7 Tage in Entebbe

In seinem auf wahren Ereignissen beruhenden Thrillerdrama 7 TAGE IN ENTEBBE erzählt Regisseur José Padilha von einem der prägenden Ereignisse aus der Zeit des deutschen Frühlings und vermengt dafür Spekulationen mit Zeitzeugenberichten. Das Ergebnis ist entsprechend zwiegespalten. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
27. Juni 1976 – eine Gruppe palästinensischer und deutscher Terroristen unter der Führung von Wilfried Böse (Daniel Brühl) und Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) kapert die Air France Maschine 139 auf ihrem Flug von Tel Aviv nach Paris und erzwingt eine Landung in Entebbe, Uganda. Die israelischen Geiseln an Bord sollen gegen palästinensische Gefangene ausgetauscht werden. Mit einem Ultimatum von nur einer Woche muss die Regierung in Israel eine schwerwiegende Entscheidung treffen – durchbricht sie ihre bisherige Maxime, mit Terroristen nicht zu verhandeln? Es folgen 7 Tage in Entebbe, die sowohl die Politiker als auch die Kidnapper ans Äußerste bringen…
Kritik
Der gebürtige Brasilianer José Padilha steht auf die ganz harten Stoffe. Zuletzt inszenierte und produzierte der Regisseur des mäßigen „RoboCop“-Remakes diverse Episoden der derben Netflix-Serie „Narcos“ über den kolumbianischen Drogenbaron Pablo Escobar. Sein neuestes Projekt „7 Tage in Entebbe“ feierte ganz konträr seine Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen von Berlin; und aufgrund der Thematik wundert das auch nicht, denn das Thrillerdrama über einen schwerwiegenden Vorfall inmitten des Deutschen Herbstes der späten Siebzigerjahre, gehört zu den wichtigsten, wenn auch dunkelsten Kapiteln der Bundesrepublik. Damals nahmen Angehörige der terroristischen Rote Armee Fraktion (RAF) mehrmals Flugzeugpassagiere als Geiseln, um so Gesinnungsgenossen aus den Gefängnissen freizupressen. Die größte, wenngleich fragwürdige Popularität erlang in diesem Zusammenhang die somalische Hauptstadt Mogadischu, wohin im Herbst 1977 die Lufthansa-Maschine „Landshut“ unter der Hand von Entführern gebracht wurde. Doch schon ein Jahr zuvor ereignete sich ein ähnlicher Vorfall, der ebenfalls bereits starkräftig für die große Leinwand adaptiert wurde. Der Regisseur geht für seine Version einen ambitionierten, bisweilen prätentiösen aber bis zum Schluss nicht ganz runden Weg, denn Vieles in seinem Film ist Behauptung und so kommt es, dass er den Entführern bisweilen einen merkwürdigen Heldenstatus zugesteht.

RAF-Terrorist Wilfried Böse (Daniel Brühl) übernimmt mit Gewalt die Kontrolle über den Piloten Jacques Le Moine (Denes Ménochet).
Normalerweise lässt sich bei der Nacherzählung wahrer Ereignisse Vieles damit erklären, dass gewisse Dinge, selbst wenn sie erzählerisch nicht ganz rund erscheinen, nun mal genauso passiert sind und man die Realität zu Gunsten der Unterhaltung schlecht verfälschen kann. Im Falle von „7 Tage in Entebbe“ ist es ausnahmsweise einmal genau andersherum: Da man bei der Rekapitulation des Vorfalls nicht auf die Aussagen der so wichtigen Täter zurückgreifen konnte, musste man sich voll und ganz auf das verlassen, was die Geiseln zum damaligen Zeitpunkt (und unter einer immensen psychischen Belastung) wahrgenommen haben – und da die Entführer Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann oft deutsch miteinander sprachen, ließen sich so Einiges gar nicht erst widergeben. Drehbuchautor Gregory Burke („’71: Hinter feindlichen Linien“) hatte also entsprechend große Freiheit, um sich die Beweggründe der Täter zusammenzuspinnen, was in „7 Tage in Entebbe“ auch weitestgehend absolut schlüssig ist, schließlich ist aus diversen anderen Quellen genau überliefert, wie RAF-Mitglieder bei ihren Aktionen operierten und warum. Die Versuche, den beiden Entführern einen persönlichen Hintergrund zu geben, gerät da schon weniger glaubwürdig, denn trotz der starken Besetzung durch Daniel Brühl („The Cloverfield Paradox“) und Rosamund Pike („A United Kingdom“) bleibt das Handeln der zwei Figuren bis zum Schluss ziemlich beliebig.
Vor allem die beiden Hauptfiguren besitzen durchaus eine moralische Diversität, die immer wieder vereinzelt durchschimmert: Entführung ja, Gewalt möglichst nein – das ist zwar ein simpler Grundsatz, der Böse und Kuhlmann immer noch zu bewaffneten, zu allem bereiten und im Zweifelsfall eben doch sehr brutalen Verbrechern macht, doch das Skript müht sich um eine möglichst mehrdimensionale Sichtweise auf das Geschehen. Vor allem in den Dialogen spiegeln sich die Beweggründe der Terroristen wider, genauso wie die Erkenntnis, dass die Zwei nach und nach an ihrer Ideologie zu zweifeln beginnen und ihre Pläne hinterfragen. Das geht gerade auf der Zielgeraden aber auch ziemlich nach hinten los, wenn der Regisseur Brühls Böse einen fast schon heroischen Abgang gewährt, der in seiner Zeitlupen-Aufmachung regelrecht Anerkennung für die Täter fordert, im entscheidenden Moment nicht auf die Geiseln geschossen zu haben. Durch solche Szenen bleibt in „7 Tage in Entebbe“ ein Großteil der bedrohlichen Spannung auf der Strecke, denn selbst, wer nicht weiß, wie das Geschehen ausgegangen ist, wird selten seine Hände ins Polster seines Kinosessels bohren. Dafür zeichnet Gregory Burke die Antagonisten – zu denen später auch noch der das Vorhaben unterstützende, größenwahnsinnige Präsident und Diktator Idi Amin (Nonso Anozie) und seine Soldaten gehören – selten so richtig gefährlich und widmet sich lieber verstärkt den Regierungsverhandlungen.
Die Sicht auf das, was die ins Geschehen involvierten Politker einer israelischen Sonderkommission tun, um die Befreiung der Geiseln in die Wege zu leiten, ist unweit spannender als die Geschehnisse auf dem Flughafen. Das Ringen um Fassung und das Wahren des Grundsatzes, mit Terroristen nicht zu verhandeln, steht dem unbedingten Willen einer baldigen Lösung, die möglichst wenig Menschenleben fordert, gegenüber und berücksichtigt gleichermaßen die verschiedenen Charaktertypen der am Tisch sitzenden Politiker. Was hingegen so gar nicht in das Bild der ansonsten sehr nüchternen Inszenierung passt, ist der Subplot um einen Soldaten und seine Freundin, die an einer Tanzakademie für ihren großen Auftritt probt. „7 Tage in Entebbe“ beginnt bereits mit einem Ausschnitt aus den Proben, deren Dramaturgie später jener der Befreiungsaktion ähnelt und in einer spektakulären Bildmontage für eine enorme Energie sorgt. Gleichwohl greift hier das altbewährte „Style over Substance“-Prinzip: Wie die Macher die beiden Handlungsstränge ineinander montieren, sieht zwar bildgewaltig aus, scheitert aber an seinen übermäßigen Ambitionen: Symbolismus hin oder her, es macht schlicht und ergreifend keinen Sinn, im Gegenteil: Es nimmt den Geschehnissen auch noch das letzte Stück Bedrohlichkeit. Einen unweit stärkeren Eindruck erwecken dagegen die Darsteller: Rosamund Pike gibt sich außerordentliche Mühe, möglichst akzentfrei Deutsch zu sprechen und ist in der Lage, in diesen Momenten immer noch zu spielen, anstatt sich ausschließlich auf die korrekte Aussprache der Worte zu konzentrieren, während Daniel Brühl als uneinschätzbarer Wilfried Böse alles unternimmt, seinen Charakter zu einer runden, komplexen Figur zu machen. Dass er daran hier und da scheitert, liegt nicht an ihm selbst, sondern am unentschlossenen Skript.
Fazit: „7 Tage in Entebbe“ ist ein solides Thrillerdrama, das man jedoch nicht als absolut korrekte Nacherzählung der damaligen Ereignisse verstehen sollte. Dafür ist zu vieles in José Padilha ambitioniert inszenierten Film Spekulation und der Regisseur in der zweiten Hälfte zu sehr auf Spektakel aus.
„7 Tage in Entebbe“ ist ab dem 3. Mai in den deutschen Kinos zu sehen.