Onward – Keine halben Sachen

Eine magische Welt, aus der die Magie längst verschwunden ist – das ist die Idee hinter ONWARD – KEINE HALBEN SACHEN, die den Background für ein solides Abenteuer-Roadmovie bildet. Doch ob das für Pixar nicht vielleicht zu wenig ist, das verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
New Mushroomton ist eine Welt voller Zauber und wunderbarer Wesen. Oder besser gesagt: Sie war es einmal. Denn leider ist die Magie fast vollständig aus der beschaulichen Vorstadt verschwunden. Mittlerweile gehören Müll fressende Einhörner zum Stadtbild und magische Geschöpfe wie etwa Drachen findet man hier allenfalls als Haustiere wieder. Doch eines Tages erhalten die Brüder Ian und Barley von ihrer Mutter die einmalige Chance, zumindest in ihr Leben wieder einen Hauch von Magie zu lassen: Mithilfe eines Zauberstabs kann es ihnen gelingen, ihren toten Vater für einen ganzen Tag wieder zurückzuholen. Doch bei dem Versuch geht etwas gewaltig schief. Und so müssen die beiden das erste Mal seit langer Zeit wieder an einem Strang ziehen und auf einem abenteuerlichen Roadtrip eine Reihe gefährlicher Aufgaben erfüllen, eh sie ihren Dad wieder in ihre Arme schließen können…
Kritik
Es geht Schlag auf Schlag: Innerhalb von gerade einmal drei Monaten erscheinen in den USA zwei Werke aus dem Produktionshaus Disney/Pixar. Jetzt im März bringt die Filmschmiede zunächst das magische Abenteuer-Roadmovie „Onward – Keine halben Sachen“ heraus, bereits im Juni kommt dann „Soul“, bisherigen Ankündigungen zufolge so etwas wie „Alles steht Kopf“, nur eben mit der Seele im Mittelpunkt. Hierzulande wird dieser enge Startplan aufgrund des deutlich späteren Veröffentlichungstermins von „Soul“ im Oktober ein wenig entschlackt. Doch das ändert nichts an der Vermutung, dass man im Hause Pixar vielleicht selbst nicht so ganz von der Qualität des neuesten Emporkömmlings überzeugt ist und hofft, dass man das im Schatten von „Soul“ vielleicht schnell wieder vergisst. Vorab blieb sogar die große Marketingoffensive zu „Onward“ aus; ein paar (miese) Werbespots auf dem Disney-Channel hier, ein, zwei Plakate dort. Aber das ist natürlich nichts gegen die Werbeattacken und das Zupflastern öffentlicher Gebäude, wie man es etwa kurz vor dem Kinostart von „Findet Dorie“ oder zuletzt dem Remake von „Der König der Löwen“ erlebt hat. Nun geht der Konzern bei Originalstoffen (zuletzt „Coco“, davor „Arlo & Spot“) natürlich auch immer ein etwas größeres Wagnis ein als bei Fortsetzungen von bekannten Marken. Da kennt man die Figuren schon, muss sie lediglich zurück ins Gedächtnis potenzieller Zuschauer rufen. Im Falle von „Onward“ gilt es mal wieder, Charaktere und Welt ganz neu zu etablieren. Dass das nur mäßig gelingt, ist einer der wackeligen Gerüstbausteine, auf denen der Film fußt. Denn auch wenn „solide“ bei Pixar immer noch in gewisser Weise „gut“ bedeutet, ist „Onward“ definitiv einer der schwächsten Beiträge jüngerer Produktionsfirmengeschichte.
Die Idee hinter „Onward – Keine halben Sachen“ ist nicht nur ziemlich kreativ, sie ist auf eine morbid-amüsante Weise auch ziemlich zeitgemäß. Was wäre, wenn in einer (magischen) Welt nach und nach die Magie abhandenkommt, man sich von Zauberei und dem ganzen Pipapo nicht mehr beeindrucken lässt, magische Einhörner zu Ratten verkommen und man niedliche Drachen als Haustiere längst für selbstverständlich empfindet? Es bedarf keiner großen Geistesanstrengung, um den Zustand von New Mushroomton auch ein wenig als Kommentar auf unsere echte Welt zu verstehen. In Zeiten, in denen wir uns gefühlt von nichts mehr begeistern lassen, weil wir ja alles schon gesehen haben und die ironische Brechung somit für viele der einzige Weg scheint, sich noch nicht vollkommen entgeistert mit aktueller Popkultur auseinanderzusetzen, kommt es irgendwie gerade recht, wie das Drehbuchautoren-Trio aus Dan Scanlon („Die Monster-Uni“), Jason Headly („A bad Idea gone wrong“) und Keith Bunin („Horns“) ebenjene „Ent-Magisierung“ hier auf eine amüsante Spitze treibt. Der erste Begeisterungsdämpfer: Die oben genannten Beispiele sind dann aber auch schon fast die einzigen dafür, was die Macher mit diesem Setting anfangen wissen. Einmal sieht man Einhörner aus einer Mülltonne fressen, ein anderes Mal hat sich eine Gruppe flugunfähiger Feen zur Hardcore-Rockertruppe auf Motorrädern zusammengetan, und aus einer einst so gefährlichen Ritterburg ist ein harmloses Familienrestaurant geworden. Das sind allesamt kreative Ideen, die man bei einer derartigen Thematik irgendwie auch erwarten würde. Doch das für Pixar eigentlich typische „Mehr“, mit dem sich die Filme des Konzerns eben seit Jahren von der zunehmenden Konkurrenz absetzen, findet sich hier nicht.
Das trifft auch auf die eigentliche Handlung zu, für die „Onward – Keine halben Sachen“ den dramaturgischen Mustern gängiger Roadmovies folgt. Die beiden Protagonisten Ian und Barley erhalten eine Aufgabe (sie sollen einen magischen Stein finden, mit dessen Hilfe es ihnen gelingen kann, ihren dato nur zur Hälfte wieder herbeigezauberten Vater wieder vollständig zusammenzusetzen), bestehen auf ihrer Reise einige Abenteuer und bewältigen Aufgaben, bis sie schließlich zu einer Einheit zusammengewachsen ihr Ziel erreichen. Das ist natürlich schon allein deshalb nicht verwerflich, da Pixar seine Erfolgsformel seit jeher nur marginal verändert. Doch wo der Konzern die Geschichten üblicherweise mit jeder Menge kreativer Ideen – ganz gleich ob bei der visuellen Gestaltung oder erzählerisch – füllt, gerät der Verlass auf Genretropen hier zu sehr in den Fokus, sodass es sogar optisch kaum etwas zu entdecken gibt, wo die Pixar-Bilderwelten doch normalerweise regelrecht überquellen vor Einfallsreichtum. Und obwohl wir wissen, dass dieser Vergleich heute längst keine ausschließliche Kritik mehr ist, so lassen wir uns dennoch dazu hinreißen: Wüsste man es sich besser, ginge „Onward“ auch locker als Dreamworks-Animation-Movie durch. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Die Gags sitzen zumeist, das Tempo ist hervorragend, die Gestaltung der Nebenfiguren (der Mantikor ist ein echter Szenendieb!) ist gelungen und tonal hält der Film die Waage zwischen Spannung, Witz und Emotionalität.
Und wenn man denkt, „Onward“ ließe einen als erster Pixar-Film seit „Cars 2“ gar vollkommen kalt, gelingt den Verantwortlichen im Schlussakt ein kongenialer Schachzug, der sich zynisch zwar als „‘Frozen‘ für Brüder“ beschreiben ließe, rückwirkend aber so smart erzählerische Akzente verschiebt, dass man ihm dafür gar nicht wirklich böse sein kann. Steht im Zentrum von „Onward – Keine halben Sachen“ lange Zeit vor allem das Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Ian und seinem noch vor seiner Geburt verstorbenen Dad, der sich von der Reise erhofft, wenigstens für einen Tag all das mit seinem Vater zu erleben, was ihm als Kind nicht vergönnt war, ist es im Nachgang vor allem das brüderliche Band zwischen ihm und Barley, das für die Geschichte die größte Rolle spielt. Die Erkenntnis dessen sorgt wahrlich für Gänsehaut, funktioniert sie doch über winzige Gesten und das subtile Mienenspiel der Hauptfiguren, die kaum ein Wort benötigen, um miteinander zu kommunizieren. Gleichwohl wirkt diese sehr ruhige und intime Schlussnote fast konterkarierend zum Rest. Wenngleich insbesondere ein aus dem Schutt einer Schule zusammengebauter Drache (!) für mächtig Eindruck an der Animationsfront sorgt, steht sein krawalliger Auftritt doch symptomatisch für die Actionszenen in „Onward“. Diese bleiben insgesamt nämlich ebenso austauschbar wie der Roadtrip an sich und versuchen Eindruck über großes Getöse zu schinden, anstatt über filigrane Choreographien. Der stete Wechsel zwischen temporeichen Abenteuermomenten und der grundsympathischen Interaktion unter den Brüdern konfrontiert den Zuschauer kontinuierlich mit den High- und Lowlights des Films. Was für ein Glück, dass „Onward – Keine halben Sachen“ letztlich auf einem Höhepunkt endet.
Fazit: Routiniert drückt „Onward – Keine halben Sachen“ die bewährten Pixar-Emotionsknöpfe. Doch ausgerechnet bei einem Film über Magie bleibt der heraufbeschworene Zauber aus. Was bleibt ist ein solider Abenteuer-Roadtrip, der als smarter Kommentar auf die zunehmende Verrohung der Menschheit leider hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.
„Onward – Keine halben Sachen“ ist ab dem 12. März bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.