Die Turteltauben

Eigentlich sollte die Komödie DIE TURTELTAUBEN ins Kino kommen. Doch im Zuge der Corona-Pandemie hat Paramount seine Geschichte eines entgleisenden Abends an Netflix verkauft. Was der Film so auf dem Kerbholz hat? Wir verraten es in unserer Kritik…
Der Plot
Vier Jahre nach ihrem atemberaubenden ersten Date sind Leilani (Issa Rae) und Jibran (Kumail Nanjiani) meilenweit davon entfernt, wo sie sich in der flitterigen Kennenlernphase gesehen haben: Unentwegt streiten sie sich über Kleinigkeiten, wie ihre unterschiedlichen Sichtweisen über das Fernsehprogramm oder Social-Media-Etikette, sowie über größere Dinge – etwa darüber, ob sie die Meinung des Anderen überhaupt wertschätzen oder wie ihre Zukunftspläne aussehen. Als sie gerade einen so heftigen Streit haben, dass ihre Beziehung im Eimer scheint, fährt Jibran versehentlich einen Fahrradfahrer an. Aus dem Nichts taucht ein Mann auf, der sich als Polizist ausgibt, den Wagen inklusive Insassen „konfisziert“ – und den Radfahrer mehrmals eiskalt überfährt. Daraufhin flieht der Unbekannte und lässt ein schockiertes (Ex-)Paar zurück, das von Passanten für Mörder gehalten wird. Da sie überzeugt sind, dass ihnen niemand glauben wird, machen sie sich auf, selber den wahren Täter dingfest zu machen …
Kritik
Michael Showalter ist hauptsächlich für seine Drehbucharbeit am Parodie-Kultfilm „Wet Hot American Summer“ bekannt sowie für die beiden Netflix-Serien, die auf ihm basieren. Daher ist es nicht allzu überraschend, dass seine neueste Regiearbeit „Die Turteltauben“ auf Netflix gelandet ist, nachdem das verantwortliche Studio Paramount Pictures im Zuge der Corona-Pandemie nach einer Möglichkeit gesucht hat, den Film möglichst nah am geplanten Kinostart doch noch auszuwerten. Gleichwohl ist es schade, dass die neuste Zusammenarbeit zwischen Showalter und Kumail Nanjiani so unzeremoniell veröffentlicht wird. Immerhin sorgten sie 2017 noch mit der ins Kino entlassenen Amazon-Produktion „The Big Sick“ weltweit für Lacher, hüpfende Herzen und sehr erfreutes Publikums-Feedback. Um das Ganze aber noch einmal zu drehen: Vielleicht bleibt es Showalter und Kumail Nanjiani, der eine tragende Rolle im übernächsten Marvel-Studios-Kinofilm „The Eternals“ spielen wird, so erspart, dass sich gemeine Zungen darin üben, nach dem „The Big Sick“-Hoch ihnen einen herben Karriereknick vorzuwerfen. Denn auch wenn „Die Turteltauben“ nicht per se schlecht ist, so nahm er bis kurz vor seinem anvisierten Kinostart partout keinerlei Buzz auf, weswegen es überraschend gewesen wäre, hätte die 16-Millionen-Dollar-Produktion zum Start die Kassen heiß laufen lassen.
Da „Die Turteltauben“ alles in allem zwar vergnüglich, aber auch ziemlich vergessenswert ist, wäre eine starke Mundpropaganda eine ziemliche Überraschung gewesen. Stärken hat „Die Turteltauben“ aber durchaus: Kumail Nanjiani hat als Reality-Show-verachtender Dokumentarfilmer, der eifersüchtig auf Kollegen seiner Partnerin ist und die Nase rümpft, weil sie die Ehe verachtet, aber dennoch Verlobungs-Social-Media-Posts liked, eine struppige, charismatische Ausstrahlung. Und für den Großteil des Films sitzt sein komödiantisches Timing. „The Hate U Give“-Mimin Issa Rae wiederum bietet ihm als Werbeexpertin, für die Dokumentarfilme bloß Realityshows sind, die niemand guckt, und die selbst in schrägen Momenten noch etwas aufreizend finden kann, sehr fähig Paroli. Und das Duo macht die komplizierte „Wir können nicht miteinander, aber auch nicht ohne“-Dynamik zwischen den Hauptfiguren glaubhaft – auch wenn die Streitereien der Zwei, die in allen noch so brisanten Situationen ausarten können, manchmal einen strengeren Schnitt gebraucht hätten. Showalter und Cutter Robert Nassau lassen den Hassliebe-Zank zwischen Leilani und Jibran nämlich stellenweise so lang weiterlaufen, dass der Witz verlorengeht und zudem der erzählerische Drive der Crime-Comedy-Storyline im Stile des Tina-Fey-Steve-Carell-Vehikels „Date Night“ aus dem Takt gerät.
„Das Duo macht die komplizierte „Wir können nicht miteinander, aber auch nicht ohne“-Dynamik zwischen den Hauptfiguren glaubhaft – auch wenn die Streitereien der Zwei, die in allen noch so brisanten Situationen ausarten können, manchmal einen strengeren Schnitt gebraucht hätten.“
Das Drehbuch von Aaron Abrams und Brendan Gall nur spärlich Überraschungen beibehält, sondern zumeist sehr pflichtbewusst-routiniert sowie arm an Persönlichkeit von A nach B steuert, sind die einzelnen Etappen der Odyssee des titelgebenden Paares schwer davon abhängig, ob sie doch noch irgendwie ein zündendes Element finden. Das kann in Form pfiffig eingefädelter humoristischer Rückgriffe, eines mit markant gestalteten Masken ausgestatteten Geheimbundes, oder in Form von Nebendarstellern erfolgen, die ihren Szenen ihren Stempel aufdrücken – wie Anna Camp („Pitch Perfect“) als quirlige, muntere Schurkin ohne Gewissen. Abseits solcher herausragender Momente flacht „Die Turteltauben“ jedoch arg ab.
Fazit: Unterm Strich bleibt eine Komödie, die etwas weniger als 90 Minuten dauert, aber nur etwas weniger als 80 Minuten getragen hätte, und deren Story kreativer hätte erzählt werden sollen. „Game Night“ machte vor, wie es geht. Doch Rae und Nanjiani bereiten dennoch genug Spaß für einen kurzweiligen Fernsehnachmittag.
„Die Turteltauben“ ist ab sofort auf Netflix streambar.