Das Tagebuch der Anne Frank

Es ist eines der berühmtesten Bücher auf der ganzen Welt. Mit der Romanverfilmung DAS TAGEBUCH DER ANNE FRANK wagt sich der Schweizer Regisseur Hans Steinbichler an ein Drama, das thematisch nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat – leider. Mehr zum Film in meiner Kritik.Das Tagebuch der Anne Frank

Der Plot

Nach der Emigration aus Frankfurt am Main ist Amsterdam die neue Heimat der Familie Frank geworden. Anne (Lea van Acken), ihr Vater Otto (Ulrich Noethen), Mutter Edith (Martina Gedeck) und Schwester Margot (Stella Kunkat) versuchen hier, wieder ein ganz normales Leben zu führen – bis die Deutschen die Niederlande besetzen und sich auch in Amsterdam die Situation für Juden von Tag zu Tag dramatisch verschlechtert. Als Margot einen Aufruf zur Deportation ins Arbeitslager erhält, beschließt Otto Frank, mit der Familie unterzutauchen. Mit Hilfe seiner Sekretärin Miep Gies (Gerti Drassl) und anderen Mitarbeitern hat er hierfür schon seit Wochen das Hinterhaus seines Firmensitzes in der Prinsengracht 263 als Versteck vorbereitet. Etwas mehr als 50m² sind von nun an das Zuhause der Familie Frank und, kurze Zeit später, auch der Unterschlupf von Hans (André Jung), Petronella (Margarita Broich) und Peter van Daan (Leonard Carow) sowie Albert Dussel (Arthur Klemt). Die acht Hinterhausbewohner leben in ständiger Angst – nachts fliegen Bomber über die Häuser Amsterdams, tagsüber fürchten sie, entdeckt zu werden und dürfen sich kaum bewegen. Ihre einzige Verbindung zur Außenwelt sind das Radio, Miep Gies und die anderen Helfer. Und dennoch finden sie auch im Hinterhaus zu einem Alltag: Es wird gelacht, geweint, gestritten und sich versöhnt. Anne Frank, die Jüngste unter ihnen, entdeckt neugierig, was es bedeutet, erwachsen zu werden. In ihrem Tagebuch, das sie zum 13. Geburtstag von ihrem Vater geschenkt bekommt, hält sie ihre Gedanken, Träume, Ängste und Sehnsüchte fest. Eindringlich und analytisch kommentiert und dokumentiert sie Erlebnisse und Ereignisse ihrer Zeit.

Kritik

1947 wurde „Das Tagebuch der Anne Frank“ erstmals veröffentlicht. Heute, knapp 70 Jahre später, ist das Thema erschreckenderweise relevanter denn je. Zu Zeiten, in denen eine rechtspopulistische Partei in manchen Wahlkreisen an der Zwanzig-Prozent-Marke kratzt und fast im Tagestakt Nachrichten von in Brand gesetzten Flüchtlingsheimen durch die deutschen Nachrichten geistern, stellt man sich unweigerlich immer wieder die Frage, ob die Menschen aus der schrecklichen Holocaust-Vergangenheit dieses Landes nichts gelernt haben. Der sonst gern getätigte Ausruf, ob die Deutschen mit ihren, durchaus gern verächtlich auch „Selbstgeißelungsdramen“ genannten Historienfilmen rund um den Zweiten Weltkrieg nicht langsam mal genug Buße getan haben, ist entsprechend hinfällig, denn offenbar sind sie ja tatsächlich weiter notwendig, um den Schrecken der damaligen Dekade immer wieder in unser aller Gedächtnis zu rufen. Da ist der Mut zum Understatement, den Regisseur Hans Steinbichler („Das Blaue vom Himmel“) in seiner Romanverfilmung „Das Tagebuch der Anne Frank“ an den Tag legt, umso beeindruckender. Steinbichler zeichnet das Heranwachsen des weltberühmten jüdischen Mädchens Anne Frank, das über seinen beklemmenden Überlebenskampf, den es gemeinsam mit seiner Familie über Monate hinter einem Wandschrank führte, penibel, aber auch sehr persönlich, Buch führte, als mitfühlende Coming-of-Age-Story, bei dem die Schrecken des Krieges so selbstverständlich sind, dass sie keiner weiteren Erklärung oder näheren Ausführung bedürfen.

Das Tagebuch der Anne Frank

Das Besondere an der Romanvorlage ist bis heute die Erzählweise: „Das Tagebuch der Anne Frank“ schildert die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges aus der Sicht einer Schülerin, die zwischen all den schrecklichen, weltpolitischen Ereignissen in den Vierzigerjahren auch noch ihren ganz eigenen Kampf ausführen muss: den, der Pubertät. Das ist deshalb so spannend, weil es sich für einen Außenstehenden auf den ersten Blick kaum ergründen lässt, wie sich ein junges Mädchen in einer derartigen Ausnahmesituation Gedanken über ihre erste Menstruation machen kann, wie es ihr gelingt, sich zu verlieben und weshalb sie sich ganz bewusst von ihrer Mutter entfernt, wo man doch meinen möchte, im Krieg hält die Familie erst recht zusammen. Sowohl Hans Steinbichler, als auch seinem hervorragenden Cast gelingt es sehr gut, hervorzuheben, dass der Mensch selbst auch während dieser grausamen Kriegsgeschehnisse weiter existiert und auch existieren muss, um bis zum Schluss nicht gebrochen zu werden. Im Fokus steht dabei erwartungsgemäß Anne Frank, beeindruckend verkörpert von Lea van Acken („Kreuzweg“), die die Eloquenz ihrer Figur mit einer unbedarften Neugier verbindet. Von Acken ist es auch, die dem Film den größten Stempel aufdrückt, denn so, wie Steinbichler „Das Tagebuch der Anne Frank“ inszeniert und interpretiert, macht er aus der titelgebenden Hauptfigur keine Heilige, sondern zeichnet sie als ganz normales Mädchen, das durch Zufall rückblickend zu einer Legende wurde.

Genau dieser Mut zur Ehrlichkeit könnte bei manchen Zuschauern allerdings auch auf Unverständnis stoßen. Die Rebellion, die Anne Frank gegen ihre Eltern Otto und Edith anstrebt, ist von einer solch unsteten Dynamik geprägt, dass es bisweilen schwerfällt, Handlungen und Gedankengänge Anne Franks nachzuvollziehen. Das mag einerseits der Pubertät geschuldet sein, könnte aber auch damit zu tun haben, dass das Skript von Fred Breinersdorfer („Elser“) mit der Ausnahme eines kongenialen Schlussakts über kurz oder lang doch immer einen möglichst einfachen Weg geht. Verwässert, geschweige den beschönigt oder verklärt wird hier absolut nichts. Doch mit der Reduktion von „Das Tagebuch der Anne Frank“ auf den Status als Kammerspiel lenkt man das Geschehen bisweilen so stark auf die zwischenmenschlichen Defizite, dass die Kriegsumstände fast in den Hintergrund geraten. Darin mögen die einen eine Konsequenz sehen, viele andere dürften das aber vor allem für ein unausgegorenes Konzept befinden. Szenen, in welchen die Familie fast aufzufliegen droht, wirken da nur wie ein notwendiges Übel, das man berücksichtigen musste, um den Zuschauer an die Herkunft des Films zu erinnern. Trotzdem beraubt das dem Film natürlich nicht um seine Intensität. Gerade der feinen Beobachtungsgabe von Kamerafrau Bella Halben („Exit Marrakech“) ist es zu verdanken, dass die unmenschliche Beklemmung hinter dem Wandschrank-Areal zu jeder Sekunde spürbar ist. Nach der eigentlichen Geschichte, die bekanntermaßen mit der Deportation der Familie endet, wagt Hans Steinbichler übrigens einen gewagten, aber umso beeindruckenderen Schritt: Er zeigt eine Szene aus dem Inneren eines Konzentrationslagers – und bringt den in den letzten zwei gezeigten Stunden aufgebrachten Mut der Familie fast im Vorbeigehen wie eine Seifenblase zum Platzen. Ein einfacher, inszenatorischer Handgriff, der die Grausamkeit und Willkür der damaligen Zeit auf simple Weise unterstreicht.

Anne Frank (Lea van Acken) kommt auf dem Weg zum Tagebuch schreiben bei Peter (Leonard Carow) und seiner Katze vorbei.

Fazit: „Das Tagebuch der Anne Frank“ ist eine solide Verfilmung des Stoffes mit einem interessanten Fokus, der nicht immer ganz zu Ende gedacht wirkt, jedoch mit einer Szene beendet wird, die umso länger nachhallt.

„Das Tagebuch der Anne Frank“ ist ab dem 3. März bundesweit in den Kinos zu sehen.

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