Meine Lieblinge: Tragikomödie (3)

Im dritten Teil meines kleinen Tragikomödienspecials präsentiere ich euch die Plätze neun, acht und sieben meiner mir liebsten Filme, die mich gleichsam zum Lachen wie Weinen anregen. Wer die ersten beiden Teile verpasste, dem seien an dieser Stelle Teil eins und Teil zwei ans Herz gelegt. Viel Spaß mit Part drei!
9 / WIR KAUFEN EINEN ZOO
USA 2011 | Regie:: Cameron Crowe | Darsteller: Matt Damon, Scarlett Johansson, Thomas Haden, Colin Ford, Elle Fanning, Maggie Elizabeth Jones | Trailer
Im Zentrum der mehr dramatisch denn komisch geprägten Tragikomödie „Wir kaufen einen Zoo“ steht das Thema des Verlusts, einhergehend mit der Frage, wie es die Zeit schafft, alte Wunden zu heilen und die dadurch entstandenen Ängste zu relativieren. Regisseur Cameron Crowe („Aloha – Die Chance auf Glück“) inszeniert auf Basis des gleichnamigen Romans eine Geschichte, in deren Mittelpunkt ein verwitweter Vater steht. Gemeinsam mit seinen beiden wunderbar gespielten Kindern, der kleinen Rosie (Maggie Elizabeth Jones) und dem Heranwachsenden Dylan (Colin Ford), bezieht der Mittdreißiger Benjamin (Matt Damon) ein halb verfallenes Zoo-Grundstück. Jener leerstehende Tierpark mitsamt Belegschaft könnte für die Familie Mee den bitter nötigen Neuanfang bedeuten. Erst recht, da sich Benjamin und die Chef-Tierpflegerin Kelly (Scarlett Johansson) auf Anhieb gut verstehen. Kelly kann Benjamin nach und nach aus seinem Schneckenhaus herauslocken. Für die Mees bedeutet die Restaurierung des Zoos die Öffnung eines ganz neuen Kapitels in ihrem Leben. Doch um sich in Gänze auf das Vorhaben einzulassen, bedarf es den Mut, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Die Art, wie die Mees an ihren unterschiedlichen Lebenspunkten mit dem Verlust und dem endgültigen Abschied von ihrer Mutter respektive Ehefrau umgehen, steht gleichzeitig für ganz unterschiedliche Methoden der Vergangenheitsbewältigung. Die niedliche Rosie hat mit ihren sieben Jahren das Herz auf der Zunge und denkt bei ihren Worten und Entscheidungen erstmal nicht an ihr Umfeld. Der weltoffene Blick, den anzunehmen wohl nur Kinder in der Lage sind, symbolisiert den Mut zum Neuanfang, die Stärke, das Schicksal so anzunehmen, wie es einem präsentiert wird und die Rückschläge dennoch nicht zu verleugnen. Ihr Bruder ist das genaue Gegenteil, steht dem Vorhaben der Zoo-Eröffnung skeptisch gegenüber und geht lieber drei Schritte zurück, anstatt sich durchzuringen, nach vorne und somit der Zukunft ohne Mutter entgegenzutreten. Dazwischen findet sich ihr Vater wieder. Ein Mann, welcher der Zeit mit seiner verstorbenen Traumfrau hinterhertrauert, die vollständige Akzeptanz ihres Lebensweges jedoch nicht scheut, um am Ende den Schritt in Richtung neue Liebe und damit in Richtung neuer Lebensmut zu wagen. Wie Crowe zwischen den Zeilen mit den nuancierten Emotionen spielt und das Dilemma der Familie auch für den Zuschauer greifbar macht, ist eine Kunst. Er verzichtet vollends auf abgegriffene Allgemeinplätze, seine Figuren lassen sich in keinerlei Standardschema pressen, sondern handeln ihrer geistigen Verfassung nach auch immer wieder überraschend, ohne dabei ihren Typ zu verleugnen. „Wir kaufen einen Zoo“ nimmt den Zuschauer an die Hand durch eine schwere Zeit des Verlustes und öffnet ihnen die Augen, auf wie viele, unterschiedliche Wege man sein Glück finden kann. Crowe konzipierte damit keinen Ereignisfilm, in dem auf der Leinwand viel passiert. Nichts desto trotz ist seine Tragikomödie, die besonders in den Momenten mit Scarlett Johansson viele Gelegenheiten zum Schmunzeln bietet, herausragend fotografiert und versinnbildlicht mit seinen Postkartenmotiven die Chance auf den Neuanfang. „Wir kaufen einen Zoo“ rührt auf so vielen Ebenen, dass er sich seinen Platz unter meinen liebsten Tragikomödien mehr als verdient hat.
Dieser Film könnte dir gefallen wenn du MARLEY UND ICH oder THE DESCENDANTS mochtest.
8 / UP IN THE AIR
USA 2009 | Regie: Jason Reitman | Darsteller: George Clooney, Anna Kendrick, Vera Farmiga, Jason Bateman, J.K. Simmons, Amy Morton | Trailer
Jason Reitman („#Zeitgeist“, „Labor Day“) ist ein Experte auf dem Gebiet, die Komplexität des menschlichen Gefühlslebens zu ergründen und im Rahmen kinematographischer Ausnahmesituationen vielfältig aufzubereiten. In „Up in the Air“, seinem gemeinhin als „besten Film“ bezeichneten Werk, rückt er dafür eine Person in den Mittelpunkt, der es schwer fällt, typische Protagonisten-Züge abzugewinnen. Es geht um Ryan (George Clooney), einen Geschäftsmann, der für große Konzerne die Kündigung langjähriger Mitarbeiter übernimmt. Auf seiner nächsten Reise nimmt er die angehende Karrierefrau Natalie (Anna Kendrick) unter seine Fittiche, die ihm bei seinem nächsten Coup über die Schulter schauen darf – und dabei entdeckt, dass sie den Faktor Mensch in der Theorie bislang sorgsam außer Acht gelassen hat. Als sie erstmals mit den Gefühlen der zu kündigenden Personen konfrontiert wird, hinterfragt sie nicht nur ihren Job, sondern ihr ganzes Leben.
Die Welt von heute ist schnelllebig. Der Mensch als Wesen mit Gefühlen und Regungen zählt da kaum noch. Wiegt man ihn gegen seine Arbeitskraft auf, bleiben Eigenheiten und Individualität meist auf der Strecke. Stattdessen begeben wir uns in 14-Stunden-Schichten an den Rand der körperlichen Leistungsfähigkeit, betäuben die Erschöpfung mit Drogen und Alkohol und reden uns mit dem vermeintlichen Ziel aus dieser Misere selbst heraus, dass uns irgendwann die ultimative Karriere winkt. Mit dieser Beschreibung der aktuell vorherrschenden Leistungsgesellschaft kommt Jason Reitmans Protagonist sehr gut klar; immerhin ist er derjenige, dem jene ultimative Karriere bereits geglückt ist. Daneben sehen wir Anna Kendrick als eine Frau, die auf dem besten Weg ist, ebenfalls so erfolgreich zu werden. Doch im Gegensatz zu ihrem älteren Kollegen erhält sie die Möglichkeit, zu hinterfragen, ob sich ihr Gefühlsleben mit ihren Karriereplänen vereinbaren lässt. Dabei gelingt es Reitman, ohne einen erhobenen Zeigefinger Fragen zu stellen. Er möchte das Publikum zum Abwägen auffordern. Er sagt nicht, was richtig und was falsch ist. Aber er bittet darum, zu erkennen, dass das eigene Handeln vielfältige Auswirkungen hat. Und zwar nicht nur auf das eigene Umfeld, sondern vor allem auf sich selbst, auf den heute niemand anderes Acht gibt, als die Menschen, denen man wirklich am Herzen liegt.
Reitman zeichnet für „Up in the Air“ herrliche lebensnahe Figuren, die mit ihren ganz individuellen Eigenheiten und Spleens ebenso überraschen wie die Erwartungen der Zuschauer zu unterstreichen. Reitmans Tragikomödie ist ein ständiges Wechselspiel aus Vorhersehbarkeit und dem Gefühl, den nächsten Schritt nicht erwartet zu haben. Dabei ist gerade Clooneys eigentlich so unnahbare Figur für viele Lacher verantwortlich, wenn man erkennt, wie sich sein Blick auf die Belange seiner Umwelt schon längst ins Abnormale verschoben haben. Anna Kendrick brilliert an seiner Seite als ideal besetztes Gegenstück, dessen Naivität zum Liebhaben ist, aber auch beweist, mit welcher Unachtsamkeit viele von uns in die „Erwachsenenwelt“ stolpern.
Dieser Film könnte dir gefallen, wenn du TERMINAL oder BEGINNERS mochtest.
7 / LOVE AND OTHER DRUGS
USA 2010 | Regie: Edward Zwick | Darsteller: Jake Gyllenhaal, Anne Hathaway, Judy Greer, Oliver Platt, Hank Azaria, Josh Gad, Gabriel Macht | Trailer
Auf den ersten Blick ist die unkonventionelle Liebesgeschichte „Love and Other Drugs“ tatsächlich nur das: eine Lovestory. Demzufolge dürfte es die Regiearbeit von Edward Zwick („Blood Diamond“) in dieser Hitliste gar nicht geben, denn hier liegt der Fokus auf der Verschmelzung zweier Genres – dem Drama und der Komödie. Doch auf den zweiten Blick ist der mit Jake Gyllenhaal und Anne Hathaway sehr prominent besetzte Film viel mehr als die Geschichte über zwei Liebende. Es ist ein Blick darauf, wie das Leben spielen kann, wenn man sämtliche Vernunftsentscheidungen einmal links liegen lässt und sich vollends darauf konzentriert, was man gemeinhin wohl simpel als „Gefühl“ bezeichnet. Das Schicksal der beiden Protagonisten in „Love and Other Drugs“ ist nämlich mitnichten das einer typischen Bilderbuchliebe. Die wankelmütige Maggie und der liebenswerte Aufreißer Jamie bekommen es in dieser Geschichte mit Problemen zu tun, mit denen sich herkömmliche Hollywoodpaare gar nicht erst herumschlagen müssen. Denn Maggie ist krank, leidet an Parkinson, hat Schmerzen, nimmt Tabletten – und wenn sie nicht gerade mit ihrem Schicksal hadert, frönt sie leidenschaftlichem Sex mit möglichst vielen Männern. Bis sie eines Tages den Pharmavertreter Jamie kennenlernt. Dieser scheint für sie wie ihr perfektes Ebenbild, sodass sie sich regelmäßig treffen, um miteinander zu schlafen. Dass sich mit der Zeit ankündigt, dass aus diesen gemeinsamen Schäferstündchen Gefühle erwachsen, klingt hollywoodkonform, doch mit dem füreinander aufkeimenden Interesse muss sich Jamie noch mit etwas ganz anderem auseinandersetzen: mit der Frage, weshalb einer, der jede haben könnte, eine eigenen Angaben zufolge so „kaputte“ Frau wie Maggie überhaupt wollen würde!?
In der berührendsten (und damit einhergehend auch schmerzhaft ehrlichsten) Szene in „Love and Other Drugs“ lässt sich Jamie vom Ehemann einer anderen Parkinson-Erkrankten den Tipp geben, am besten sofort seine Sachen zu packen, um den sukzessiven Verfall seiner Freundin nicht am eigenen Leib miterleben zu müssen. Liebe könne niemals so groß sein, dass man an diesem schleichenden Prozess der körperlichen Auflösung nicht selbst zugrunde gehen würde. Auch, wenn man selbst gar nicht betroffen ist. Diese Szenerie steht im direkten Kontrast zum ansonsten so freimütigen (und freizügigen!) Tonfall des Films, denn die zynische Art, mit der Maggie ihre Lage beschreibt und ihr Leben sieht, ist manchmal so treffsicher, wie es ein gesunder Mensch vermutlich gar nicht beschreiben könnte. Die Beziehung zwischen ihr und Jamie ist von einem ständigen Auf und Ab geprägt. Wenn er ihr zu nahe kommt, sucht sie nach (manchmal haarsträubenden) Fehlern. Wünscht sie sich ein engeres Verhältnis, geht er sofort auf Rückzug. Doch eines verbindet beide: Die Faszination für Medikamente. Er verdient sein Geld mit dem Vertrieb von Viagra, sie muss regelmäßig Pillen schlucken, um ihrer zuckenden Nerven Herr zu werden. Als Paar gelingt Maggie und Jamie ein fast vollkommener Blick auf das Konstrukt der Liebe. Von Anfang an ist ihre Bindung von tragischen, äußeren Umständen geprägt, die sie immer wieder dazu auffordern, den Wert am anderen zu hinterfragen. Braucht man sich, um glücklich zu sein? Ist man ohne den anderen vielleicht glücklicher? Oder ist Selbstverständlichkeit nur ein anderes Wort für Liebe? Selten griff ein Film das Auf und Ab einer zwischenmenschlichen Beziehung – egal auf welcher Ebene – besser auf als „Love and Other Drugs“ und stellt neben Fragen nach der Sinnhaftigkeit von Liebe auch Fragen nach der Sinnhaftigkeit des Lebens und der Gesundheit. Und Crowe gelingt es sogar, seinen Film bis zum Schluss so zu gestalten, dass man ihm sowohl ein Happy, als auch ein Sad End zutrauen könnte. Schaut es Euch doch selbst an, wofür sich der Regisseur entschieden hat.
Dieser Film könnte dir gefallen, wenn du ZWEI AN EINEM TAG oder FÜR IMMER LIEBE mochtest.
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Weiter geht’s demnächst…
Ich weiß zwar nicht, was noch kommt. Aber „Up in the air“ gehört auf jeden Fall weiter nach vorne 😉 Bin gespannt wie es weiter geht 🙂
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