Underwater – Es ist erwacht

Drei Jahre lang verweilte UNDERWATER – ES IST ERWACHT im Giftschrank von 20th Century Fox. Mittlerweile nennt sich der vom Disneykonzern aufgekaufte Verleih 20th Century Studios und der Unterwasser-Schocker kam Anfang des Jahres immerhin in ein paar ausgewählte Kinos. Ob dieser Umgang mit dem Film gerechtfertigt ist, das verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Sieben Meilen unter dem Meeresspiegel liegt eine Forschungsstation, in der ein Team von Wissenschaftlern, bestehend aus der Ingenieurin Norah (Kristen Stewart) und ihre Kollegen Rodrigo (Mamoudou Athie), Emily (Jessica Henwick), Paul (T.J. Miller) und Captain Lucien (Vincent Cassel) Bohrungen vornehmen soll. Nach vielen Wochen der Isolation unter dem Meer zerstört ein Erdbeben die Station fast vollständig. Auch Todesopfer gibt es zu beklagen. Um ihr Leben zu retten, wagen die Überlebenden schließlich den verzweifelten Versuch sich bis zur nahegelegenen Bohrstation durchzuschlagen. Doch dabei werden sie von mysteriösen Kreaturen attackiert, die durch das Beben geweckt wurden…
Kritik
Horrorfilme unter Wasser – nicht, dass es davon so viele gäbe – bedienen in der Regel gleich mehrere Publikumsängste auf einmal. Im Falle von „Underwater – Es ist erwacht“ ist da einmal die Klaustrophobie; Sieben Meilen unter dem Meer kann einem bei dem Gedanken an die abertausenden Wassermassen über einem schon mal mulmig werden. Zudem gibt es normalerweise immer auch noch eine konkrete Bedrohung, vor der sich die Hauptfigur in Acht nehmen muss. Das waren zuletzt vor allem Haie, hier sind es monströse Kreaturen. Darüber hinaus werden Protagonistin Norah und ihre Crew mit solchen Phobien wie etwa der Achluophobie, der Angst vor Dunkelheit, konfrontiert. Und wusstet ihr eigentlich, dass es mit der Aquaphobie einen eigenen Fachbegriff für die Angst vor Wasser(tiefe) gibt? Zusammengefasst ist das Szenario in „Underwater“ wie prädestiniert für einen stimmungsvollen Horrorfilm. Und trotzdem muss es ja irgendeinen Grund gehabt haben, weshalb ihn das Studio 20th Century Fox (heute 20th Century Studios) so lange im Giftschrank eingesperrt hat. Fertig abgedreht ist William Eubanks Unterwasser-Schocker nämlich bereits seit Mitte 2017. Wollte man warten, bis der Hype um Kristen Stewart nach sagenhaften Performances in „Still Alice“, „Certain Women“ und „Personal Shopper“ endlich seinen (vorläufigen) Höhepunkt erreicht? Letztlich kann man über die Gründe nur spekulieren. Uns am nächsten liegt die Vermutung, dass „Underwater“, ähnlich des 2016er-Titels „Das Morgan Projekt“, mit dem derselbe Verleih ganz ähnlich verfuhr, einfach überhaupt keine Alleinstellungsmerkmale vorzuweisen hat, mit dem sich ansprechend werben ließe. Und Kristen Stewart war auch schon mal besser.
Wenn man William Eubank („The Signal“) eines nicht vorwerfen kann, dann dass er sich zu lange an unnötiger Exposition aufhalten würde. Das Skript von Brian Duffield („Die Bestimmung – Insurgent“) und Adam Cozad („Legend of Tarzan“) wendet gerade einmal sieben Minuten auf, bis Kristen Stewart alias Norah ein Leck bemerkt und die Forschungsstation schließlich von einem Erdbeben zerstört wird. Diese nur kurze Eingewöhnungszeit ins Szenario gibt sogleich das auch im weiteren Verlauf sehr flotte Tempo vor. Es gibt kaum eine Szene in „Underwater“, in der nicht irgendetwas Relevantes passiert. Szenisches Füllmaterial gibt es wenig. Was auf der einen Seite gut ist, rächt sich an anderer Stelle. In diesem Fall an den Figuren, denn so angenehm es gerade in diesem Genre auch ist, dass man mit Norah und ihrem Team offenbar tatsächlich mal kluge Leute zu Horrorfilmfiguren auserkoren hat (wir erinnern uns alle an die Torfnasen aus „Life“!), geht das stringente Erzähltempo zu Lasten von Charakterdetails. Sie alle definieren sich am Ende nur über ihren Status als Wissenschaftler. Das sorgt zwar dafür, dass man im weiteren Verlauf des Films ein gutes Gespür für die tatsächliche Bedrohung bekommt (wenn sogar solche Fachleute wie die hier präsentierten Wissenschaftler Schiss haben, dann muss das Problem wirklich groß sein – ein wenig wie im Flugzeug, wenn sogar den sonst immer routinierten Stewardessen plötzlich Angst und Bange wird). Aber ein Mitfiebern auf emotionaler Ebene bleibt fast vollständig aus. Nicht zuletzt, weil Kristen Stewart hier leider wieder einmal das sonst deutlich zu harsche Vorurteil bekräftigt, ihre Schauspielkarriere mit nur einem einzigen Gesichtsausdruck zu bestreiten.
„So angenehm es gerade in diesem Genre auch ist, dass man mit Norah und ihrem Team offenbar tatsächlich mal kluge Leute zu Horrorfilmfiguren auserkoren hat, geht das stringente Erzähltempo zu Lasten von Charakterdetails.“
Immerhin: Die meiste Zeit über sieht man sie und ihre Kollegen ohnehin hinter den Helmvisieren ihrer 63 Kilo schweren (!) Taucheranzüge. Durch dieses Gewicht, das ja allein schon auf die nun deutlich schwerfälliger ausfallenden Bewegungen der Schauspieler enorme Auswirkungen hat, verstärkt sich der klaustrophobische Effekt von „Underwater“ noch einmal. Dass zudem ein Großteil des Films auch tatsächlich unter Wasser gedreht wurde, hat ebenfalls positive Auswirkungen auf die Authentizität des Gezeigten. Man meint sich tatsächlich an der Seite einer Handvoll Wissenschaftler wiederzufinden, die hier gerade unzählige Meter unter der Meeresoberfläche um ihr Überleben kämpfen. Kameramann Bojan Bazelli („A Cure for Wellness“) sorgt mit seiner paralysierenden, die Dunkelheit und ihre Schatten („War das etwa gerade das Monster?“), aber auch die Eigenheiten von Wasser und seinen Strömungen optimal ausnutzenden Kameraarbeit für eine zusätzlich beklemmende Atmosphäre, dessen Wirkungskraft das zwar effektive aber alles andere als subtile Sounddesign ein Stückweit schmälert. Damit meinen wir nicht, wie bedrohlich und unangenehm es vor den Türen der Forschungsstation rumort und knackst. Sondern dass das Komponistenduo aus Marco Beltrami („Le Mans 66 – Gegen jede Chance“) und Brandon Roberts („Free Solo“) ihre eintönige Score-Spur immer dann heftig aufdreht, wenn es der Jumpscare gerade verlangt. Das ist zweifellos zweckdienlich, insofern nicht weiter verwunderlich. Die zunehmende Redundanz dahinter lässt sich aber nicht leugnen.
Und wo wir gerade dabei sind: Auch die in „Underwater“ bemühten Versatzstücke so ziemlich jedes irgendwann einmal erschienenen (Unterwasser-)Alien- oder Monsterfilms rufen beim Zuschauer alsbald Ermüdungserscheinungen hervor. Seien es nun Klassiker wie die „Alien“-Filme (inklusive vieler visueller Anleihen an „Prometheus“) oder ihre unzähligen Trittbrettfahrer wie „The Abyss“ oder der bereits zitierte „Life“: An „Underwater“ fühlt sich nichts neu oder innovativ an. Einige Aufnahmen erinnern gar eins zu eins an solche aus dem modernen Horrorklassiker „The Descent“. Nun müssen all diese Zutaten am Ende immer noch keinen schlechten Film ergeben. Erst recht wer sich zur Fanbase derartiger Subgenres des Horrorfilms zählt, könnte an den kurzweiligen, ein ansehnliches Creature-Design vorweisenden neunzig Minuten durchaus seine Freude haben. Doch die Macher bleiben nicht nur stur auf den von den erwähnten Klassikern vorgezeichneten Wegen, verzichten komplett auf jedwede eigenen Akzente. Sie lassen – und das ist besonders ärgerlich – die Handschrift des eigentlich so visionären Regisseurs William Eubank unbeachtet. Der Filmemacher kann hier zwar immerhin sein Gespür für Atmosphäre ausspielen, doch die technischen Spielereien, mit denen der auch als Kameramann tätige Eubank seine bisherigen Filme gezielt auszubremsen und zu veredeln wusste, sucht man in „Underwater“ vergebens.
„Erst recht wer sich zur Fanbase derartiger Subgenres des Horrorfilms zählt, könnte an den kurzweiligen, ein ansehnliches Creature-Design vorweisenden neunzig Minuten durchaus seine Freude haben.“
Lediglich wenn Kristen Stewart ganz zu Beginn das Leck in der Forschungsstation realisiert und Eubank den sprichwörtlichen fallenden Groschen mit einer Super-Slow-Motion-Einstellung visualisiert, werden kurz Erinnerungen an das wach, was Eubank in seinen bisherigen Filmen auf visueller Ebene abzuliefern wusste. Vielleicht gibt es davon ja in seiner nächsten Arbeit wieder mehr zu sehen. Aktuell hat er zwei Projekte in der Pipeline.
Fazit: Trotz des technisch optimal ausgenutzten Settings einer Unterwasserforschungsstation bleiben in „Underwater – Es ist erwacht“ nicht nur die Figuren auf der Strecke, sondern auch ein Filmerlebnis jenseits von „hab ich schon mal gesehen“. Schade ist das vor allem für William Eubank, dessen starke Handschrift hier kaum zur Geltung kommt.
„Underwater – Es ist erwacht“ ist ab sofort auf DVD, Blu-ray und als Stream erhältlich.