Storm Hunters

In den Neunzigern waren Katastrophenfilme ganz groß im Kommen. Doch nachdem Roland Emmerich die Welt auf viele, unterschiedliche Weisen untergehen ließ, war es eine Weile ruhig um den meteorologischen Koller im Blockbusterformat. Zur Bedrohung wurden außerweltliche Bösewichte, doch nun beweist Steven Quale mit STORM HUNTERS, das der Wirbelsturm von heute nicht weniger bedrohlich ist als vor 20 Jahren. Mehr zum Film in meiner Kritik.

Der Plot

Innerhalb eines Tages wird die Stadt Silverton von dem beispiellosen Angriff eines Tornados verwüstet. Die ganze Stadt ist der Gnade eines launischen und tödlichen Wirbelsturms ausgeliefert, und die Sturmjäger sagen voraus, dass das Schlimmste noch bevorsteht. Die meisten Menschen suchen Schutz, doch einige bewegen sich auf den Wirbelsturm zu, um auszuprobieren, wie weit man als Storm Chaser geht für die eine Aufnahme des Lebens.

Kritik

Die Kombination aus Filmstoff – einer Art moderner „Twister“-Variation – und dem Regisseur von „Final Destination 5“ klingt ebenso sonderlich wie genial: Steven Quale, der vor seinem makaberen Beitrag zu besagtem Horrorfilm-Franchise schon Regie-Veteran James Cameron assistierte, weiß genau, worauf das jugendliche Blockbuster-Publikum von heute anspringt. Nach Roland Emmerichs Katastrophen-Rundumschlägen „The Day After Tomorrow“ und „2012“ war es lange Zeit ruhig um das bombastische Arrangement des meteorologischen Kollapses; Und der Wirbelsturm-Klassiker „Twister“ ist gar schon knapp zwei Jahrzehnte alt. Ganz ohne die Hilfe alteingesessener Popcornfilmer sondern gänzlich in den Händen von Blockbuster-Neulingen hievt Quale das Subgenre des Wetters-Actioners in die Moderne: Mithilfe brandaktueller Techniken wie dem gleichsam geliebten wie verhassten Found-Footage-Stil und unter Zuhilfenahme beachtlicher CGI-Effekte kreiert der Regisseur nicht bloß eine 2014er-Antwort auf „Dante’s Peak“, „Deep Impact“ und Co., sondern hat mit Glück einen neuen Trend eingeläutet, der Bombastaction abseits von Superhelden, Aliens und Robotern liefert und auf eine eigentlich so banale Thematik zurückgreift, die sich in Zeiten des Klimawandels aber als umso brisanter erweist: die Natur in ihrer brachialsten Form.

Storm Hunters

Die Naturgewalt bricht über das kleine Städtchen herein.

Das Blockbuster-Kino ist voll mit allerhand weltlichen, bevorzugt jedoch außerweltlichen Bedrohungen. Zu einer Zeit, in der das Minimum an cineastischer Gefahr im unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang besteht, mutet das Zurückgreifen auf real existierende Wetterphämomene als Antagonist fast antik an. Und doch sind besonders Wirbelstürme zu Zeiten, in denen die USA mit Hurricanes wie Katrina zu kämpfen hatte, ein nicht zu unterschätzender Angstfaktor innerhalb der amerikanischen Bevölkerung. Diesen macht sich nun ein Team zunutze, das auf eine interessante Vita zurückblicken kann. Regisseur Dennis Quale war als Regieassistenz unmittelbar am Erfolg der Kassenmagneten „Titanic“ und „Avatar“ beteiligt; Drehbuchautor John Swetnam machte mehr schlecht als recht auf sich aufmerksam, als er die Skripte zum aktuell in den Lichtspielhäusern verweilenden „Step Up: All in“ verfasste, und auch der wenig inspirierte Wackelkamera-Schocker „Evidence“ führte im vergangenen Jahr eher ein Schattendasein in den deutschen Kinos. Da auch Quales erstes Langfilmprojekt „Final Destination 5“ nicht als bester Teil der Reihe gilt, steht das Projekt „Storm Hunters“ offenkundig unter keinem guten Stern – so möchte man meinen. Doch das, was sich Schwarz auf Weiß wie das beste Beispiel für einen qualitativen Totalausfall liest, erweist sich als eine Zweckgemeinschaft, wie sie produktiver kaum sein könnte.

Während Filmemacher Quale, der auch schon als Kameramann arbeitete, sein Auge für authentische Effekte und das gekonnte In-Szene-Setzen menschlicher Ängste beweist, konzentriert sich John Swetnam ganz auf den Aufbau menschlicher Zwischentöne. Drama-Qualitäten hat das Skript zu „Into the Storm“, wie der Streifen in Übersee heißt, erwartungsgemäß zwar nicht, aufgrund einer konsequenten Dramaturgie schafft es „Storm Hunters“ dennoch immer wieder, emotional zu bewegen. So offenbart sich dem Zuschauer keine seelenlose Wirbelsturm-Zurschaustellung, sondern ein wahrlich mitreißender Blockbuster, in dem sich mit den Protagonisten mitleiden lässt  und der sich mehrmals gekonnt vor dem „Twister“-Vorbild verbeugt (nicht umsonst findet die aller erste Szene in Oklahoma statt und auch ein Wiedersehen mit einer fliegenden Kuh wird es geben). Gleichwohl stünde sämtlichen Charakteren ein kantiges Profil gut zu Gesicht. Während vor allem Richard ‘Torin Eichenschildt‘ Armitage in der Rolle des One-Man-Weltenretters aufgeht, präsentieren sich die den Film bevorzugt bewohnenden Teenies als austauschbar. Dafür überzeugt die Erzählstruktur: John Swetnam schildert die Ereignisse in „Storm Hunters“ nicht bloß aus einer Perspektive, sondern wählt drei verschiedene, um die Geschehnisse so facettenreich wie möglich zu präsentieren. Neben einem Team aus professionellen Sturmforschern, die mit ihrem teuren Kameraequipment gleichzeitig auch für die hochwertigsten Aufnahmen zuständig sind und einer an „Jackass“ erinnernden Chaos-Truppe, die sich immer wieder gefährlich nah an die Wirbelstürme begibt, folgt die (Wackel-)Kamera bevorzugt den Jugendlichen der Silverton High School, die im Rahmen ihres Schulabschlusses den wichtigsten Tag des Jahres filmen.

Storm Hunters

Im Anbetracht der Katastrophe ist es wichtiger denn je, als Familie zusammenzuhalten.

Auch wenn die scheinbar unzerstörbaren Geräte öfter dazu einladen, über die mangelnde Logik, die den Film wie einen roten Faden durchzieht, die Nase zu rümpfen, wissen die unterschiedlichen Story-Ansätze zu gefallen. Dasselbe gilt für die technische Aufmachung, denn auch hier weiß „Storm Hunters“ zu überraschen. Steven Quale und seinem Kameramann Brian Pearson („Drive Angry“) gelingt es hervorragend, den bodenständig minimalistischen Found-Footage-Stil mit hochwertigen Computereffekten zu kombinieren. Die einzelnen Windhosen, deren Ausmaße in diversen Trailern gekonnt zurückgehalten wurden, erweisen sich als visuell bedrohlich und beachtlich lebensecht, während andere Wetterphänomene wie Hagelschauer oder diverse Windböen handgemacht und somit umso authentischer daherkommen. Als nahezu preisverdächtig entpuppt sich derweil das Sounddesign: Insbesondere wenn die Leinwand für einige Sekunden schwarz bleibt, wird aus dem Kinosaal akustisch ein von Unwettern heimgesuchter Bunker. So ist es keine mutige Prognose, „Storm Hunters“ in den Oscar-Kategorien „Bester Tonschnitt“ und „Bester Ton“ auf der Rechnung zu haben.

Fazit: Schaut man galant über die teils übergroßen Logiklöcher hinweg, erweist sich „Storm Hunters“ als überraschend mitreißend, visuell berauschend und emotional bewegend. Technisch zeigt sich der Blockbuster auf höchstem Niveau, die Charaktere bleiben dafür auch bei näherem Hinsehen ein wenig zu flach. Für packende eineinhalb Stunden genügt die Figurenkonstellation jedoch vollkommen: Für Fans des Katastrophenfilms ist der Sommer auf jeden Fall gerettet!

„Storm Hunters“ ist ab dem 21. August bundesweit in den Kinos zu sehen.