenhandlungsstränge, die es der Geschichte unmöglich machen, eine eigene Identität aufzubauen. Das fängt bei den Figuren an: Lediglich die von Alicia Vikander („Codename U.N.C.L.E.“) passioniert verkörperte CIA-Agentin Heather Lee sowie der von Vincent Cassel („Mein Ein, mein Alles“) mit Inbrunst gespielte Asset haben auf dem Papier das Potenzial, mehr zu sein als eine dramaturgische Triebfeder. Gleichzeitig hält das Skript nicht mehr für die beiden bereit, als das Ausführen des Jobs; Vikanders Agieren geht nicht über das Entgegennehmen von Befehlen sowie das Geben selbiger hinaus, während Assets spannender Rache-Gedanke an Bourne nur angerissen, aber nie genauer beleuchtet wird. Derweil wirkte Matt Damon lange nicht mehr so leidenschaftslos, Julia Stiles‘ („Unter Beobachtung“) Auftreten ist viel zu kurz, um mehr aus ihrem Können zu schöpfen, Tommy Lee Jones („The Homesman“) spult gelangweilt das Standard-Repertoire des undurchsichtigen CIA-Chefs ab und die Figur des Aaron Kalloor (Riz Ahmed), einer Art indischer Mark Zuckerberg, hat inhaltlich keinerlei Relevanz und dient einzig und allein dazu, ein wenig zeitgenössische Gesellschaftskritik im Film unterzubringen, die das Geschehen schlussendlich aber nicht bereichert, sondern vielmehr ausbremst.

Vincent Cassel

So willkürlich die Auswahl ins Geschehen involvierter Figuren daherkommt, so austauschbar erscheint schlussendlich auch das Geschehen selbst. Ohne eine lange Einführungsphase wirft Greengrass den Zuschauer direkt in die Story. Die Umstände von Figuren und Szenerie werden nicht nur nicht erläutert (wenngleich man Streiten darf, ob der fünfte Teil eines Franchises den Service des Rückblicks überhaupt bieten muss oder vorrausetzen darf, dass der Zuschauer sich damit selbst schon auseinander gesetzt hat), sie haben für den Verlauf der Geschichte auch keinerlei Bewandtnis. Fortentwicklungen in der Charakterzeichnung von Hauptfigur Jason Bourne gibt es nicht; am Ende der zweistündigen Odyssee einmal rund um den Erdball ist der immer kaltblütiger agierende Bourne an exakt demselben, seelischen Punkt, wie 120 Minuten zuvor. Alles, was sich zwischen Vor- und Abspann abspielt, hat mit Ausnahme der Dezimierung einiger Figuren keinerlei Auswirkungen auf den titelgebenden Helden, der hier obendrein immer mehr von der Opfer- in eine Täterrolle gedrängt wird. Wie sehr das von den Machern, aber auch vom Studio beabsichtigt ist, lässt sich schwer einschätzen. Schlussendlich lässt „Jason Bourne“ bei seiner solch hohen Headshot-Anzahl, ausgehend von sämtlichen Beteiligten, immer mehr den Schluss zu: In diesem Franchise kann man sich zwangsläufig mit Niemandem so recht arrangieren. Und dann bleibt bei einem auf die breite Masse zugeschnittenen Blockbuster nur die Frage übrig, weshalb man sich zwei Stunden lang mit solch sinnlosem und obendrein nicht als solches identifizierbarem Geballer in ein Kino einschließen sollte.

Fazit: Das hatte sich Matt Damon sicher anders vorgestellt. „Jason Bourne“ hat handwerklich toll in Szene gesetzte Actionszenen zu bieten, die von Kamera und Schnitt jedoch ruiniert werden. Erzählerisch hat dieser fünfte Teil der „Bourne“-Reihe nicht bloß keinerlei Auswirkungen auf die titelgebende Hauptfigur, am Ende ist auch der Zuschauer genau so schlau wie vorher. Und die einzigen interessanten Charaktere werden in ihren Positionen als Stichwort-Geber und Standard-Schurke verheizt.

„Jason Bourne“ ist ab dem 11. August in den deutschen Kinos zu sehen.  

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