Yes, God, Yes! Böse Mädchen beichten nicht

Was tun, wenn man als Teenagermädchen seine Sexualität entdeckt, die Kirche dir aber versucht, weiszumachen, dass Liebe und Lust außerhalb der Ehe ziemlich böse sind? Regisseurin und Drehbuchautorin Karen Maine versucht sich mit YES, GOD, YES! BÖSE MÄDCHEN BEICHTEN NICHT an einem Coming-of-Age-Film der etwas anderen Art. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Yes, God, Yes (USA 2019)

Der Plot

Als Teenager hat man es nicht leicht. Schon gar nicht, wenn man wie Alice (Natalia Dyer) in einem streng katholischen Haushalt im ländlichen Teil der USA aufwächst. In der Schule wird ihr beigebracht, dass Sex vor der Ehe eine Sünde ist und auch Masturbation auf direktem Weg in die Hölle führt. Alice kommt ins Grübeln: Nicht nur, weil sie sich die Sexszene aus „Titanic“ immer wieder gerne ansieht, auch beim Onlinechat lässt sie sich zu unkeuschen Handlungen hinreißen – was stimmt nur nicht mit ihr? Vier Tage in einem Kirchenlager sollen Alice wieder auf den rechten Weg bringen. Gruppenbeichten, Bibelstunden und Gebete stehen auf der Tagesordnung. Doch wie soll Alice sich hier auf ihre christlichen Werte besinnen, wenn der süße Footballstar Chris ihr ständig über den Weg läuft?

Kritik

Das Langfilmdebüt der „Yes, God, Yes!“-Regisseurin und -Autorin Karen Maine erinnert auf den ersten Blick an zwei verschiedene Arten von Film: Auf der einen Seite zieht die Amerikanerin ihre auf ihrem eigenen gleichnamigen Kurzfilm basierende Geschichte wie eine klassische Coming-of-Age-Story auf. Im Mittelpunkt steht ihre Protagonistin Alice, die in den gerade einmal 78 Minuten Laufzeit ihre Sexualität entdeckt und dem Erwachsensein damit einen entscheidenden Schritt näherkommt. Auf der anderen Seite erinnert „Yes, God, Yes!“ seines eher humoristischen Tonfalls zum Trotz an einen dieser typischen „Bekehrungsfilme“: „Der verlorene Sohn“, zum Beispiel, in dem ein von Lucas Hedges verkörperter, junger Mann in einem Umerziehungscamp von seinem Schwulsein „geheilt“ werden soll. Nun geht es in „Yes, God, Yes!“ zwar nicht um eine homosexuelle Person, die vermeintliche „Sünde“ ist indes die Gleiche: körperliche Liebe – und gegen die hat die streng katholische Glaubensgemeinschaft, in der Alice aufwächst, entschieden etwas. Diesen Clash zwischen pubertärer Neugier und erzkonservativer Erziehung mal nicht als zermürbendes Drama zu inszenieren, ist ein lobenswerter Ansatz. Doch das scheint auch so ziemlich der einzige zu sein, den Karen Maine überhaupt verfolgt. Davon abgesehen ist „Yes, God, Yes!“ nämlich ganz schön nichtssagend.

Alice (Natalia Dyer) geht regelmäßig in die Kirche.

Hauptdarstellerin Natalia Dyer („Die Kunst des toten Mannes“) legt ihre Alice zwar als Sympathieträgerin und damit Identifikationsfigur für eine im Jugendalter befindliche Zuschauergruppe an – Szenen, in denen Alice heimlich erste Cybersex-Erfahrungen im AOL-Chat macht oder sich aus Neugier ein vibrierendes Handy auf den Venushügel legt, spielt sie mit einer verschmitzten Zurückhaltung; Sie weiß, sie darf nicht, macht daher nicht allzu viel, aber so ganz verkneifen kann sie es sich doch nicht. Dabei haben diese Momente der sexuellen Entdeckungsfreude noch nicht einmal etwas Anrüchiges, sondern leben stattdessen von Alices fehlender Erfahrung. Man muss nicht in diesem erzkonservativen „Sex ist böse!“-Umfeld aufwachsen, um nachempfinden zu können, wie sich Alice gerade fühlt. Und trotzdem gibt es andererseits genügend Szenen, in denen das mit der Identifikation nicht so recht funktioniert. Das ist allerdings nur bedingt der Schauspielerin selbst geschuldet. Es ist vielmehr das unausgegorene Skript, das in diversen Momenten nichts mit der Situation – und eben auch der Hauptfigur – anzufangen weiß. Ja, es gibt diese (erzählerisch übrigens nicht immer notwendigen) erotisch-experimentelle Szenen, in denen Alice ihren Körper erkundet. Was die dabei gesammelten Erfahrungen mit Alice, ihrer Sexualität und ihrem Körpergefühl anstellen, bleibt uns „Yes, God, Yes!“ dagegen schuldig.

„Es gibt genügend Szenen, in denen das mit der Identifikation nicht so recht funktioniert. Das ist allerdings nur bedingt der Schauspielerin geschuldet. Es ist vielmehr das unausgegorene Skript, das in diversen Momenten nichts mit der Situation – und eben auch der Hauptfigur – anzufangen weiß.“

Stattdessen reiht Karen Maine einzelne, für sich genommen bisweilen sogar recht passable Sequenzen wie Stückwerk aneinander, denen jeweils eine komplett unterschiedliche Intention innewohnt. Mal agieren die Mitglieder der Kirchengemeinschaft derart überspitzt, dass sich „Yes, God, Yes!“ auch als eine Nachdichtung deuten ließe. Doch dafür sind derartige Momente viel zu selten. Viel häufiger mangelt es den dargestellten Gewohnheiten und Predigten indes an der notwendigen Kritik, was uns wieder zum Ausgangspunkt führt: „Yes, God, Yes!“ ist zwar nicht annähernd so drastisch geraten wie die zahlreichen „Hör auf, homosexuell zu sein, oder du kommst in die Hölle!“-Filme, doch die radikale Art und Weise, auf der die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft hier dargestellt werden, ähnelt sich stark. Unterscheiden tun sich die Filme dafür in ihrer Kritik – denn die fällt bei „Yes, God, Yes!“ hintenüber. Stattdessen begnügt sich Karen Maine mit einer einzigen Szene, in der dem Zuschauer die Bigotterie dieser Einrichtung vor Augen geführt wird. Dann nämlich, wenn sie denjenigen, der vor seinen Schülerinnen und Schülern lautstark Enthaltsamkeit predigt, beim Masturbieren vor Internet-Pornos zeigt. Das ist nicht nur plump, sondern hat der Prämisse auch sonst nichts Neues hinzuzufügen.

Von der Seite umarmen ist erlaubt – doch Alice würde Chris (Wolfgang Novogratz) gern noch näher kommen…

Die fehlende Auseinandersetzung mit den höchst fragwürdigen Erziehungsmethoden der Schülerinnen und Schüler – erst recht später im Kirchenlager – lässt während des gesamten Films den Eindruck entstehen, Karen Maine sei sich selbst nicht so ganz sicher, ob Sex und Masturbation nun eigentlich böse sind oder nicht. Zwar gelingt es ihr immer dann, Verständnis für Alices Verwirrung hervorzurufen, wenn sie wortwörtlich ihre Perspektive einnimmt. Szenen, in denen sie die behaarten Arme eines gutaussehenden Jungen observiert oder sich mit einem Besenstil selbst befriedigt, lassen zumindest ein Gefühl für ihr sexuelles Verlangen entstehen. Doch „Yes, God, Yes!“ fehlt es am dringend notwendigen Befreiungsschlag – denn am Ende ist Alice genauso unsicher wie zuvor. Und auch sonst bleibt die junge Frau auf ihre sexuelle Unerfahrenheit reduziert. Es fällt schwer, ihr bestimmte Wesenszüge zuzuschreiben, was auch dazu beiträgt, dass der Film im Gesamten tonal nichtssagend ist. Für eine Komödie ist „Yes, God, Yes!“ nicht lustig genug, für ein Drama fehlt es am emotionalen Punch. Und für einen Coming-of-Age-Film fällt die emotionale Reifung der Protagonistin am Ende doch arg gering aus.

„Und auch sonst bleibt die junge Frau auf ihre sexuelle Unerfahrenheit reduziert. Es fällt schwer, ihr bestimmte Wesenszüge zuzuschreiben, was auch dazu beiträgt, dass der Film im Gesamten tonal nichtssagend ist.“

Auch inszenatorisch bleibt „Yes, God, Yes!“ unspektakulär. Nun mag es ein Stückweit auch dem geringen Budget und der mangelnden Regieerfahrung der Filmemacherin geschuldet sein, dass ihr Werk audiovisuell nicht hervorsticht. Doch ihr Werk ist bisweilen nicht einfach nur unauffällig, es mangelt ihm an einem Gespür für Ästhetik. Unsaubere Schnitte, mangelnde Beleuchtung und unscharfe Kamerafahrten können unter konsequenterer Anwendung sogar etwas Dokumentarisches besitzen. In „Yes, God, Yes!“ wirkt es dagegen eher schludrig.

Fazit: „Yes, God, Yes! Böse Mädchen beichten nicht“ ist ein tonal unausgegorener Hybrid aus Coming-of-Age-Drama und überspitzter Kirchenkritik. Leider formuliert Regisseurin und Autorin Karen Maine weder den einen noch den anderen Ansatz zur Genüge aus – und in Einklang bringt sie sie auch nicht.

Der durch Corona verschobene Kinostart von „Yes, God, Yes! Böse Mädchen beichten nicht“ wird in Kürze bekannt gegeben.

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