The Nice Guys

In seiner erst dritten Regiearbeit nach „Kiss Kiss Bang Bang“ und „Iron Man 3“ schickt Regisseur Shane Black die Superstars Russell Crowe und Ryan Gosling in THE NICE GUYS als ungleiches Ermittlerduo durchs Los Angeles der Siebzigerjahre. Hält der Film, was die urkomischen Trailer versprechen? Das und mehr verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Holland March (Ryan Gosling), ein abgehalfterter Privatdetektiv, und Jackson Healy (Russell Crowe), der als Mann fürs Grobe angeheuert wird, haben nicht viel gemeinsam. Doch dann werden beide in den Fall der vermissten Amelia (Margaret Qualley) verstrickt. Widerwillig zur Zusammenarbeit gezwungen, streifen sie gemeinsam mit Marchs pubertierender Tochter Holly (Angourie Rice) durch Los Angeles, um verworrenen Hinweisen auf den Grund zu gehen. Bis Amelias Spur sie zu einer Multi-Milliarden-Dollar-Verschwörung führt, die bis in die höchsten Kreise reicht und sie zum Ziel skrupelloser Profikiller macht.
Kritik
Das Schöne am dieser Tage zu Ende gegangenen Filmfestival von Cannes ist die Flexibilität innerhalb der Programmzusammenstellung. Während die Produktionen im offiziellen Wettbewerb in der Regel einen hohen, nicht selten auch ziemlich intellektuellen Anspruch vorweisen können, ist der Ablauf hier und da mit Stoffen gespickt, die in den USA und hierzulande für ein breites Publikum gedacht sind. Ein Hauch Mainstream an der Côte d’Azur, sozusagen. In diesem Jahr feierte dort neben Steven Spielbergs Fantasymärchen „My Big Friendly Giant“ und Jodie Fosters Geiselkrimi „Money Monster“ auch Shane Blacks – pardon – abgefuckte Gangsterposse „The Nice Guys“ ihre Premiere. Der Regisseur von „Iron Man 3“ begibt sich darin zurück auf seine Spuren, die er 2005 mit seiner kultigen Romanverfilmung „Kiss Kiss Bang Bang“ hinterließ. Auch in „The Nice Guys“ geht es um einen abstrusen Kriminalfall, der, gespickt mit einigen pfiffigen Twists und Wendungen, lediglich als Rahmenhandlung für ein äußerst kreatives Sammelsurium aller möglicher (und unmöglicher) Gags fungiert, mithilfe derer sich damals Robert Downey Jr., heute Ryan Gosling und Russell Crowe, von ihrer ebenso komischsten wie uneitelsten Seite zeigen. An die Stärken von „Kiss Kiss Bang Bang“ reicht „The Nice Guys“ trotz Starbesetzung und hoher Gagdichte zwar nicht heran, doch sieht man von der arg vorhersehbaren Story einmal ab, bietet die Geschichte um ein Privatermittlerduo wider Willen jede Menge Gelegenheiten, im Kino mal wieder Tränen zu lachen.
Mit „The Nice Guys“ zelebriert Drehbuchautor und Regisseur Shane Black nicht bloß die vielfältigen Möglichkeiten innerhalb US-amerikanischer Buddy-Cop-Movies, sondern auch das Jahrzehnt der Siebzigerjahre. Rein theoretisch hätte der Filmemacher seine Produktion auch im Hier und Heute ansiedeln können, doch der stilechte Seventies-Look verpasst „The Nice Guys“ einerseits unübersehbar, andererseits unaufdringlich den Stempel „Kultfilm“. Bei aller Konzentration auf das nostalgische Flair ist Blacks Film zeitlos dynamisch und hebt sich gerade durch die Kulisse des Los Angeles der 70er von den vielen Hollywood-Hochglanz-Komödien aktueller Dekade ab. Der so zwangsläufig stattfindende Verzicht auf Smartphones und Internet-Suchmaschinen zwingt die Ermittler zu „echter“ Arbeit. Mit dem Auto fahren die sich dauerkabbelnden Holland und Jackson zu Verdächtigen, untersuchen potenzielle Tatorte und schleusen sich auf Nobelpartys (Gatbsy lässt grüßen!) ein, um die den Fall betreffenden Puzzleteile nach und nach zusammenzusetzen. Und mit den beiden nahe an der Karikatur konzipierten Hauptfiguren erhält zudem eine gewisse Unvorhersehbarkeit Einzug ins Geschehen; der von Ryan Gosling („The Big Short“) großartig vertrottelt verkörperte Holland March lässt in zugedröhntem Zustand schon mal seine minderjährige Tochter Holly ans Steuer, während der vor allem physisch sehr präsente Russell Crowe („Das Versprechen eines Lebens“) trotz des guten Kerns seiner Figur nicht davor zurück scheut, Holly seine Dienste als Schläger anzubieten. Wer hier tatsächlich wozu in der Lage ist, lässt „The Nice Guys“ lange offen, sodass das Publikum nie sicher sein kann, ob gewisse Humor- und Gewaltspitzen bereits das Optimum dessen sind, was sich Shane Black hier ausgedacht hat, oder ob es immer noch Luft nach oben gibt.
Mithilfe dieser doch recht ambivalenten und dadurch keinesfalls bequemen Charakterzeichnung gefällt „The Nice Guys“ vor allem im Hinblick auf die spaßige Figureninteraktion. In Sachen Wortwitz ist die Gagdichte hoch, wird hier und da von treffendem Slapstick unterstützt und trumpft mit Szenen auf, die trotz ihrer Verwendung im Trailer eine dauerhafte Wirkung zeigen (wer sich trotzdem den Überraschungseffekt einiger Szenen nicht nehmen lassen möchte, macht besser einen großen Umweg über die Trailer). Weniger Euphorie löst leider die Geschichte selbst aus, die nicht bloß arg vorhersehbar ist, sondern bei ihrer Laufzeit von rund zwei Stunden auch einige Längen besitzt. Wie aus zwei unterschiedlichen Kriminalfällen schließlich einer wird, lässt sich bereits innerhalb der ersten fünfzehn Minuten erahnen. Auch welche handelnde Position welche Figur in diesem Tohuwabohu inne hat, wird im Finale auf weitestgehend genrekonforme Weise aufgelöst. Sogar in einer von Halluzinationen geprägten Drogenrauschszene kostet es Shane Black nicht aus, dass gerade in diesem Kontext so ziemlich alles Erdenkliche möglich wäre. Stattdessen begnügt sich der Filmemacher in vielerlei Hinsicht auf das handelsübliche Repertoire moderner Buddy-Cop-Komödien, trimmt diese aber immerhin auf Siebziger und zehrt sichtlich von der zwanglosen Interaktion all seiner Schauspieler – ganz gleich ob Haupt-, oder Nebendarsteller. Damit erinnert „The Nice Guys“ ein wenig an Paul Thomas Andersons „Inherent Vide“ – nur eben mit deutlich mehr Pepp und Tempo.
Womit Shane Black in seiner Inszenierung überrascht, ist ein äußerst rabiater Stil. Hierzulande ist „The Nice Guys“ gerechtfertigter Weise ab 16 Jahren freigegeben, obwohl sich der Film, gerade aufgrund der namhaften Hauptdarsteller, auch einem jüngeren Publikum anbieten würde. Doch Black lässt sich von den engen Grenzen der Sittenwächter nicht beeinflussen (auch in den USA erhielt der Film ein R-Rating). Schüsse enden blutig, Hauptfiguren segnen das Zeitliche, Frauen ziehen blank und geflucht wird ohnehin zu jeder Gelegenheit. Mit dieser angenehm raubeinigen Attitüde hebt Shane Black sein „The Nice Guys“ vom glattpolierten Hollywood-Einheitsbrei ab und setzt zugleich ein Statement für die Kunst an sich. Wie schon in „Kiss Kiss Bang Bang“ macht der Filmemacher einfach das, was ihm beliebt und drückt seinem neuesten Projekt unübersehbar seinen ganz eigenen Stempel auf. Unter dieser Voraussetzung treibt er auch Schauspielneulinge wie etwa Angourie Rice („Nowhere Boys“) zu Höchstleistungen an, die in der Rolle von Hollands frühreifer Tochter Holly auch wesentlich anstrengender hätte geraten können. Doch Rices selbstbewusste Performance gliedert sich so treffend in den ohnehin sehr extravaganten Film, dass sie bei aller Extrovertiertheit noch lange nicht das Auffälligste an „The Nice Guys“ ist.
Fazit: Trotz hoher Gagdichte hält „The Nice Guys“ nicht ganz, was die ungemein witzigen Trailer versprechen. Dafür verläuft die Geschichte selbst einen Tick zu schematisch. Trotzdem ist Shane Blacks erst dritte Kino-Regiearbeit ein inszenatorisch herrlich gegen den Strich gebürstetes Buddy-Cop-Movie, das von der Interaktion seiner beiden Hauptdarsteller lebt.
„The Nice Guys“ ist ab dem 2. Juni in den deutschen Kinos zu sehen.
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