Love, Cecil

In ihrem filmischen Porträt LOVE, CECIL stellt die Regisseurin Lisa Immordino Vreeland einen der außergewöhnlichsten Künstler des letzten Jahrhunderts vor und macht auch ohne technische Spielereien die Faszination für den Fotografen deutlich. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.
Darum geht’s
Faszinierender Dandy und Jahrhundertfotograf: Cecil Beaton (1904 – 1980) ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, der seiner Zeit weit voraus war. Ob als Fotograf für die VOGUE oder den britischen Hof, Kostümdesigner oder Innenarchitekt: Beaton war ein absolutes Multitalent und faszinierte diesseits und jenseits des Atlantiks die oberen Zehntausend. Er kleidete Audrey Hepburn ein, porträtierte Marilyn Monroe, Greta Garbo gehörte mit zu seinem engsten Umfeld. Sein künstlerisches Schaffen prägte Generationen und inspiriert noch heute.
Kritik
Cecil Beaton war einer der prägendsten Fotografen seiner Dekade. Er holte sich die ganz Großen vor die Linse, fotografierte die Queen direkt nach ihrer Krönung, fing die schönen Seiten von Schauspiellegenden wie Marilyn Monroe oder Audrey Hepburn ein und machte seinen Bewunderern die optische Faszination für „Rolling Stones“-Sänger Mick Jagger zugänglich. Ganz nebenbei war er als künstlerischer Berater für die Realisierung von Hollywoodfilmen (u.a. „My Fair Lady“) tätig und arbeitete für die Modemagazine wie Haper‘s Bazaar als freischaffender Porträtfotograf. Vor allem der von ihm an den Tag gelegte dekorative Aufwand, den Beaton unternahm, um das perfekte Foto zu schießen, verhalft ihm zum damaligen Zeitpunkt zu einen von diversen Alleinstellungsmerkmalen und ließ die Liste an Interessierten, die von weit her kamen, um sich von ihm ablichten zu lassen, ins Unermessliche anwachsen. Auch mit seinem Privatleben sorgte Beaton für Schlagzeilen; Sei es durch sein Bekenntnis zur Homosexualität oder durch Gerüchte, Beaton hätte antisemitische Tendenzen, als er in einer Fotokampagne für die US-amerikanische Vogue judenfeindliche Gags unterbrachte, durch die er seinen guten Ruf zeitweise nahezu zerstörte. All das blendet die bekennend von Beaton faszinierte Regisseurin Lisa Immordino Vreeland („Peggy Guggenheim“) nicht aus, doch mit ihrem Dokumentarfilm „Love, Cecil“ will sie dem Zuschauer in erster Linie die Faszination für seine Person näherbringen. Dieser Plan geht auf: Am Ende möchte man am liebsten jeden erdenklichen Bildband über Cecil Beaton kaufen und sich seiner ganz persönlichen Auffassung von Schönheit hingeben – wäre er noch am Leben, wäre seine Warteliste nach diesem Film wohl doppelt so lang.
Beim Hamptons International Filmfestival wurde „Love, Cecil“ im vergangenen Jahr als Beste Dokumentation ausgezeichnet. Im Anbetracht dessen, was Vreelands Film tatsächlich ist, wirkt die Bezeichnung „Doku“ allerdings fast ein wenig hochgegriffen – gerade im Hinblick auf den augenscheinlich doch recht geringen Aufwand, der für diesen Film betrieben wurde. Das in „Love, Cecil“ verwendete Material lässt sich ziemlich genau in zwei Teile gliedern: Jenes, das extra für diesen Film angefertigt wurde und solches aus Archiven, das den deutlich größeren Anteil hat. Dadurch wirkt das Cecil-Beaton-Porträt handwerklich bisweilen billig, denn gerade für szenische Übergänge, in denen ausschließlich der Voice-Over von Rupert Everett („The Happy Prince“) im Mittelpunkt steht, entstanden Bilder, die dem Anspruch, einen Film über einen Ästhetiker zu drehen, nicht gerecht werden, wenn sie doch ebenso gut aus einer Gartendokumentation aus dem Fernsehen stammen könnten. Auch den roten Faden vermisst man; was die gezeigten Blumen und Grünflächen mit der porträtierten Person zu tun haben, wird nicht erklärt. Stattdessen sind sie ganz einfach Füllmaterial. Und auch andere technischen Spielereien, und seien es nur die schriftlichen Einblendungen von Zeit und Ort, passen nicht zum Rest, da die Macher Schriftart und Farbe nicht auf das Bildmaterial abgestimmt haben.
Solche Kleinigkeiten haben sicherlich nicht die größten Auswirkungen auf das Seherlebnis, denn wer sich für die Arbeit von Cecil Beaton interessiert, oder im besten Fall erst durch diesen Film auf den Geschmack kommt, sich mit seinen Fotografien auseinanderzusetzen, wird sich kaum an jenem Material stören, das ohnehin nicht direkt mit seiner Person zu tun hat. Genau unter diesem Gesichtspunkt ist es umso bemerkenswerter, dass „Love, Cecil“ einer anklingend dilettantischen Inszenierung zum Trotz immer noch genug von dem Künstler an sich lebt. In den besten Momenten reicht es auch, den Film als eine Art Diashow zu betrachten und den Worten über die Bilder zu lauschen; mal von Cecil Beaton selbst, mal von mehr oder weniger bekannten Weggefährten und mal von Rupert Everett, der immer wieder in die Rolle der Hauptfigur schlüpft und an seiner Stelle Tagebucheinträge und Briefe vorliest, die Beaton einst selbst verfasste. Zumindest aus personeller Sicht, gelingt es der Regisseurin, ein allumfassendes Abbild des Fotografen zu kreieren, das sich letztlich wieder auf seine Werke selbst zurückführen lässt, da diese unweigerlich mit den persönlichen Umständen des Künstlers verbunden waren. Trennungen, unerfüllte Lieben und Kritik an Person und Schaffen spiegelten sich immer auch in den Fotografien wieder und so wuchs Cecil Beaton nicht bloß an seiner Arbeit, sondern auch die Arbeit an ihm.
Zu den Interviewpartnern der Filmemacher gehören neben bekannten Gesichtern wie etwa Modedesigner und High-Heel-Papst Manolo Blahnik, Kameramann David Bailey und Hamish Bowles von der Vogue auch Zeitzeugen aus Beatons privatem Umfeld. Sie alle berichten völlig subjektiv von ihren Erfahrungen mit ihm und ordnen sein Werk auch für Laien verständlich in die jeweilige Dekade ein. Das ermöglicht es auch mit der Materie nicht so vertrauten Zuschauern, die Bedeutung Cecil Beatons für die Modewelt zu begreifen. Doch auch, wer sich gar nicht so sehr dafür interessiert, hat letztlich immer noch die Bilder selbst, um sich an ihnen zu laben. Und das ist in diesem Fall wörtlich zu verstehen, denn ohne es an bestimmten Dingen festmachen zu können, ziehen einen die von Beaton geschossenen Porträts zwangsläufig in ihren Bann. Der Künstler fand Schönheit in so ziemlich allem, wusste sie sogar ortsabhängig an ganz bestimmten Dingen festzumachen. Beaton war ein Ästhet durch und durch, der vor allem aber das Besondere in den von ihm fotografierten Menschen zu finden wusste. So richtig bemerkenswert wird es übrigens dann, wenn wir den Künstler bei einer Fotosession mit einem Model beobachten können. Schwenkt die Kamera plötzlich zu ihm, wird einem auf einmal bewusst, dass hinter den perfekt ausstaffierten Fotografien nicht bloß kein penibel hergerichtetes Studio stehen musste und auch im Nachhinein keinerlei Bearbeitungsprogramme zum Einsatz kamen. Vor allem aber war das Kameramodell von damals vergleichbar mit Hobbygeräten von heute. Das fühlt sich fast ein wenig nach „Twist“ an, unterstreicht aber vor allem, dass es in „Love, Cecil“ vor allem um einen Menschen geht und um das, was nur dieser geschaffen hat.
Fazit: „Love, Cecil“ ist aus produktionstechnischer Sicht allenfalls Mittelmaß, doch das worum es geht – Faszination für den Jahrhundertfotografen Cecil Beaton zu schüren – gelingt Regisseurin Lisa Immordino Vreeland trotzdem mit Bravour.
„Love, Cecil“ ist ab dem 12. Juli in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.