Hereinspaziert!

Das Erfolgsteam von „Monsieur Claude und seine Töchter“ wagt sich mit der Komödie HEREINSPAZIERT! in ähnliche Gefilde, geht aber diesmal so konsequent baden, dass man vermutlich Applaus von der falschen Seite ernten wird. Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Der linksliberale Starautor Jean Etienne Fougerole (Christian Clavier) lebt mit Frau Daphné (Elsa Zylberstein), Sohn Lionel (Oscar Berthe) und Personal ein privilegiertes Leben. Trotzdem oder gerade deshalb spricht er sich in seinem neuesten Werk für die bedingungslose Aufnahme von obdachlosen und hilfsbedürftigen Menschen aus. Bei einem TV Duell lässt er sich auf ein verbales Kräftemessen mit einem verhassten Konkurrenten ein, der eine gegensätzliche und vor allem populistische Haltung vertritt. Im Laufe der hitzigen Debatte stellt dieser Fougeroles Engagement provokant in Frage und ihn zur Rede. Um sein Gesicht zu wahren, gibt Jean Etienne vor laufender Kamera dem Druck des Kontrahenten nach und erklärt sich bereit, „selbstverständlich“ und zu jeder Zeit hilfsbedürftige Roma in seiner Nobelvilla aufzunehmen. Schon am gleichen Abend wird Jean Etienne von den Folgen seiner vermeintlich großherzigen Ankündigung eingeholt: Auf seiner Schwelle steht das Roma-Familienoberhaupt Babik (Ary Abittan) mit seiner neunköpfigen Familie. Einen Caravan, der ihnen als Unterkunft dient und formidable auf den gepflegten Rasen der Fougeroles passt, haben sie auch dabei. Mit dem bürgerlich-satten Leben der Familie Fougerole ist es damit schlagartig vorbei.
Kritik
Das kürzlich über die Fernsehschirme geflimmerte TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schultz sorgte bei Zuschauern und Presse zwar nicht gerade für Begeisterungsstürme, wurde aber immerhin für seine Professionalität gelobt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch wer einmal schaut, we solche Veranstaltungen in den USA oder Frankreich ablaufen können, der weiß es schon zu schätzen, dass sich die beiden politischen Gegner hierzulande eben nicht zu persönlichen Tiraden hinreißen lassen, um den Gegner zu provozieren. Aus dieser Idee des verbalen Schlagabtauschs live vor den Fernsehkameras entwickelten die Drehbuchautoren Guy Laurent („Monsieur Claude und seine Töchter“) und Marc de Chauveron („Der Vollposten“) die Idee für ihre neueste Komödie „Hereinspaziert!“: Einer der Teilnehmer – hier kein Politiker, sondern „nur“ ein polarisierender Autor – gibt gar seine Privatadresse preis, um sich vor dem Anderen zu profilieren und muss ein Versprechen quasi direkt einlösen, um nicht sein Gesicht zu verlieren. Mit dieser Prämisse ähnelt „Hereinspaziert!“ durchaus ein wenig an Philippe de Chauverons Sensationserfolg „Monsieur Claude und seine Töchter“, was angesichts der einmal mehr zusammen arbeitenden Regie-Autor-Hauptdarsteller-Konstellation kein Wunder ist: Damals musste der titelgebende Monsieur Claude seine vorgetäuschte Toleranz plötzlich unter Beweis stellen, als seine Töchter nach und nach Freunde anderer Ethnien mit nach Hause brachten. Auch in „Hereinspaziert!“ geht es nun um gelebte Offenheit gegenüber Neuem und Fremden – doch diesmal geht dieses Unterfangen so gewaltig daneben, dass die Komödie nicht etwa Vorurteile und Klischees widerlegt, sondern bestätigt.
Wir beginnen unsere Kritik mit einem Beispiel, um unseren Lesern einmal direkt vor Augen zu führen, was die Macher von „Hereinspaziert!“ für so lustig befunden haben, dass es als (unkommentierter!) Running-Gag seinen Platz im Film gefunden hat: Der als äußerst zurückgeblieben gezeichnete Piti (Marian Samu) hat den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun, als durch den Garten der Familie Fougerole zu schleichen und Maulwürfe zu jagen. Doch damit nicht genug. Anschließend bringt er die getöteten Tierchen zu seinem Vater und lässt sie seine Familie als schmackhafte Delikatessen zubereiten und sogar den Gästen servieren (wir haben das recherchiert: in keiner Kultur dieser Welt werden Maulwürfe gegessen!). Wir wollen uns bei einer ohnehin auf recht absurde Szenarien bauenden Komödie nicht an Kleinigkeiten aufhalten, doch wenn ein Film schon mit Klischees spielt und sich im Großen und Ganzen ja eigentlich dafür aussprechen sollte, dass alle Menschen gleich sind, ist es nicht förderlich, solch radikale Momente zu konstruieren, die eine Überhöhung nicht erkennen lassen. In „Hereinspaziert!“ bleiben derartige Szenen nämlich einfach für sich stehen und laufen daher Gefahr, Applaus von der falschen Seite zu ernten. Denn ob sie nun Maulwürfe essen, Haus und Garten der Fougeroles ins Chaos stürzen oder sie bis zuletzt so tun, als würde das französische Recht für sie nicht gelten: Für Rechtspopulisten sind solche Szenen ein gefundenes Fressen um anschließend mit einem „Ich habe es Euch ja gesagt!“ zu argumentieren.
Was fehlt, sind ganz einfach solche Szenen, in denen Philippe de Chauveron das Ganze als Absurdität entlarvt. Und je weiter „Hereinspaziert!“ voranschreitet, desto schlimmer wird es: Dass sich die Macher im letzten Drittel endlich um solch relevante Themen wie Integration bemühen, lässt einen kurz aufatmen und hoffen, der Film würde wenigstens im Finale noch die Kurve kriegen. Doch auch hier greifen die Autoren daneben, wollen sie dem Zuschauer doch weismachen, eine Roma-Familie wäre in Frankreich schlicht und ergreifend nicht integrierbar. In normalen Jobs kann man sich die Sippschaft nämlich offenbar nicht vorstellen. Stattdessen darf Piti im Park Maulwürfe jagen, Oberhaupt Babik als Security-Guard in einem Museum Gewalt an kleinen Kindern ausüben und da seine Teenager-Tochter in seinem Kulturkreis keine Schule besuchen darf, wird sie ganz einfach vom Sohn der Fougeroles von zuhause aus unterrichtet. Letzteres klingt nur auf den ersten Blick wie ein netter Kompromiss (in Wirklichkeit bleibt einem auch hier die betonte Unbelehrbarkeit der Familie im Halse stecken), genauso wie das Finale, für das die Verantwortlichen sogar eine der Hauptfiguren – sinnbildlich – über die Klinge springen lassen. Ganz so, als wüssten sie nicht, wie sie dieses Desaster noch so zu Ende bringen könnten, sodass Niemand sein Gesicht verliert.
Das tun am Ende alle, von den Verantwortlichen hinter den Kulissen, bis hin zu den Darstellern, unter denen zwar alle einen soliden Job machen, doch die Aussage in „Hereinspaziert!“ ist ein solches Desaster, dass sich hier eigentlich Niemand hätte finden dürfen, der daran mitwirkt. Schien bei dem sehr unbedacht geschriebenen „Monsieur Claude und seine Töchter“ wenigstens noch durch, dass die eigentliche Intention hinter dem Film tatsächlich darin liegen sollte, Vorurteile abzubauen und ein gesellschaftliches Miteinander unter den Kulturen zu befürworten, wirkt dieser Beitrag nun wie ein Film von denen, die bei besagtem Kassenschlager an den falschen Stellen gelacht haben. Da hilft es auch nicht, dass die Macher vereinzelte Subplots dann doch noch überraschend bissig auflösen, denn hat man sich an der schalen Inszenierung von „Hereinspaziert!“ erst einmal verschluckt, ist es kaum möglich, unter diesen Voraussetzungen noch irgendetwas am Film gut zu heißen. Christian Clavier und die hinreißenede Elsa Zylberstein („Ein Sack voll Murmeln“) spielen verzweifelt gegen das klischeedurchtränkte Skript an, scheitern aber immer dann, wenn sie gerade die Kurve kriegen könnten: Wenn sich das Paar fragt, ob es die Wertgegenstände lieber wegschließen soll, damit man die Roma-Familie nicht noch zusätzlich in Versuchung führt, ist auch das ein weiterer, vollkommen ins Leere laufender Versuch, eine Situation zu überspitzen, die sich letztlich aber immer genau so entwickelt, wie die ganz rechts verortete Politik es vorhersagt. Denn offenbar kann man als von Natur aus zivilisierte Franzosen-Familie nicht mit einer von Natur aus wie die Wilden hausenden Roma-Sippe unter einem Dach wohnen. Am Ende liegt das Haus sowieso in Schutt und Asche.
Fazit: „Hereinspaziert!“ ist ein Film, der Vorurteile bekräftigt, anstatt sie zu widerlegen. Darin steckt die Aussage, alle Ausländer wären wilde, sich den Gesetzen widersetzende und unbelehrbare Menschen, die sich der Fremde nicht anpassen wollen. Sollten die Macher ihren Film als Satire angelegt haben, ist diese Intention nicht erkennbar. Was bleibt, ist eine absolute Katastrophe – und ein gefundenes Fressen für Rechtspopulisten.
„Hereinspaziert!“ ist ab dem 21. September in den deutschen Kinos zu sehen.