Spirit – Frei und ungezähmt

Auf den Zeichentrickhit aus dem Jahr 2002 folgten Merchandise und zwei TV-Serien. An die Liebhaberinnen und Liebhaber letzterer richtet sich nun auch primär das CGI-Abenteuer SPIRIT – FREI UND UNGEZÄHMT. Doch überraschenderweise dürfte der Film auch viele Neueinsteiger:innen abholen. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Spirit Untamed (USA 2021)

Der Plot

Die junge Lucky wächst bei ihrer Tante Cora an der Ostküste auf, nachdem ihre Mutter gestorben ist, als Lucky noch klein war. Das quirlige Mädchen ist ein echter Wirbelwind, und nach ihrem neuesten Streich bringt Tante Cora sie schließlich zu ihrem Vater Jim in das Prärie-Städtchen Miradero. Anfangs ist Lucky so gar nicht begeistert von dem verschlafenen Nest. Das ändert sich, als sie die Reitermädchen Abigail und Pru und deren Pferde Chica Linda und Boomerang kennenlernt und sich mit ihnen anfreundet. Doch Lucky ist besonders fasziniert von Spirit, einem wilden Mustang, der in einem Stall in der Nähe gefangen gehalten wird. Beide verbindet ein großer Freiheitsdrang und schnell auch eine ganz besondere Freundschaft. Als eine Gruppe von Banditen plant, Spirit und seine Herde zu verkaufen, kann Lucky das natürlich auf keinen Fall zulassen. Gemeinsam mit ihren neuen Freundinnen reitet das mutige Mädchen in das spannendste Abenteuer ihres Lebens.

Kritik

Dass sich aus „Spirit – Der wilde Mustang“ bis heute ein popkulturelles Phänomen entwickeln würde, war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht abzusehen. Ein niedlicher Zeichentricklook und noch niedlichere Pferde im Fokus eines klassischen Abenteuers hin oder her: Die DreamWorks-Animation-Produktion hatte eine Besonderheit im Vergleich zu vielen ähnlich Filmen ihres Genres: In „Spirit“ können die Tiere nicht sprechen. Stattdessen kommunizieren sie sowohl untereinander als auch mit ihren zweibeinigen Freundinnen und Freunden über Tierlaute und Mimik. Das Publikum schien sich an der konsequenten Verweigerung einer allzu starken Vermenschlichung durch das Regie-Duo aus Kelly Asbury und Lorna Cook nicht zu stören; im Gegenteil. Hierzulande lösten über 1,5 Millionen Menschen ein Kinoticket für den Film, in den USA belief sich das Einspielergebnis auf 122 Millionen US-Dollar (bei Produktionskosten von rund 80 Millionen). Zugegeben: Disney, Pixar und auch DreamWorks selbst schreiben normalerweise deutlich höhere Zahlen. Doch die infolge des Films veröffentlichte, zum aktuellen Zeitpunkt 52 Episoden in acht Staffeln unfassende Animationsserie „Spirit: Wild und frei“, ihr Ableger „Spirit – Wild und frei: Pferdegeschichten“ und natürlich das zahlreiche Merchandise halten die Marke „Spirit“ mit ein wenig Verspätung weiterhin am Laufen. Der nun in die Kinos kommende CGI-Film „Spirit – Frei und ungezähmt“ dürfte den Hype noch ein weiteres Mal ankurbeln.

Die Frauen und Männer führen auf ihren Pferden spektakuläre Kunststücke vor – und verzücken damit sogar Lucky.

Als „Spirit – Der wilde Mustang“ vor knapp zwanzig Jahren in die Kinos kam, wirkte er als zweidimensionaler Zeichentrickfilm antiquiert; Immerhin befand sich das Animationsfilmkino zum damaligen Zeitpunkt mitten in der frühen Ausprobierphase des dreidimensionalen Trickkinos („Toy Story“ trat sieben Jahre zuvor ebenjenen Trend los). Klassischer Zeichentrick schaffte es zum damaligen Zeitpunkt nur noch selten auf die großen Leinwände. Heutzutage hätte eine Rückbesinnung auf die Ursprünge vermutlich gerade die Fans des Originalfilms verzückt. Doch die Regisseur:innen Elain Bogan („Die Drachenreiter von Berk“) und Ennio Toresan („Teacher’s Pet“) wählten für ihren Ansatz von Film einen deutlich naheliegenderen: Sie greifen auf die Ästhetik der ohnehin aktuelleren „Spirit“-Serie zurück. Etwas, was auch für den Inhalt gilt. Mit der Ausgangsgeschichte rund um den wilden, ungezähmten Mustang Spirit, dessen bekannte Eigenschaften ja sogar im Reboot-Titel vorkommen, hat der „Spirit“-Film aus dem Jahr 2021 nunmehr nichts zu tun. Stattdessen greifen die Autorinnen Aury Wallington (zeichnete bereits für sämtliche TV-Ausflüge des Mustangs verantwortlich) und Kristin Hahn („The Morning Show“) auf den Plot der aller ersten „Spirit – Wild und frei“-Episode zurück – rebooten sie sozusagen und blasen sie leinwandgerecht auf. Was in diesem Zusammenhang ein wenig plump klingt, ist durch und durch positiv zu verstehen. Vor allem optisch macht „Spirit – Frei und ungezähmt“ richtig was her – und das nicht nur im Vergleich zur produktionstechnisch natürlich deutlich günstigeren Serie.

„Die Autorinnen Aury Wallington und Kristin Hahn greifen für den Film auf den Plot der aller ersten ‚Spirit – Wild und frei‘-Episode zurück – rebooten sie sozusagen und blasen sie leinwandgerecht auf.“

Mit einem Budget von gerade einmal 30 Millionen Dollar, die der Film in den USA nur mit Ach und Krach wieder eingespielt hat (dort war „Spirit – Frei und ungezähmt“ sowieso schon kurz nach seinem Kinostart als Premium-VOD bei iTunes und Co. erhältlich), sind den Verantwortlichen natürlich keine derartig spektakulären Bildgewalten gelungen, wie man sie von den ständig neue, technische Maßstäbe setzenden Animationsfrontrunnern gewohnt ist. Trotzdem sieht „Spirit – Frei und ungezähmt“ echt gut aus. Während man sich bei der Gestaltung der Pferde und Menschen eher auf einen minimalistischen, nicht allzu detailreichen, aber gerade bei den Bewegungsabläufen der Vierbeiner auch sehr naturnahen Look konzentriert, sehen die Hintergründe – seien es nun Berge, Steppe oder Prärie – äußerst aufwändig und bisweilen fast fotorealistisch aus. Das gilt insbesondere für die Nachtszenen; Eine von ihnen ist gar eine der Höhepunkte des gesamten Films, wenn Protagonistin Lucky ganz behutsam versucht, sich mithilfe von Spirit das Vertrauen einer freilebenden Wildpferdeherde zu erarbeiten.

Abigail, Lucky und Pru unternehmen alles, um die die freilebenden Mustangs vor den Pferdefängern zu beschützen.

Dieses idyllische Bild wird jäh davon unterbrochen, dass mit brachialen Mitteln vorgehende Cowboys die Jagd auf die Mustangs eröffnen, um sie anschließend zu verkaufen. Natürlich greift ein Film wie „Spirit – Frei und ungezähmt“ längst nicht jene Komplexität auf, die im Hinblick auf das schwierige Verhältnis zwischen dem US-amerikanischen Natur- und Umweltschutz, der Bevölkerung und den mittlerweile vielerorts zur regelrechten Plage gewordenen Wildpferden nötig wäre, um einen allumfassenden Einblick in die verschachtelte Welt des Pferdeschutzes zu bieten (zu diesem Thema empfehlen wir an dieser Stelle die Dokumentation „Magie der Wildpferde“ von Caro Liebig). Und trotzdem gelingt es den Verantwortlichen, ihren Fokus sehr wohl auf eine Thematik zu richten, die auch ein junges Publikum bereits für die Verbindung zwischen Mensch, Natur und Tieren sensibilisieren kann. Unter Zuhilfenahme einer sehr klaren Aufteilung in Pro- und Antagonist (die Pferdemädels sind die Guten, die Pferdefänger die Bösen), schafft „Spirit – Frei und ungezähmt“ ein Bewusstsein für die Bedürfnisse von wildlebenden Tieren, ihren Stellenwert für das Ökosystem und dafür, dass der Mensch in der Natur nur zu Gast ist. Diese Gedankengänge ziehen sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film. Ein erstes Aufeinandertreffen zwischen der bis dato pferdeunerfahrenen Lucky und einigen deutlich erfahreneren Reiterinnen ist gar eine Diskussion über das „Brechen“ der Pferde (hier in etwas gleichzusetzen mit der Zähmung und anschließenden Ausbildung). „Spirit – Frei und ungezähmt“ entspricht zwar dramaturgisch lange Zeit der klassischen Pferde-Mädchen-Film-Blaupause, zielt aber eben nicht ausschließlich auf die Teamwerdung zwischen Mensch und Pferd ab, sondern geht – insbesondere dank seines konsequenten Endes – noch ein Stück weiter.

„Unter Zuhilfenahme einer sehr klaren Aufteilung in Pro- und Antagonist (die Pferdemädels sind die Guten, die Pferdefänger die Bösen), schafft ‚Spirit‘ ein Bewusstsein für die Bedürfnisse von wildlebenden Tieren, ihren Stellenwert für das Ökosystem und dafür, dass der Mensch in der Natur nur zu Gast ist.“

War schon „Spirit – Der wilde Mustang“ ein eher melancholischer und dadurch nur bedingt kindgerechter Film fernab gut gelaunter Pferdeabenteuer, so entspricht „Spirit – Frei und ungezähmt“ inhaltlich zwar schon mehr Letzterem; Allein die Bezüge zur Serie lassen es gar nicht zu, ähnlich erwachsen an die Story heranzugehen wie noch der erste Film. Aber der Verzicht darauf, auf Biegen und Brechen ein konstruiertes Happy End zu kreieren (an alle Eltern: Keine Sorge – Am Ende gewinnen die Guten, dennoch hält das Finale eine Überraschung parat!), zeugt von einer gewissen Verantwortung der Macher:innen gegenüber der hier angesprochenen Thematiken. Darüber hinaus punktet „Spirit – Frei und ungezähmt“ mit Kurzweil, Witz und jeder Menge Mädelsinteraktion, wenn sich die drei Pferdefreundinnen in der zweiten Hälfte einem klassischen Abenteuer auf dem Rücken ihrer Vierbeiner hingeben. Dennoch: In „Spirit – Frei und ungezähmt“ steckt mehr Inhalt als gedacht.

Fazit: Visuell orientiert sich „Spirit – Frei und ungezähmt“ am Stil der infolge des Zeichentrickabenteuers „Spirit – Der wilde Mustang“ erschienenen Animationsserie, punktet allerdings schon hier mit einem deutlich höheren Productionvalue. Inhaltlich konkurriert der Film mit zahlreichen Pferde-Mädchen-Abenteuern, das allerdings weder besser noch schlechter funktioniert als alle anderen und obendrein ein Verständnis für die Lebensumstände und Bedürfnisse von Wildpferden schafft.

„Spirit – Frei und ungezähmt“ ist ab dem 22. Juli 2021 im Kino zu sehen.

Und was sagst Du dazu?